Mindestvergütung für Architekten? Auswirkungen des EuGH-Urteils

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Vor rund einem Jahr herrschte große Unruhe in der Baubranche. Der Europäische Gerichtshof stellte mit Urteil vom 04. Juli 2019 fest, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Festlegung verbindlicher Honorare für Architekten und Ingenieure gegen die in der EU-Dienstleistungsrichtline konkretisierte Niederlassungsfreiheit verstößt (EuGH, Urt. v. 04.07.2019, Az, C‑377/17). Dieses geltende Preisrecht galt in Deutschland über 40 Jahre.

Was bedeutet das?

Die Auswirkungen dieses Urteils wurden im vergangenen Jahr durchaus unterschiedlich beurteilt. Zum einen wurde vertreten, dass der Mindest- und Höchstpreischarakter der HOAI (die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) von nun an unwirksam ist. Eine radikalere Auffassung war sogar der Ansicht, dass die gesamte HOAI für unwirksam erklärt wurde. Letztlich waren beide Auffassungen nicht korrekt. Der EuGH folgte im Urteil sogar der Argumentation der Bundesregierung, dass Mindestsätze grundsätzliche geeignet sind, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten. Die letztliche Ausgestaltung durch verbindliche Mindest- und Höchstsätze erfolgte aber bisher in inkohärenter und nicht systematischer Weise, da sämtliche Planungsleistungen auch von Berufsgruppen erbracht werden (können), die nicht notwendigerweise Architekten oder Ingenieure sind.

Was sind die Folgen des Urteils?

Verbindliche Mindest- und Höchstpreise sind, genauer gesagt, der verbindliche Preisrahmen in § 7 Abs. 1 HOAI ist seit dem Urteil unwirksam. Architekten und Ingenieure können daher kein höheres, als das vertraglich vereinbarte Honorar mit der Begründung verlangen, die Honorarvereinbarung sei wegen der Unterschreitung der Mindestsätze unwirksam. Das Urteil schließt daher sämtliche sog. „Aufstockungsklagen“ zu Honorarvereinbarungen aus, die seit Inkrafttreten der Dienstleistungsrichtline im Jahr 2006 geschlossen wurden.

Am 14. Juni 2020 äußerte sich der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19) erstmalig in einem Vorlagebeschluss an den EuGH mit konkreten Fragen. Aus der Art und Weise der Fragestellung des BGH wurde deutlich, dass der BGH derzeit dazu neigt, zumindest in laufenden Prozessen zwischen Privatpersonen die Mindestsatzfiktion noch weiter anzuwenden, da bei Privatpersonen nicht gegen die Niederlassungsfreiheit (selbstständige Erwerbstätigkeit in anderen EU-Staaten) verstoßen werden kann.

Vor Ende des Jahres 2021 wird nicht mit einer erneuten Klarstellung des EuGH gerechnet. Wir bleiben dran und werden Sie weiter auf dem Laufenden halten.

Rechtsanwalt Dennis Wiegard

Düsseldorf, den 10. Juni 2020



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