Mietminderung Gewerbemietvertrag Teil I: Ist „Corona“ ein Mangel?

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Gewerbemieter hat die Corona-Krise im Frühjahr 2020 während des Lockdowns teils sehr stark getroffen: Umsätze brachen „über Nacht“ ein, weil geöffneten Ladengeschäften aufgrund von Ausgangssperren die Kunden wegblieben oder weil Geschäfte, Büros und z. B. Sportstätten auf behördliche Anweisung vollständig geschlossen werden mussten. 

Die kurzfristige gesetzliche Regelung, die ab April 2020 eine Stundung von Mietzahlungen – auch in der Gewerbemiete! – erlaubte, linderte zwar bei Bedarf die größte finanzielle Not: Mieter und Pächter von Gastronomieflächen durften Mietzahlungen aussetzen oder reduzieren, ohne eine Kündigung des Mietvertrages zu riskieren. Da es sich bei dieser Regelung allerdings nur um eine Stundung handelt, müssen ausstehende Mietzahlungen grundsätzlich vollständig nachgezahlt werden. 

Unklar ist dabei bisher, ob in allen Fällen die gesamte Miete nachträglich bezahlt werden muss. Denkbar wäre durchaus, dass Mieter bzw. Pächter die Miete / Pacht nachträglich mindern könnten, wenn sie durch die Corona-Krise und damit einhergehende behördliche / gesetzliche oder rein tatsächliche Einschränkungen Umsatzeinbrüche erlitten haben, weil sie die Gewerbefläche nicht wie gewohnt nutzen konnten. 

Stellt sich die Frage: Dürfen Mieter / Pächter von Gewerbeflächen die Miete bzw. Pacht wegen der Auswirkungen von Corona einseitig mindern? 

Österreich: Situation gesetzlich geregelt 

Das Mietrecht in Österreich hat eine derartige Situation wie während der Phase des Lockdowns im Frühjahr 2020 ausdrücklich geregelt: § 1104 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) berechtigt Mieter, Mietzahlungen auszusetzen, falls gewerblich gemietete Flächen (Laden, Büro usw.) wegen „außerordentlicher Zufälle“ nicht genutzt werden können. Dabei umfasst die Regelung u. a. Feuer, Krieg oder Seuchen. Aber auch große Überschwemmungen, Wetterschläge oder der sog. „gänzliche Misswachs“ sind erfasst.

In Deutschland gibt es leider keine Regelung, die das in gleicher oder ähnlicher Form regelt. Es ist hier nur denkbar, eine Mietminderung von bis zu 100 % zu verlangen, weil die gemietete Gewerbefläche wegen der Corona-Einschränkungen mangelhaft ist (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB). Greift diese Vorschrift nicht, könnten Mieter wegen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) einen Anspruch auf Anpassung des Gewerbemietvertrages haben (dazu ein weiterer Rechtstipp hier im Profil!).

„Mangel“ nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB? 

Eine Mietminderung von bis zu 100 % gem. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ist nur möglich, wenn die gemietete Gewerbefläche wegen der Einschränkungen in der Corona-Krise mangelhaft war, also einen Mangel hatte. 

Ein Mietmangel ist auch im Gewerbemietrecht eine Abweichung des Ist- vom Soll-Zustand der Gewerbefläche. Außerdem muss die „Tauglichkeit“ der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder zumindest erheblich beschränkt sein. Wichtig dabei: Ein Mietmangel kann auf dem physischen Zustand der Gewerbefläche beruhen, aber auch aus rechtlichen Umständen resultieren. So kann eine Gewerbefläche, die physisch und technisch etc. einwandfrei ist, rechtlich und damit insgesamt mangelhaft sein. Das kann passieren, wenn rechtliche Maßnahmen (Gesetzesänderung, Behördenentscheidung etc.) die ursprünglich geplante und vereinbarte Nutzung erheblich erschweren oder unmöglich machen. Nicht zuletzt können sogar Einflüsse im Umfeld der Gewerbefläche, die sich negativ auf die Gewerbefläche und z. B. den mit ihr erzielten Umsatz auswirken, ein sog. Umfeldmangel sein. Denn der Vermieter muss nicht rechtlich / faktisch für die Mangelhaftigkeit der Gewerbefläche verantwortlich sein, damit der Mieter wegen eines Mangels eine Mietminderung geltend machen kann. 

Also ist es nicht abwegig, die Beeinträchtigung, die Mieter durch faktische und rechtliche Auswirkungen erleiden, als (rechtlichen) Mietmangel zu sehen. Damit wäre dann eine Minderung der Gewerbemiete bis zu 100 % gem. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB denkbar. 

Corona: Auswirkungen sind kein Mietmangel 

Ganz abwegig erscheint es nicht, dass Auswirkungen von Corona z. B. aufgrund behördlicher Entscheidungen einen Mietmangel darstellen, der zur Minderung auch bei der Gewerbemiete berechtigt. 

Allerdings ist der Bundesgerichtshof (BGH) ist neben all dem oben Gesagten der Auffassung, dass Gewerbemieter im Mietverhältnis grundsätzlich das Nutzungsrisiko tragen. Mieter tragen also nach Meinung der BGH-Richter das Risiko, dass sich die Anmietung von Gewerbeflächen wirtschaftlich rechnet. Das gilt auch, wenn es um Einschränkungen und deren Auswirkungen geht, die auf einem nach Mietvertragsschluss geänderten Gesetz oder einer neuen Behördenentscheidung beruhen. 

Auf diese Argumentation könnten sich Vermieter von Gewerbeflächen berufen und damit das wirtschaftliche Risiko von Pandemien wie der Corona-Pandemie 2020 auf den Mieter abwälzen. Denn es ist nicht vollkommen undenkbar, ein Minderungsrecht des Mieters im Falle der Corona-Pandemie wegen der Nutzungsrisiko-Rechtsprechung des BGH zu verneinen: Vermieter können, wollen und müssen nicht für jedes noch so wenig vorstellbare Risiko einer Gebrauchsbeeinträchtigung ihrer Gewerbefläche gegenüber dem Mieter einstehen. Ebenso wenig kann man nach dem Grundsatz von Treu und Glauben das wirtschaftliche Risiko in einem solchen Fall allein auf den Mieter abwälzen. 

Denn die Art und Weise der Beeinträchtigung von Gewerbeflächen ging im Fall der Corona-Pandemie weit über das hinaus, was für Mieter und Vermieter in Bezug auf behördliche Einschränkungen insgesamt vorstellbar war – damit auch deutlich über das „allgemeine Nutzungsrisiko“. Die Folgen der behördlichen Anordnungen im März, April und Mai 2020 waren schlichtweg noch nie in dieser Form vorgekommen und die Folgen unabsehbar – anders als jegliche Umfeldrisiken oder behördliche Beschränkungen. 

Insofern erscheint es nur folgerichtig, keiner der Mietparteien – auch im Gewerbemietrecht! – das Nutzungsrisiko alleine zuzuweisen. Da sich die Einzelfälle und der Umfang der (wirtschaftlichen) Auswirkungen von Fall zu Fall erheblich unterscheiden können, kann es über die Anwendung von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB nur zu uneinheitlichen und damit wenig gerechten Ergebnissen kommen. 

Auswirkungen der Einschätzung für die Praxis 

Da meines Erachtens §536 Abs. 1 S. 1 BGB (Mietminderung) im Zusammenhang mit negativen Auswirkungen auf die Nutzbarkeit von Gewerbeflächen nicht greift, sollten Mieter und Pächter von Gewerbeflächen aller Art von Mietminderungen „wegen Corona“ absehen. Wichtig ist das, da unberechtigt einbehaltene Mietzahlungen vor allem nach dem Ende der Stundungszeiträume wegen der Corona-Krise dann doch mietrechtliche Folgen haben können! Miet- und Pachtzahlungen sollten deshalb für alle Monate in vollem Umfang an den Vermieter bzw. Verpächter bezahlt werden. Denn aufgrund der Corona-Sonderregelungen gestundete Mieten / Pachtzahlungen müssen bis 30. Juni 2022 zu 100 % an den Vermieter bezahlt werden. 

Von dieser Regelung gibt es derzeit nur eine verlässliche Ausnahme: Sie haben sich mit dem Vermieter ausdrücklich und nachweisbar auf etwas anderes verständigt und z. B. eine ergänzende Vereinbarung zum Mietvertrag getroffen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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