Pferde darf man überall im Außenbereich halten? Mitnichten!

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Was ist passiert?

Die streitenden Parteien sind Nachbarin im Außenbereich. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin eines Pferdehofs. Sie errichtete ohne Baugenehmigung auf ihrem Grundstück in einer Entfernung von ca.12 m zum Einfamilienhaus der Klägerin einen Offenstall für Pferde und stellte darin Pferde ein. Die Beklagte zu 2, deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 1 ist, betreibt auf dem Grundstück eine Reitschule, für welche sie sowohl eigene Pferde der Reitschule nutzt also auch die Pferde der Beklagten zu 1. Die nachträglich beantragte Baugenehmigung wurde abgelehnt. Auch die von der Beklagten zu 1. erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit der Begründung ab, der Offenstall lasse die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der – dort beigeladenen – hiesigen Klägerin vermissen. Hierbei falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Stall unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der hiesigen Klägerin in einer Entfernung von etwa 12,5 m zu deren Ruheräumen befinde und die Boxen mit dem Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet seien. Das Urteil ist rechtskräftig. 

Die Klägerin, also die pferdelosen Nachbarn, klagte sodann gegen die beiden Beklagten vor dem Zivilgericht auf Unterlassung der Pferdehaltung in dem Offenstall und obsiegte zunächst. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richtet. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 hat es die Verurteilung darauf beschränkt, dass bei der Haltung von Pferden in dem Offenstall die Immissionsrichtwerte nach der jeweils geltenden TA Lärm nicht überschritten werden dürften. 

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des Landgerichts im Verhältnis zur Beklagten zu 1 in der Sache wiederhergestellt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat er die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 

Begründung:

Die Klägerin hat aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme einen Anspruch darauf, dass die Beklagte zu 1 die Haltung von Pferden in dem Offenstall auf ihrem Grundstück unterlässt.  Doch wie kommt es zu einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch wenn wir doch nur keine Baugenehmigung haben? Dass die Errichtung und die zweckgemäße Nutzung des Offenstalls im Verhältnis zu der Klägerin gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts fest. Und genau dieses Urteil hat Bindungswirkung für das Zivilgericht. Damit stellt die Pferdehaltung in dem Stall zivilrechtlich im Verhältnis zur Klägerin einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar, sodass diese einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf Unterlassung dieser Nutzung des Stalls hat. Da war es auch irrelevant, dass die Beklagte zu 1 (Inhaberin des Pferdehofs, nicht die Reitschule selbst) vortrug sie selbst habe keine Pferde mehr in diesem Offenstall untergebracht, es seien lediglich Pferde der Beklagten zu 2. (Reitschule) untergebracht, denn "die Klägerin könne weder anhand des Aussehens der Pferde noch – aufgrund der Personenidentität auf Beklagtenseite – anhand der äußeren Abläufe beurteilen und darlegen oder gar beweisen kann, welche Pferde jeweils im Eigentum der Beklagten zu 1 oder der Beklagten zu 2 stehen bzw. standen".


Es bleibt abzuwarten, was das erneute Verfahren vor dem Berufungsgericht mit sich bringt.


Eine recht interessante Entscheidung, die inhaltlich von jedem pferdebegeisterten Menschen nicht verstanden wird - morgens aufwachen und die Hottehühs grüßen zum Schlafzimmerfenster. Dennoch muss man zugestehen, dass 12 m, also eine zu groß geraten Volte, für nichtpferdebegeisterte Menschen schon sehr nah sein kann - vor allem wenn man Angst vor Pferden hat (und eine empfindliche Nase). Insofern ist zu raten, mehr Abstand zu halten und sich vorher (!) um eine Baugenehmigung zu kümmern.


Entscheidung BGH vom 27.11.2020 - V ZR 121/19 - 


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