OLG Frankfurt vom 11. November 2020 zum Az. 3 UF 156 / 20

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Eine sehr bemerkenswerte Entscheidung des OLG Frankfurt, 3. Senat für Familiensachen, hinsichtlich Umgangsrechte. Die Entscheidung erschüttert, weil man daraus lesen kann, wie sehr die Kinder Umgang mit dem Kindesvater wünschen. Der Kindesvater verweigert Umgangsrechte.

Das OLG Frankfurt hat entschieden, er müsse Umgang wahrnehmen.

Es stellt sich die Frage, wie man das praktisch in die Tat umsetzen will, durch Einleitung von Ordnungsmitteln etc. Traurig für die Kinder! 

Das OLG Frankfurt:

Ein getrennt lebender Kindesvater ist auch gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen zum Umgang mit den Kindern verpflichtet, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient.

Aus der Ehe der Kindes Eltern sind 3 Söhne hervorgegangen. Beiden Kindeseltern steht das gemeinsame Sorgerecht zu. Anfang 2017 zog der Kindesvater aus der gemeinsamen Wohnung aus, seitdem fanden nur noch seltene und unregelmäßige Umgangskontakte statt.

Die Kindesmutter hat das gerichtliche Verfahren im September 2019 eingeleitet: Die Kinder vermissen den Vater und wünschen sich einen regelmäßigen Umgang.

Es wurde ein Verfahrensbeistand bestellt und die Kinder wurden vom Amtsgericht angehört: In der Anhörung vom 17.01.20 erklärten Sie, obwohl Sie wussten, dass der Kindesvater die Kinder derzeit nicht sehen wollte, dass sie sich einen Umgang mit dem Kindesvater wünschen und Ihnen der Kontakt zum Kindesvater fehlt. 

In der amtsgerichtlichen persönlichen Anhörung am 06.11.19 erklärte der Kindesvater dem Gericht gegenüber, das er absolut kein Interesse daran habe, dass es den Kindern schlecht ergehe. Er sei in großer Sorge um die Kinder. Dennoch sei es ihm schlicht und ergreifend nicht möglich, derzeit einen Umgang wahrzunehmen er sei nun mal erneut Vater geworden, er stünde unter starken beruflichen Druck, schlafe lediglich 3-4 Stunden in der Nacht und sei auch schon in Therapie.

Nach der Kindesanhörung wurde der Kindesvater erneut am 29.01.20 angehört, und ihm wurde erklärt, dass die Kinder sich sehnlichst Umgang mit ihm wünschten. Er erklärte daraufhin erneut, dass er beruflich, wie privat, enorm unter Druck stehe, dass er ein neugeborenes Kind habe. Er habe in seiner aktuellen Position ein enormes Arbeitspension. Teilweise arbeite er sogar bis zu 120 Stunden die Woche. Er habe sich vor dem Hintergrund nicht in der Lage gesehen, einen Umgangskontakt mit seinen 3 Kindern wahrzunehmen. Er wolle die Kinder kontaktieren und mit Ihnen sprechen und versuchen, ein Konzept zu erarbeiten, nachdem der Kontakt wieder intensiviert werden könne.

Das Gericht regelte mit Beschluss vom 29.06.2020 das Umgangsrecht des Kindesvater mit den 3 Söhnen, nämlich dass er die Pflicht habe, an jedem 1. Sonntag im Monat von 9:00 Uhr bis 19:00 Uhr (sowie eine Ferienregelung) die Kinder zu sich zu nehmen.

Das Gericht wies ferner auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die vorliegende Entscheidung hin.

Das Gericht führte aus, dass der Kindesvater das Recht und insbesondere auch die Pflicht habe, mit den gemeinsamen Söhnen Umgang zu haben. Der Umfang der Umgangskontakte entspreche dem Kindeswohl am besten. Dabei sei einerseits zu berücksichtigen, dass der Kindesvater sich im Hinblick auf seine berufliche und private Situation nicht in der Lage sehe, überhaupt Umgänge wahrzunehmen.

Andererseits wünschen sich die 3 Söhne einen Umgang sehnlichst, teilweise dreimal wöchentlich. Das Gericht war daher gehalten, den Wunsch der Kind nachzugehen und den Umgang mit dem Kindesvater mit seinen geringen zeitlichen Ressourcen für die Kinder in Einklang zu bringen. Es galt, eine Überforderung des Kindesvaters und damit eine einhergehende Enttäuschung der Kinder zu vermeiden, aber auch andererseits dem Wunsch der Kinder nach einem Umgang mit dem Vater Rechnung zu tragen.

Der Kindesvater legte gegen diesen Beschluss nicht unerwartet Beschwerde ein am 06.08.20. Seine Argumentation war folgende: Das Amtsgericht habe verkannt, dass es ihm schlicht und ergreifend nicht möglich sei, Umgang mit seinen Söhnen auszuüben. Einerseits stehe er beruflich enorm unter Druck, da er maßgeblich an der Neuausrichtung und Umstrukturierung des Privatkundengeschäftes der Bank, bei der er arbeitet, beteiligt sei, aber andererseits auch sehr unter den gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung seiner Ehe leide. Hinzu komme, dass er nachts nur 3-4 Stunden schlafe, da er in seiner neuen Beziehung wiederum Vater geworden sei und der Säugling naturgemäß nachts Aufmerksamkeit verlange. Sein Therapeut habe ihn gewarnt, dass er unter dem enormen Druck zusammenbrechen könne, wenn er seine psychischen und psychischen Belastungen nicht minimieren würde. Das Amtsgericht habe übersehen, dass der Wunsch des Kindesvaters, keinen Umgang zu haben, nicht nur zeitlich motiviert sei, sondern vielmehr auch gesundheitliche Überlegungen zugrunde liegen würden. 

Das Beschwerdegericht hat darauf hingewiesen, dass es der Beschwerde keinen Erfolg beimesse.

In § 1684 Abs. 1 BGB ist gesetzlich statuiert eine Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind.

Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG macht den Eltern die Aufgabe der Pflege und Erziehung ihrer Kinder zu einer ihnen obliegenden Pflicht. Dabei können die Eltern grundsätzlich frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. Maßgebliche Richtspur ist aber immer das Wohl des Kindes!

Das Kind hat eine eigene Würde und eigene Rechte. Es hat Anspruch darauf, dass der Staat das Kind schützt und grundrechtlich verbürgerte Rechte gewährleistet.

Mit dieser durch das Grundgesetz den Eltern auferlegten Pflicht gegenüber dem Kind, es zu pflegen und zu erziehen, geht einher das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch die Eltern. Wird jemanden eine Pflicht auferlegt, die sich auf eine andere Person bezieht und die zugleich mit dem Recht verbunden ist, auf diese Person einzuwirken, für sie Entscheidung zu treffen, ihre Interessen zu vertreten und ihre Persönlichkeitsentfaltung maßgeblich zu fördern und auch darauf Einfluss zu nehmen, so berührt dies den Kern höchstpersönlicher Lebensentfaltung des anderen und schränkt dessen freie Willensentscheidung ein.

Den Eltern ist eine solch tiefgreifende Einflussnahme auf das Leben der Kinder eingeräumt worden. Und das rechtfertigt sich alleine aus dem Umstand, dass Kinder noch nicht selbst für sich Verantwortung tragen können und zu Schäden kommen würden, wenn sie von außen keine Hilfe erfahren. Bedarf das Kind Unterstützung durch die Eltern und ist deshalb die Elternverantwortung allein dem Wohle des Kindes verpflichtet und auch geschuldet, dann hat das Kind einen Anspruch darauf, dass die Eltern dafür Sorge tragen, dass sie auch dieser Pflicht nachkommen.

Dem Wohl des Kindes kommt es aber grundsätzlich nur dann zugute, wenn es auch Umgang mit seinen Eltern hat und die Möglichkeit erhält, seinen Vater und seine Mutter kennen zu lernen, mit ihnen vertraut zu werden oder eine persönliche Beziehung zu ihnen mithilfe des Umgangs fortsetzen zu können. In der Kommunikation mit den Eltern kann das Kind nämlich Zuneigung erfahren, von den Eltern lernen und Impulse wie Ratschläge erhalten, was dem Kind Orientierung gibt, zu der Meinungsbildung beiträgt und dem Kind dazu verhilft, sich zu einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln.

Die Verweigerung von Eltern, jeglichen Umgang mit dem Kind, und damit die Loslösung von einer persönlichen Bindung zu diesem zu manifestieren, ist eine Vernachlässigung der wesentlichen Teile der den Eltern auferlegten Erziehungspflicht.

Diese Pflicht zum Umgang mit dem Kind greift zwar in das Grundrecht des Elternteils ein, der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, wegen der garantierten Verantwortung für das Kind und wegen des Rechtes des Kindes auf Pflege und Erziehung durch die Eltern die elterliche Umgangspflicht dient dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, dem gesetzlich zuerkannten Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern durch eine entsprechende Verpflichtung der Eltern dazu Nachdruck zu verleihen und so dem Kind zu ermöglichen, mit seinen Eltern zusammenzutreffen. Ein solcher Umgang ist für die kindliche Entwicklung von herausragender Bedeutung. Die Umgangspflicht ist auch geeignet, die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern zu fördern. Deshalb ist es dem Elternteil zumutbar, angehalten zu werden, mit seinem Kind Umgang zu pflegen. Einem Elternteil wird in aller Regel nicht nur abverlangt, eine Begegnung mit seinem Kind zu erdulden. Vielmehr wird von ihm erwartet, dass er sich dem Kind zuwendet, mit ihm kommuniziert und eine persönliche Beziehung zum Kind herstellt oder fortsetzt. Ein dazu nichtbereiter Elternteil kann hierdurch unter nicht unerheblichen psychischen Druck geraten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Eltern nicht allein das Recht, sondern auch die Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder haben. Deshalb ist dem Elternteil auch zumutbar, unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit dem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.

Im vorliegenden Fall war dem Vermerk der erstinstanzlichen persönlichen Anhörung der 3 Kinder vom 17.01.20 zu entnehmen, dass sich alle 3 Kinder, in Kenntnis des Umstandes, dass der Kindesvater die Kinder derzeit nicht sehen wolle, einen Umgang mit dem Kindesvater wünschen und ihn der Kontakt Kindesvater fehlt. So erklärte der Sohn A, dass er den Papa dreimal die Woche sehen wolle und auch in den Urlaub mit ihm wolle. Er wolle wissen, wie sein Halbbruder heiße und ihn gerne mal kennenlernen. Der Sohn C hat berichtet, dass er den Papa treffen wolle, mal wieder ein Wochenende mit ihm verbringen wolle und auch mit ihm verreisen wolle. Er sei sehr traurig darüber, dass er keinen Kontakt mit dem Vater habe. Auch der Sohn B hat erklärt, dass er den Papa bald wieder sehen möchte. Möglichst jeden Mittwoch und am Wochenende, wobei ihm die Wochenenden wesentlich wichtiger sein. 

In dem Bericht des Verfahrensbeistandes und auch in der mündlichen Verhandlung wies der Verfahrensbeistand darauf hin, dass tatsächlich eine ausgesprochen bemerkenswerte Sehnsucht nach dem Papa feststellbar sei. Die Kinder dürsteten förmlich nach einem Kontakt zum Papa, man müsse ihnen unbedingt eine Aussicht bzw. einer Hoffnung gegeben. Es sei bemerkenswert, dass entgegen dem, was sich aus sonstigen Kindschaftsverfahren im Rahmen von Trennungskonflikten ableiten lasse, die Kinder keinerlei Wut oder Verärgerung gegenüber dem Papa zum Ausdruck gebracht hätten. Allein im Vordergrund habe das Bedürfnis gestanden, den Papa gerne wieder zu sehen und ihn als Teil ihres Lebens zurück zu gewinnen. Der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes hatten die Kinder berichtet, dass der Kindesvater ihnen erklärt hätte, dass er sie eine Zeit lang nicht mehr sehen könne, da er beruflich und privat sehr eingespannt sei. Trotz der Ablehnung des Kindesvaters würden die Kinder sich sehnlich einen wie auch immer gearteten Umgangskontakt mit dem Kindesvater wünschen. Sie hätten der Mitarbeiterin des Jugendamtes mitgeteilt, dass sie den Wunsch hätten, richterlich angehört zu werden, da sie die Hoffnung hätten, dem Richter Tipps dafür geben zu können, wie dieser den Papa davon überzeugen könne, Umgang mit ihnen zu haben!

Eine sehr bedauerliche Geschichte, die sehr ans Herz geht.

Deshalb sollte sich bei Einleitung allen gerichtlichen Verfahren überlegt werden, was die Eltern ihren Kindern zumuten!

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