Neue Chancen für Frauen bei Entgeltbenachteiligung gegenüber Männern

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Bundesarbeitsgericht: Unterschreitung des Vergleichsentgelts kann Indiz für Geschlechterbenachteiligung sein

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.01.2021 - gerichtliches Aktenzeichen: 8 AZR 488/19 entschieden, dass der Umstand, dass ein Arbeitgeber im Rahmen eines Auskunftsanspruchs nach dem sog. Entgelttransparenzgesetz ein Vergleichsentgelt mitteilt, welches oberhalb der von der Beschäftigten gezahlten Vergütung liegt, ein Indiz für eine Geschlechterbenachteiligung i.S.v. § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist. Nach § 22 AGG obliegt es dann dem Arbeitgeber, diese Vermutung eines benachteiligenden Verhaltens zu entkräften.

Was war Gegenstand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts?

Das Bundesarbeitsgericht, so berichtet Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald von der Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB in Stuttgart, hatte über einen Fall aus Niedersachsen zu entscheiden. Geklagt hatte die Abteilungsleiterin eines Unternehmens, welches im Jahr 2018 auf ihre Anforderung das sog. Vergleichsentgelt vergleichbarer Kolleginnen im Unternehmen mitteilte. Dieses Vergleichsentgelt war höher als das Entgelt, das die Klägerin verdiente.

Die Abteilungsleiterin klagte sodann die Entgeltdifferenz für die Monate August 2018 bis Januar 2019 ein, diesen Prozess gewann sie vor dem Arbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hob dieses Urteil dann auf die Berufung des Arbeitgebers hin auf.

             Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 01.08.2019 - 5 Sa 196/19

Das Landesarbeitsgericht war zu dem Ergebnis gekommen, es lägen schon keine ausreichenden Indizien i.S.v. § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor. Hiergegen legte die Mitarbeiterin Revision zum Bundesarbeitsgericht ein.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Hierzu liegt bislang nur die Pressemitteilung PM Nr. 1/21 des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2021 vor, berichtet Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald. Sein Hinweis weiter: Der Pressemitteilung kann man entnehmen, dass die Klägerin mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg hatte. Das Bundesarbeitsgericht stützt dies darauf, dass der Umstand, dass das Entgelt geringer war als das der Vergleichspersonen gezahlte Entgelt, eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 des Entgelttransparenzgesetzes darstelle. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sei dies zugleich eine tragfähige Grundlage für die Vermutung, dass die Klägerin wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Das Landesarbeitsgericht habe deshalb aufzuklären, ob die Vermutung durch den Arbeitgeber widerlegt werden könne. Hierzu müsse den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen gegeben werden. Deshalb sei die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

            Bundesarbeitsgericht vom 21.01.2021 - 8 AZR 488/19

 Welche Auswirkungen wird dies auf die Praxis haben?

Dazu Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald: Die Frage, die das Bundesarbeitsgericht hier beantwortet hat, war bislang nicht eindeutig geklärt. Damit war bisher unklar, ob die Auskunft, die Beschäftigte des vermeintlich benachteiligten Geschlechts aufgrund des Entgelttransparenzgesetzes vom Arbeitgeber verlangen können, dazu taugt, weitere Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf eine höhere Vergütung geltend machen zu können. Rechtswissenschaftler haben dies als entscheidenden Nachteil bei der Konstruktion des Entgelttransparenzgesetzes erkannt, da dieses Gesetz selbst nämlich gar keine Ansprüche von vermeintlich benachteiligten Beschäftigten auf höhere Vergütung regelt, auch wenn es möglicherweise mehr "Transparenz" über die Gehaltsstrukturen schafft.

Anzumerken ist dazu aber, so Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald, dass ein Auskunftsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht in allen Betrieben gegeben ist. Eine nähere Betrachtung des Entgelttransparenzgesetzes kann insoweit zur Ernüchterung führen: Der Auskunftsanspruch besteht für Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber, § 12 Abs. 1 Entgelttransparenzgesetz. Außerdem ist in manchen Betrieben das Entgelt aus völlig unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt. Daher vermuten Experten, dass auch oft Streit über die vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Angaben entstehen könnte. Das EntgTranspG ist deshalb weit davon entfernt, perfekt zu sein. Wie man sieht, ist es aber kein vollkommen zahnloser Tiger, und für Unternehmen bedeutet dies, dass sie erklären müssen, weshalb sie Beschäftigten eines bestimmten Geschlechts weniger Vergütung zahlen als vergleichbaren Beschäftigten des anderen Geschlechts. Hierfür mag es durchaus Gründe geben, die der Arbeitgeber dann erklären muss.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart

 


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