Pflichtteilsrecht

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Sie haben grundsätzlich jede Freiheit, testamentarisch die Person bzw. die Personen zu Ihrem Erben bzw. Ihren Erben einzusetzen, die Sie sich wünschen. Dennoch sollten Sie sich bei der Gestaltung eines Testaments beraten lassen. Wenn Sie nämlich eine Erbeinsetzung abweichend von der gesetzlich vorgesehenen Erbfolge regeln (die gesetzliche Erbfolge greift dann, wenn Sie kein wirksames Testament errichtet haben) und damit bestimmte nahe Angehörige als Erben ausschließen, können die „enterbten“ Personen möglicherweise einen sog. Pflichtteil geltend machen. Der Pflichtteil ist in Deutschland ein verfassungsmäßig geschütztes Recht und sichert den nächsten Angehörigen, insbesondere den Kindern und dem Ehegatten, eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu.


 Wer ist pflichtteilsberechtigt?

 Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten ist gesetzlich genau festgelegt. Zu den pflichtteilsberechtigten Personen zählen nur die nächsten Familienangehörigen, nämlich Ihre Abkömmlinge (Kinder und Enkel), Ihre Eltern und Ihr Ehegatte. Sofern Kinder vorhanden sind, schließen diese, genau wie bei der gesetzlichen Erbfolge, Ihre Eltern und Ihre Enkel vom Pflichtteilsrecht aus. Der Ehegatte hat stets auch das Recht auf einen Pflichtteil. Nicht pflichtteilsberechtigt sind Ihre entfernteren Verwandten wie Geschwister, Tanten, Onkel, Neffen und Nichten.


Was ist ein Pflichtteil?

 Der Pflichtteilsanspruch ist stets ein reiner Geldanspruch gegen den oder die Erben. Der Anspruch auf einen Pflichtteil begründet ansonsten keine Teilhabe am Nachlass. Deshalb muss der Erbe, sofern ein Pflichtteil geltend gemacht wird, ein Nachlassverzeichnis erstellen mit entsprechenden Wertangaben, damit der Pflichtteilsberechtigte daraus seinen Zahlungsanspruch errechnen kann.


Wie hoch ist der Pflichtteil?

 Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des Wertes, welchen der Erbe nach der gesetzlichen Erbfolge bekommen würde. Daher sollten Sie sich schon bei der Gestaltung eines Testaments mit der gesetzlichen Erbfolge auseinandersetzen.

 Wenn Sie beispielsweise mit Ihrem Ehepartner (mit dem Sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben) zwei Kinder haben und kein Testament errichtet haben, würde Ihr Ehepartner von Gesetzes wegen Erbe zu ½ und Ihre beiden Kinder Erben zu jeweils ¼. Wenn Sie nun ein Testament errichtet haben, in dem Sie Ihren Ehegatten zu Ihrem Alleinerben eingesetzt haben (Ihre Kinder wären damit enterbt), dann hätten Ihre Kinder gegen Ihren Ehegatten (als Alleinerben) einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von jeweils 1/8 vom gesamten Nettonachlassvermögen. Das Nettonachlassvermögen wird errechnet, in dem man vom vorhandenen Vermögen des Erblassers (Aktiva) die Nachlassverbindlichkeiten (Passiva) abzieht. Da der Pflichtteilsanspruch ein Geldanspruch ist, muss Ihr Ehegatte ggf. erst einmal Nachlassgegenstände, wie beispielsweise Immobilien, veräußern, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Anderweitige Vereinbarungen zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigtem sind möglich, der Pflichtteilsberechtigte muss sich darauf aber nicht einlassen.

Aus diesem Grund ist z.B. Vorsicht geboten, wenn Sie mit Ihrem Ehegatten folgendes klassische Berliner Testament errichtet haben:

 „Wir, die Eheleute X/Y, setzen und gegenseitig zu Erben ein. Schlusserben nach dem Letztversterbenden sollen unsere gemeinsamen Kinder A und B sein.“

 Sofern Sie nichts weiter geregelt haben, wären Ihre Kinder in dem Fall nach dem Erstversterbenden „enterbt“, denn die Kinder werden erst Erben nach dem zuletzt versterbenden Ehegatten. Die Kinder könnten also nach dem erstversterbenden Elternteil ihren Pflichtteil gegen den überlebenden Elternteil geltend machen und würden dennoch dessen Erben. Das war im Zweifel so nicht gewollt.


Welche Gestaltungsmöglichkeiten haben Sie?

Da der Pflichtteil in Deutschland verfassungsmäßig geschützt ist, kann er ohne Mitwirkung des Pflichtteilsberechtigten nicht ausgeschlossen werden.

 Der sicherste Weg ist, gemeinsam mit Ihren Pflichtteilsberechtigten einen sog. Pflichtteilsverzichtsvertrag zu schließen. Das ist nur notariell und nur zu Ihren Lebzeiten möglich. Bei größeren Vermögen ist das üblich und zwingend anzuraten, insbesondere in Zusammenhang mit Schenkungen bereits zu Lebzeiten.

 So können Sie beispielsweise eine Immobilie oder Unternehmensbeteiligungen bereits zu Lebzeiten auf Ihr Kind übertragen. Im „Gegenzug“ verzichtet Ihr Kind in einem Pflichtteilsverzichtsvertrag auf seinen Pflichtteil bei Ihrem Tod. Auf diese Weise haben Sie in Bezug auf Ihr übriges Vermögen absolute Planungssicherheit.

 Eine andere (unverzichtbare) Variante sind Sicherungsmechanismen in Ihrem Testament. Um beim Beispiel des Berliner Testaments zu bleiben: Hier besteht die Möglichkeit, sog. „Pflichtteilsstrafklauseln“ einzubauen. Sie würden dann Ihr mit Ihrem Ehegatten gemeinsam errichtetes Testament z.B. mit der Regelung versehen, dass das Kind, das einen Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil geltend macht, auch nach dem zuletzt versterbenden Elternteil nicht Erbe wird, sondern lediglich seinen Pflichtteil erhält. Hier gibt es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, die Sie im Einzelnen mit Ihrem Anwalt besprechen sollten.

 Der Pflichtteilsanspruch verjährt binnen drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Erblasser verstarb und der Pflichtteilsberechtigte von seinem Tod und seinem Pflichtteilsanspruch Kenntnis erlangt hat.

 Können Sie den Pflichtteilsanspruch eines ungeliebten Pflichtteilsberechtigten schmälern?

 Es gibt Möglichkeiten, Pflichtteilsansprüche zu schmälern, indem man bereits zu Lebzeiten den „Nachlass“ schmälert. Die Möglichkeiten sind allerdings sehr begrenzt, denn selbstverständlich hat der Gesetzgeber Vorsorge getroffen, dass der Pflichtteilsanspruch nicht dadurch ausgehebelt werden kann, dass man zu Lebzeiten sein Vermögen bereits an die gewünschten Personen verschenkt. Hierzu hat der Gesetzgeber einen sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch geschaffen.

 

Pflichtteilergänzungsanspruch

Der Pflichtteilergänzungsanspruch greift, wenn Sie innerhalb der letzten 10 Jahre vor Ihrem Tod Gegenstände verschenkt haben. Der Pflichtteilsberechtigte kann dann gegenüber dem Beschenkten Geldansprüche geltend machen. Dabei richtet sich die Höhe des Zahlungsanspruches nach der Höhe des Wertes, um welches sich der Pflichtteilsanspruch gesteigert hätte, wenn der Wert des Geschenkes noch im Nachlassvermögen gewesen wäre.

 Zu beachten ist hierbei die 10 Jahres Frist. Sollte die Schenkung länger als 10 Jahre vor Ihrem Tod vollzogen worden sein, wird dieser Schenkung im Erbfall keiner Beachtung mehr geschenkt. Alle anderen Schenkungen innerhalb der 10 Jahre, werden jedoch unterteilt in verbrauchbare Gegenstände (Geld, Wertpapiere, etc.) und nicht verbrauchbare Geschenke (Grundstücke, Autos, etc.).

 Bei verbrauchbaren Geschenken wird der Wert der Sache zum Zeitpunkt der Schenkung in Betracht gezogen. Bei unverbrauchbaren Sachen hingegen grundsätzlich der Zeitpunkt des Erbfalles, ausnahmsweise bestimmt sich hier jedoch der Zeitpunkt nach dem Niederstwertprinzip, wenn der Wert der Sache bei der Schenkung weniger Wert hatte.

 Zusätzlich wird der Wert der Sache durch das sogenannte Abschmelzungsmodell geschmälert. Für jedes Jahr, welches seit der Schenkung verstrichen ist, werden 10% des Wertes der Sache abgezogen.

 Ihren enterbten Abkömmlingen steht somit ein gesetzlich normierter Teil am Erbe zu, welchen Sie jedoch insbesondere durch entsprechende Maßnahmen schmälern oder im besten Fall durch Verzichtserklärung sogar komplett aus der Welt schaffen können. Beide Maßnahmen müssen jedoch unbedingt zu Lebzeiten getroffen werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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