OLG Stuttgart: Kein Auskunftsanspruch wegen beleidigender Kommentare auf Facebook

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Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in zwei Verfahren wegen beleidigender Kommentare gegen die baden-württembergische Landtagspräsidentin auf Facebook einen Anspruch auf Auskunft über die Nutzerdaten der Verfasser dieser Kommentare abgelehnt.

In einem dritten Verfahren gegen Google bejahte das OLG Stuttgart hingegen einen entsprechenden Anspruch, da hier nach Ansicht des Gerichts die Grenzen der Schmähkritik und Formalbeleidigung überschritten worden seien.

Die baden-württembergische Landtagspräsidentin war nach dem Sitzungsausschluss eines Abgeordneten ins Visier ihrer Kritiker geraten und auf Facebook unter anderem als „islamische Sprechpuppe“ bezeichnet worden. Auf YouTube wurde die Landtagspräsidentin in der Kommentarspalte eines von der Sitzung hochgeladenen Videos sogar als „Gestapo-Chefin“, „Nazi“ und „Faschistin“ beschimpft.

Die Antragstellerin begehrte daraufhin von Facebook und Google die Erlaubnis für eine Auskunft über die Bestands- und Nutzerdaten der betreffenden Facebook- bzw. YouTube-Nutzer.

In den beiden Verfahren gegen Facebook hat das OLG Stuttgart die Entscheidungen der Vorinstanz bestätigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aussagen zwar die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin verletzten, die Grenzen der Schmähkritik und Formalbeleidigung jedoch noch nicht erreicht seien. Insoweit verwies das OLG Stuttgart auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der in Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen vorliegend noch von einer zulässigen Meinungsäußerung auszugehen sei.

Anders beurteilte das OLG Stuttgart jedoch die Äußerungen auf YouTube. Diese seien so grob ehrverletzend, dass bei einer Abwägung die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Recht auf Meinungsfreiheit überwiege. Google ist somit verpflichtet gem. § 14 Abs. 3 TMG Auskunft bezüglich der Bestandsdaten der jeweiligen Kommentatoren zu erteilen. 

Die Beschlüsse des OLG Stuttgart zeigen, dass trotz der Verrohung der Sprache in den sozialen Medien, die auch vom Gericht deutlich kritisiert wurde, das Vorliegen von Schmähkritik und Formalbeleidigung nur unter engen Voraussetzungen im Einzelfall bejaht werden kann. Die daran zu setzenden Maßstäbe hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. Mai 2020, Az. 1 BvR 2397/19, klarstellend zusammengefasst.

Danach kann von Schmähkritik nur ausgegangen werden, wenn die bloße, grundlose Verächtlichmachung der betroffenen Person ohne einen wie auch immer gearteten nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung gewollt ist.

Von einer Formalbeleidigung ist nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgericht auszugehen, wenn es sich um eine mit Vorbedacht vorgenommene besonders krasse, aus sich heraus herabwürdigende Äußerung bzw. Bezeichnung der betreffenden Person handelt. Maßgebliches Kriterium ist dabei die gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit, die den Betroffenen insgesamt verächtlich macht.


zur PM:
https://oberlandesgericht-stuttgart.justiz-bw.de/pb/,Lde/7324753/?LISTPAGE=1178276


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