Mobbing am Arbeitsplatz - gehen oder bleiben?

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Wenn Arbeitnehmer am Arbeitsplatz gemobbt werden, bedarf es einer sorgfältigen Analyse der individuellen Situation. Die Analyse ermöglicht es Arbeitnehmern, zu entscheiden, ob es besser ist das Arbeitsverhältnis zu beenden oder es fortzuführen.

Diese beiden Alternativen müssen gegeneinander abgewogen werden, um hieraus die beste Entscheidung herzuleiten.

Wenn Arbeitnehmer sich dafür entscheiden, das Arbeitsverhältnis zu beenden, so sollte dies natürlich zu den bestmöglichen Bedingungen geschehen:

  • Der Arbeitnehmer sollte während der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt werden. 
  • Der Arbeitgeber sollte den Arbeitnehmern eine angemessene Abfindung zahlen. 
  • Der Arbeitnehmer sollte ein Arbeitszeugnis erhalten, welches dem beruflichen Fortkommen dient. 
  • Und schließlich sollte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses so gestaltet werden, dass die Agentur für Arbeit keine Sperrzeit verhängt, falls der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht sofort eine Anschlussbeschäftigung finden.

konfliktfreier Arbeitsplatz in der Zukunft?

Arbeitnehmer in einer Mobbing-Situation sollten sich die Frage stellen, ob zu erwarten ist, dass die Konfliktsituation an Ihrem Arbeitsplatz bereinigt werden kann und dass es möglich ist, Voraussetzungen zu schaffen, das Arbeitsverhältnis irgendwann unbelastet fortgesetzt werden kann.

Außerdem sollte der Arbeitnehmer ergründen, ob es irgendetwas gibt, was denjenigen oder diejenigen, die den Arbeitnehmer anfeinden und die sich ihnen gegenüber schikanös und diskriminierend verhalten, dazu veranlassen könnten, ihr Verhalten in Zukunft zu ändern.

Um diese Hoffnung zu rechtfertigen, bedarf es greifbarer Umstände.

Von Mobbing betroffene Arbeitnehmer sollten deshalb eingehend prüfen, ob die Erwartungen an das zukünftige Verhalten Ihrer Gegner realistisch sind oder ob es sich vielleicht nur um Wunschdenken handelt.

Vielen Arbeitnehmern mit Mobbing am Arbeitsplatz sind sich darüber im Klaren, dass der Mobber niemals freiwillig einlenken werden.

Mobbing-Opfer glauben oft, dass sie ihr Ziel erreichen können, wenn sie gegen den Widersacher rechtlich vorgehen, beispielsweise mit einer "Mobbingklage".

Aus der Erfahrung vieler Fälle heraus lässt sich sagen, dass Arbeitnehmer, wenn sie sich vom Rechtsanwalt beraten lassen, entweder schon alle Möglichkeiten einer Konfliktbereinigung ausgeschöpft habe oder der Versuch einer außergerichtlichen Bereinigung des Konflikts von vornherein für nicht Erfolg versprechend erscheint.

Die meisten Arbeitnehmer glauben nicht - oder nicht mehr - daran, dass sich im Guten noch etwas regeln lässt.

Stattdessen suchen gemobbte Arbeitnehmer oft die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber.

Betroffene Arbeitnehmer wollen ihre Rechte mit juristischen Mitteln durchsetzen und suchen dazu anwaltliche Unterstützung - um Gerechtigkeit zu erhalten.

Von Mobbing betroffenen Arbeitnehmern muss gesagt werden, dass mit einer "Mobbingklage", also einer auf Wiedergutmachung (Unterlassung, Schadensersatz etc.) sehr oft nichts erreicht werden kann.

Durch eine solche Mobbingklage wird sogar oft im Gegenteil die Stellung des betroffenen Arbeitnehmers beim Arbeitgeber erst unbeliebt.

Wenn Arbeitnehmer unter Einschaltung eines Rechtsanwalts gegen den Arbeitgeber vorgegangen sind und diesen gar verklagt haben, werden Arbeitnehmer schnell feststellen müssen, dass sie beim Arbeitgeber verbrannt sind.

Arbeitnehmer müssen jetzt noch viel mehr damit rechnen, dass ihnen das (Arbeits-)Leben schwer gemacht wird.

Es gibt nicht selten Arbeitnehmer, die sich für stark halten und meinen die Situation aushalten zu können.

Solche Arbeitnehmer gehen davon aus, dass wenn sie nur lang genug aushalten, der Widersacher am Ende aufgeben oder nachgeben wird.

Tatsächlich ist solch ein Optimismus mit Zweifeln zu begegnen, denn gerade durch Mobbing ist es oft festzustellen, dass auch vermeintlich starke Männer plötzlich am Boden zerstört sind und nur noch weinen.

Bei Mobbing lässt sich schnell auch vom Rechtsanwalt feststellen, dass sich schon erste Symptome einer psychischen Krise zeigen, die durch unruhigen Schlaf bis hin zur Schlaflosigkeit, nächtliche Schweißausbrüche, Angst vor dem nächsten Tag und Widerwillen, überhaupt zur Arbeit zu gehen geprägt sind.

Wer unter solchen Symptomen schon leidet, sollte sich von dem Optimismus, dass sich am gegenwärtigen Zustand etwas ändert, verabschieden.

Von Mobbing betroffene Arbeitnehmer sollten sich vielmehr bewusst machen, dass sich an der Situation am Arbeitsplatz in absehbarer Zeit und vermutlich auch darüber hinaus nichts verändern wird.

Betroffene Arbeitnehmer sollten sich die Frage stellen, ob sie ernsthaft davon ausgehen, dass sie in einem halben Jahr oder Jahr nicht gesund sind.

Mobbing-Opfer müssen sich zwingend eingestehen, dass die Aussicht, bei unverändertem Fortbestehen der Situation am Arbeitsplatz auf Dauer keine Chance lässt, gesund zu bleiben.

Arbeitnehmer wenden regelmäßig ein, dass der Arbeitsplatz von existenzieller Bedeutung ist. 

Diese Erkenntnis trifft zwar zu, das nützt aber nichts, wenn die Gesundheit des Arbeitnehmers auf der Strecke bleibt und der Arbeitnehmer körperlich und seelisch erkrankt.

Arbeitnehmer machen sich in der konkreten Situation nicht bewusst, dass wenn sie einmal seelisch schwer erkrankt sind, ob auf ganz lange Zeit nicht mehr arbeiten können und teilweise überhaupt nicht mehr arbeiten können – und zwar weder beim derzeitigen Arbeitgeber noch bei einem potentiellen neuen Arbeitgeber. 

Arbeitnehmer, die entscheiden, ob sie das Arbeitsverhältnis ungeachtet der Mobbingsituation, der sie am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, fortsetzen wollen, sollten auf auf jeden Fall die vorstehenden Hinweise mit einbeziehen.

In den allermeisten Fällen, in denen eine Entspannung der Konfliktlage am Arbeitsplatz nicht zu erwarten ist, ist dem Arbeitnehmer eine Strategie zu empfehlen, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielt.

Erst recht gilt dies dann, wenn die Gesundheit des Arbeitnehmers entweder bereits angegriffen oder zumindest bedroht ist.

 In diesen Fällen sollte nach dem Grundsatz gehandelt werden: "Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende!"

Bei objektiver Betrachtung verliert die gewollte Herbeiführung des Endes des Arbeitsverhältnisses seinen Schrecken, wenn man sich die Alternativen klarmacht: Weiterbestehen der Konfliktlage am Arbeitsplatz bis hin zum Verlust der Gesundheit.

Dies sollten sich Arbeitnehmer in Mobbing-Situationen bewusst machen.

Nur dann kann sich ein betreffender Arbeitnehmer vielleicht vorstellen, dass die Furcht vor den Konsequenzen, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sich bringt, seinen Schrecken verliert, bei dem Gedanken an die Zukunft, die dann vor ihnen liegt, wenn es gelingt, das Arbeitsverhältnis und alles damit verbundene Negative hinter sich zu lassen.

Arbeitnehmer sollten den Mut haben zu erkennen, dass erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses alles besser werden kann!

Arbeitnehmer, die von Mobbing betroffen sind, sollten in jedem Fall zu einer Zeit reagieren, zu der sie noch gesund sind.

Wenn sich Arbeitnehmer sich entschließen, das Arbeitsverhältnis zu beenden und eine Strategie zu verfolgen, mit der der Arbeitgeber veranlasst wird, ihnen eine Abfindung zu zahlen, so ist es ein unschätzbarer Vorteil, zu einem Zeitpunkt aktiv zu werden, zu dem der Arbeitnehmer noch nicht auf Dauer arbeitsunfähig erkrankt ist.

Wenn Arbeitnehmer so agieren wollen, dass der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am Ende eine Abfindung zahlt, ist es praktisch unabdingbar, noch über die Kraft und Energie zu verfügen, um sich auf eine Auseinandersetzung und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber einlassen zu können.

Hierzu ist eine gewisse Robustheit vonnöten und es wäre von Vorteil, wenn beim Arbeitnehmer dazu noch über gesundheitliche Reserven vorhanden ist.

Es besteht zwar auch dann eine Chance, eine Abfindung zu erstreiten, wenn sich der Arbeitnehmer psychisch nicht mehr in der Lage sind, sich einer Konfrontation mit dem Arbeitgeber zu stellen.

In diesem Fall ist es aber sehr viel schwerer, eine Strategie zu entwickeln, die den Arbeitgeber bewegen kann, dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu zahlen.

Wenn der Arbeitgeber weiß, wie es um die Gesundheit des Arbeitnehmers bestellt ist, könnte er vielleicht darauf spekulieren, dass der Arbeitnehmer gar nicht (mehr) in der Lage ist, jemals wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren - er müsste dann nur abwarten.

Wenn die 6-wöchige Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber abgelaufen ist, kann er sich das auch leisten, denn kranke Arbeitnehmer kosten den Arbeitgeber nämlich kein Geld mehr.

Ein versierter und spezialisierter Rechtsanwalt wird verschiedensten Strategien parat haben, die den Arbeitgeber am Ende in eine Position bringen, in der er sich von dem Arbeitnehmer trennen will und, um dieses Ziel zu erreichen, sogar zur Zahlung einer Abfindung bereit ist.

Die meisten dieser Strategien setzen ein aktives Mitwirken des Arbeitnehmers voraus.

Nur eine Eigenkündigung sollte der Arbeitnehmer nicht erwägen!

Foto(s): Adobe Stock

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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