Raserparagraf § 315d StGB verfassungswidrig?!

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Im Zuge der politischen Diskussion um die sogenannten Raserfälle, entschloss sich der Gesetzgeber § 315d StGB einzuführen. Was jedoch genau unter Strafe steht, war von Beginn an nicht eindeutig. Dies veranlasste das Amtsgericht Villingen-Schwenningen das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

Der § 315d des Strafgesetzbuches (StGB) stellt insbesondere unter Strafe, wenn man

 

sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig und rücksichtslos im Straßenverkehr fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. 

 

Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe. Ferner ist regelmäßig die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das bedeutet, dass man für mindestens 6 Monate keine Fahrerlaubnis besitzt.

 

Das Bestimmtheitsgebot

Für jedes Gesetz gilt das Bestimmtheitsgebot. Das Gebot ergibt sich aus Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes und ist auch in § 1 StGB verankert. Es beinhaltet, was eigentlich jedem einleuchten dürfte: Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit zum Tatzeitpunkt gesetzlich bestimmt war. Es muss sich eindeutig aus dem Gesetz ergeben, welches Verhalten strafbar ist. Oder noch einfacher: Der Bürger muss erkennen können, was er darf und was nicht.

 

Der Sachverhalt

Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen hat über einen Fall zu entscheiden, indem der Angeschuldigte vor der Polizei floh, da er ohne Fahrerlaubnis fuhr. Der Angeklagte beschleunigte auf bis zu 100 km/h. Die Verfolgungsjagd endete in einem Unfall.

Im Rahmen der Anklage wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten mitunter vor, gegen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verstoßen zu haben. Das Amtsgericht stellt sich nun zu Recht die Frage, was der Gesetzgeber mit „höchstmögliche Geschwindigkeit“ meint. Gibt es einen festen Grenzwert oder ist der Einzelfall entscheidend?

Geht man nach dem reinen Wortlaut des Gesetzestextes, kann nur das Erreichen der maximal möglichen Geschwindigkeit gemeint sein. Die bis dato spärliche Rechtsprechung zu der Frage lässt keine klare Linie erkennen. Teilweise sei der Tatbestand nur erfüllt, wenn eine rennähnliche Situation vorläge, sprich der Fahrer das Maximum aus seinem Fahrzeug holen will (LG Stade, Beschl. v. 04.07.2018, Az.  132 Qs 112 88/18). Andere Gerichte stellen auf eine relative Höchstgeschwindigkeit ab, die vom Fahrzeug und der Situation abhängt (OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.07.2019, Az.: Rv 28 Ss 103/19). Den Entscheidungen ist jedoch gemein, dass nicht trennscharf zwischen den Tatbestandsalternativen des § 315d StGB unterschieden werden kann.

 

Normkontrolle beim Bundesverfassungsgericht

Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen ist der Auffassung, dass die Norm nicht bestimmt genug und folglich nicht verfassungskonform ist. Deshalb legt es das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor (AG Villingen-Schwenningen, Vorlagebeschl. v. 16.01.2020, Az.: 6 Ds 66 Js 980/19). Das Amtsgericht ist dabei nicht nur der Auffassung, dass die Norm unklar formuliert ist, sondern sogar der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt ist. Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber seiner Pflicht, die Grenzen der Strafbarkeit selbst zu bestimmen, nicht ausreichend nachgekommen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nun darüber zu entscheiden, ob § 315d Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch im Einklang mit dem Grundgesetz steht.

 

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