Provozierter Auffahrunfall – wie beweisen?

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Nach einem Auffahrunfall wird in den meisten Fällen davon ausgegangen, dass der Auffahrende unaufmerksam war, zu schnell gefahren ist oder den geforderten Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat. Doch bei jedem zehnten Kfz-Schadensfall liegt Manipulation vor – es handelt sich um einen absichtlich herbeigeführten Unfall. 

Wie lassen sich die Täter enttarnen, welche Gründe können für die Tat vorliegen und wer haftet letztlich für den entstandenen Schaden?

Die Methoden von Unfall-Provokateuren

Unfallbetrüger verfügen über eine Reihe von Methoden, wie sie einen Auffahrunfall provozieren können. Beispielsweise kann es passieren, dass der vermeintlich Geschädigte an einer Ampelanlage, die gerade von Gelb auf Rot schaltet, eine Vollbremsung einlegt.

Des Weiteren kann von einem provozierten Auffahrunfall ausgegangen werden, wenn der Täter an einer Kreuzung, an der die Rechts-vor-links-Regel gilt, im letzten Moment in die Kreuzung einbiegt und folglich die Behauptung aufstellt, ihm sei die Vorfahrt genommen worden. 

Provokateure können sich einer weiteren Methode bedienen, wenn zum Beispiel die Fahrbahn verengt ist, sie aber trotzdem die Spur wechseln. Darüber hinaus kann das Reaktionsverhalten ein Hinweis auf eine Provokation sein. Normalerweise würde ein Autofahrer dem gegnerischen Fahrzeug ausweichen – nicht so Unfallbetrüger.

Wie erkennt man diese Betrüger und welche Gründe haben sie?

Verfügt das geschädigte Auto bereits über ältere Schäden oder kommen an den Unfallort unverhofft Personen, die sich als Zeugen ausgeben und zusätzlich psychologischen Druck ausüben, liegt der Verdacht eines provozierten Auffahrunfalls nahe.

Bleibt der Geschädigte zudem nach dem Zusammenstoß auffällig ruhig bzw. verhält sich routiniert, kann sich der Verdacht erhärten, dass es sich um einen Unfallbetrüger handelt. Orte, an denen provozierte Unfälle üblicherweise passieren, sind zum Beispiel Parkplätze oder Stellen, an denen erst kürzlich die Vorfahrt geändert wurde.

Die Gründe für das Provozieren eines Auffahrunfalles können vielschichtig sein. Ein Beispiel hierfür ist, dass der Provokateur eventuell bereits einen Sachschaden an seinem Auto hat. So rechnet er möglicherweise damit, dass die Versicherung des Unfallgegners den Schaden übernimmt. In diesem Fall muss von einem Versicherungsbetrug ausgegangen werden.

Wer haftet für den entstandenen Schaden?

„Wer auffährt, hat immer Schuld.“ Diese Aussage beruht auf dem sogenannten Anscheinsbeweis, d. h., auf einer auf Erfahrung basierenden Beweisführung. Geregelt ist der Anscheinsbeweis in § 4 Straßenverkehrsordnung (StVO). Demnach sollte der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug so groß sein, dass hinter diesem angehalten werden kann, wenn dieses abrupt bremst.

Im Falle eines provozierten Auffahrunfalls trifft der Anscheinsbeweis jedoch nicht zu. Derjenige Autofahrer, der absichtlich bremst und somit einen Autounfall provoziert, haftet zu 100 Prozent für den entstandenen Schaden. In diesem Fall erhält also ausnahmsweise der Auffahrende den vollen Schadensersatz.

Was können Geschädigte tun?

Zunächst einmal sollte umgehend die Polizei verständigt werden. Fahrzeughalter, die in einen provozierten Auffahrunfall verwickelt werden, sollten weitere Personen, die den Unfall beobachtet haben, als Zeugen heranziehen. Diese sollten an der Unfallstelle verbleiben, bis der Unfall von der Polizei aufgenommen wurde. Dadurch kann bewiesen werden, dass es sich bei dem Geschädigten in Wirklichkeit um einen Provokateur handelt.

Außerdem ist es empfehlenswert, Beweisfotos von den geschädigten Fahrzeugen sowie von Bremsspuren anzufertigen. Keineswegs sollte ein Schuldanerkenntnis gegenüber dem vermutlichen Provokateur unterschrieben werden. Jedoch ist die eigene Haftpflichtversicherung darüber in Kenntnis zu setzen, dass es sich möglicherweise um einen provozierten Unfall handelt.

Darüber hinaus ergibt sich im Falle eines provozierten Auffahrunfalles in Verbindung mit einem Versicherungsbetrug nicht nur der Straftatbestand des Betruges gemäß § 263 Strafgesetzbuch (StGB), sondern es kann auch ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne von § 315b StGB vorliegen. Liegen also Anhaltspunkte vor, die auf einen provozierten Auffahrunfall hindeuten, so sollten diese unbedingt der Polizei mitgeteilt werden. 

Dies hätte den Vorteil, dass sowohl die Polizei als auch die zuständige Staatsanwaltschaft den Auffahrunfall genau untersuchen und somit bei der Aufklärung als unabhängige Behörden mithelfen könnten, den Provokateur zu entlarven. Dies wäre natürlich von erheblichem Vorteil für die Durchsetzung ihrer Ansprüche.

Sollte ihr Fall vor Gericht landen, weil der provozierte Auffahrunfall außergerichtlich nicht bewiesen werden konnte, ist es wichtig, die Besonderheiten des Beweisrechts der Zivilprozessordnung zu kennen. Ohne solche Kenntnisse kann ein provozierter Auffahrunfall vor Gericht kaum bewiesen werden.

Rechtsanwalt Johannes Dickebohm


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