Rückforderung von Provisionsvorschüssen von Versicherungsvertretern - 3 Urteile und Grundsätze

  • 9 Minuten Lesezeit

Immer wieder kommt es zwischen Versicherungsvertretern und den vertretenen Versicherungsunternehmen zum Streit darüber, ob der Vertreter ihm gezahlte Provisionsvorschüsse an das Unternehmen zurückzahlen muss.  Während der Dauer des Vertragsverhältnisses nimmt das Unternehmen in der Regel eine Verrechnung der behaupteten Rückforderungen mit Provisionsansprüchen des Vertreters vor. Nach Beendigung der Zusammenarbeit wird eine Verrechnung jedoch zunehmend schwierig, weil der Vertreter keine Provisionsansprüche menicht mehr ausreicht. 

Der folgende Streit resultiert daraus, dass ein Versicherungsvertreter gemäß § 92 Abs. 4 HGB abweichend von § 87 a Abs. 1 HGB an sich erst dann Anspruch auf Provision hat, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertretervertrag berechnet. In der Regel werden die Provisionen aber bereits vorher als Vorschuss an den Vertreter gezahlt und in den Provisionsbestimmungen insoweit Regelungen getroffen, dass die Provision erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, der so genannten Stornohaftungszeit, endgültig verdient ist. Wird der vermittelte Versicherungsvertrag allerdings vorher storniert, kommt es zu Provisionsrückforderungen durch das Versicherungsunternehmen.

Ob und inwieweit die Rückforderung von nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse berechtigt ist, richtet sich nach der Vorschrift des § 87 a Abs. 3 HGB. Dementsprechend besteht der Anspruch auf Provision des Versicherungsvertreters auch dann, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Allerdings entfällt der Anspruch auf Provision im Falle der Nichtausführung, wenn und soweit dies auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, was gegeben ist, wenn eine ausreichende Nachbearbeitung durchgeführt wird.

Diese Nachbearbeitung wird in der Regel dadurch vorgenommen, dass die Versicherungsunternehmen dem Vertreter eine so genannte Stornogefahrmitteilung zukommen lassen, auf dessen Basis der Vertreter dann versuchen soll, den notleidenden Vertrag zu retten. Nach Beendigung des Vertretervertragsverhältnisses werden diese Stornogefahrmitteilungen aber regelmäßig nicht mehr versandt, weil die Versicherungsunternehmen befürchten, dass der ausgeschiedene Vertreter die Chance nutzt, den offenbar zur Beendigung des Vertrages entschlossenen Kunden zum Abschluss eines neuen Vertrages für ein Konkurrenzunternehmen zu bewegen, anstatt den bestehenden Vertrag aufrechtzuerhalten. Dann muss die Nachbearbeitung vom Unternehmen selbst durchgeführt werden. Allerdings muss das Unternehmen sehr genau dokumentieren, welche Stornoabwehrmaßnahmen es ergriffen hat. Der Versicherungsvertreter kann hierüber auch im Rahmen eines Buchauszuges gemäß § 87 c Abs. 2 HGB jederzeit Auskunft verlangen.  Im Detail ist vieles streitig und ungeklärt. Es kommt auch immer auf den Einzelfall und die konkreten Vereinbarungen im Vertretervertrag an. 

Gerne schaue ich mir Ihren Fall an.

Hierzu noch 3 wichtige Entscheidungen:

1. OLG Köln

Die Klägerin, ein weltweit agierendes Versicherungsunternehmen, war aufgrund eines Handelsvertretervertrages vom 30.03/16.04.2010 im Zeitraum vom 01.04.2010 bis 31.05.2012 mit dem Beklagten verbunden. Der Beklagte war auf dieser Basis für die Klägerin als Handelsvertreter zur Vermittlung von Versicherungsverträgen tätig. Das Handelsvertreterverhältnis ist durch Kündigung der Klägerin zum 31.05.2012 beendet worden. Nach Maßgabe der „Provisionsbestimmungen zum Agenturvertrag“ war der Beklagte verpflichtet, die an ihn ausgezahlten Provisionen ganz oder teilweise an die Klägerin zurückzuzahlen, falls ein vermittelter Versicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer nicht über einen bestimmten Zeitraum hinweg ordnungsgemäß erfüllt wurde (so genannte Stornohaftungszeit). Erst nach Ablauf der jeweiligen Stornohaftungszeit war die für einen Vertrag gezahlte Provision endgültig verdient. Die Klägerin rechnete über die Provisionsgutschriften und Provisionsbelastungen (Storni) in monatlich erstellten Provisionsabrechnungen ab. Diesen Kontoauszügen waren Anlagen beigefügt, aus denen sich detaillierte Angaben zu den einzelnen Versicherungsverträgen ergeben. So lassen sich diesen Anlagen neben der Versicherungsnummer, dem Vertragstyp, dem Versicherungsnehmer, Beginn und Fälligkeit des Vertrages, dem Stand der Prämienzahlung, dem Stornohaftzeitraum auch die gutgeschriebenen oder stornierten Provisionen entnehmen. Außerdem erstellte die Klägerin Inkasso-Nachbearbeitungslisten, aus denen die notleidend gewordenen Versicherungsverträge mit Angabe der Kontaktdaten des jeweiligen Versicherungsnehmers (Name, Anschrift, Telefonnummer), die Versicherungsscheinnummer, der offene Versicherungsbeitrag, die Fälligkeit der Prämie, der Beginn des Versicherungsvertrages und die Mahnstufe hervorgehen. Wegen des Inhalts und der Gestaltung der Provisionsabrechnungen und der Inkasso-Nachbearbeitungslisten wird auf Anlagen verwiesen. Erläuterungen zur Abrechnung enthält eine weitere Anlage. 

Der Beklagte erhielt von der Klägerin fortlaufend die monatlichen Provisionsabrechnungen und zwar auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, wobei zwischen den Parteien allerdings streitig ist, ob den Abrechnungen ab Juni 2012 auch die Inkasso-Nachbearbeitungslisten und Stornogefahrmitteilungen der Klägerin beigefügt waren. Die Klägerin macht Rückzahlungsansprüche für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2012 unter Darstellung der Provisionskontostände geltend. 

Zur Erläuterung der Kontostände hat die Klägerin die entsprechenden Abrechnungen nebst Anlagen zur Akte gereicht. 

Die Klägerin hat behauptet, dem Beklagten auch nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin die automatisiert erstellten Stornogefahrmitteilungen und Inkassolisten übermittelt zu haben und zwar bis Juli 2012 an seine Büroanschrift „P“. Nachdem ein an diese Adresse gerichtetes Schreiben an den Beklagten als unzustellbar zurückgekommen sei, habe sie ab August 2012 sämtliche Unterlagen an die Anschrift des Beklagten „I“ gesandt. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, so in ausreichendem Maße ihrer Verpflichtung genügt zu haben, dem Versicherungsvermittler Gelegenheit zur so genannten „Nachbearbeitung“ notleidend gewordener Versicherungsverträge zu geben. Sie hat behauptet, darüber hinaus durch ein mehrstufiges Mahnverfahren gegenüber den betroffenen Versicherungsnehmern sowie durch Unterrichtung des Agenturnachfolgers des Beklagten über Vertragsstornierungen selbst Bemühungen zur Erhaltung der gefährdeten Versicherungsverträge entfaltet zu haben. 

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Provisionsreglungen seien unverbindlich, da sie in sich widersprüchlich seien und gegen die europäische Handelsvertreterrichtlinie 86/653/EWG verstießen. Er hat behauptet, dass ihm keine Provisionen für seine eigenen Verträge 03LV- 115... und 04LV-115... sowie für die Verträge seiner Ehefrau 01 LV-174... und 01 LV-174... ausbezahlt worden seien. Der Vertrag seiner Ehefrau 01LV-174... sowie sein eigener Vertrag 02FV-115... seien bereits im Mai 2012 storniert worden und könnten deshalb nicht nochmals im September als Storno eingestellt werden. 

Weiterhin hat der Beklagte behauptet, dass die Klägerin keine ausreichende Nachbearbeitung veranlasst habe, so dass die Aussetzung der genannten Provisionsbeträge zu Unrecht erfolgt sei.

Der Beklagte hat bestritten, Stornogefahrmitteilungen und Inkassolisten erhalten zu haben. Er war der Ansicht, die Klägerin habe ihrer Pflicht zur Nachbearbeitung nicht Genüge getan. Die nunmehr vorliegenden Abrechnungen und Listen seien für ihn nicht verständlich. Der Beklagte hat ferner geltend gemacht, dass ihm ein Ausgleichsanspruch in Höhe von weiteren 13.284,00 € zustehe. Insofern hatte er mit Schriftsatz vom 22.04.2014 gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärt. 

Im Wege der Stufenwiderklage hat der Beklagte zunächst beantragt, 

ihm einen Auszug in Form einer geordneten schriftlichen Zusammenfassung von allen in der Zeit vom 01.04.2010 bis zum 31.5.2012 von ihm vermittelten Versicherungsverträgen zu erteilen, wobei der Auszug folgende Informationen zu enthalten hat: 

1. Name und Adresse des Versicherungsnehmers 

2. Datum des Antrags 

3. Datum der Vertragsannahme 

4. Erklärung ob Neugeschäft oder Folgegeschäft 

5. Zweck des Folgegeschäfts 

6. Versicherungsschein Nummer 

7. Art und Sparte des Vertrages, Tarif, Beitragshöhe und Beitragszahlungsweise 

8. provisionsrelevante Sondervereinbarungen 

9. Versicherungsbeginn 

10. bei Lebensversicherungen die Versicherungssumme, die Jahresprämie, gegebenenfalls Erhöhungen durch Dynamik und den Zeitpunkt der Anpassung und Erhöhung der Jahresprämie, Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und Laufzeit des Vertrages 

11. im Falle der Stornierung das Datum und den Grund der Stornierung, die Art der Bestandserhaltungsmaßnahmen 

12. sonstige Korrespondenz mit dem Versicherungsnehmer, welche die Stornierung betrifft; 

13. Höhe der entgangenen Versicherungsprämie; Höhe der geleisteten Beitragszahlungen sowie Höhe von Fälligkeit der offenen Beitragszahlungen. 

Die Klägerin hat den verlangten Auszug im Laufe des Rechtsstreits erstellt und dem Beklagten zugeleitet. Daraufhin hat der Beklagte den Widerklageantrag zu a) in der Hauptsache für erledigt erklärt. 

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Sie war der Ansicht, ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges habe nicht bestanden. Die Forderung des Beklagten sei angesichts des Umstandes rechtsmissbräuchlich gewesen, dass sie bereits vor Klageerhebung einen Ausgleichsanspruch des Beklagten berechnet und die dem Beklagten nach ihrer Ansicht zustehenden Beträge in Höhe von insgesamt 1.089,12 € seinem Provisionskonto gutgeschrieben und mit dem Negativsaldo des Monats Mai (-3.803,28 €) verrechnet habe, so dass sich der Saldovortrag im Monat Juni auf lediglich -2.750,16 € belaufen habe. Insofern hat sich die Klägerin (auch) auf Erfüllung des dem Widerklageantrag zu c) zugrunde liegenden Anspruchs berufen. 

Das Landgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung zweier Zeugen stattgegeben. Zur Widerklage hat es festgestellt, dass der Antrag zu a) in der Hauptsache erledigt ist. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. 

Das Landgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin Anspruch auf Rückzahlung nicht verdienter Provisionen in geltend gemachter Höhe aus dem Agenturvertrag in Verbindung mit den dort vereinbarten Provisionsbestimmungen habe. Deren Wirksamkeit stehe außer Frage. Der vom Beklagten pauschal erhobene Einwand, die Bestimmungen verstießen gegen deutsches AGB-Recht und die europäische Handelsvertreterrichtlinie, sei mangels hinreichender Konkretisierung des Einwandes nicht nachvollziehbar und daher unbeachtlich. 

Der Rückforderungsanspruch sei der Höhe nach schlüssig dargelegt. Die Ausführungen in der Klageschrift würden in selbst für das Gericht gut nachvollziehbarer Weise unter laufender Bezugnahme auf die Anlagen zur Klageschrift die Entwicklung des Negativsaldo aufzeigen. Für den Beklagten als „Fachmann“ des Provisionsabrechnungswesens müsse das umso einfacher sein. 

Zu Unrecht berufe sich der Beklagte darauf, ihm seien für seine eigenen Verträge (03 LV-115... und 04 LV-115...) sowie für die Eigenverträge seiner Ehefrau (01 LV-174... und 01 LV-174...) keine Provisionen ausgezahlt worden. Die Klägerin habe in ihrer Stellungnahme hierzu im Schriftsatz vom 30.05.2013 (Seite 4 ff.) anhand von Abrechnungsunterlagen die Zahlungen und die daraufhin erfolgten Buchungen in jedem Einzelfall belegt. Der Beklagte könne der Klägerin auch nicht entgegenhalten, sie habe in einer von ihr zu vertretenden Weise eine mögliche Nachbearbeitung nicht veranlasst, es mithin schuldhaft unterlassen, in geeigneter Weise auf den Kunden des notleidend gewordenen Versicherungsvertrages schriftlich oder auch persönlich einzuwirken, um den Vertrag und damit auch die Provision des Beklagten zu retten. 

Der Klägerin habe es freigestanden, die Nacharbeitung selbst durchzuführen. 

Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat das OLG Köln das Urteil des Landgerichts Aachen bestätigt und die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. 

OLG Köln, Beschluss vom 18.12.2014 - 19 U 99/14 

2. OLG Karlsruhe

Der Unternehmer hat zur Begründung eines Anspruchs auf Rückforderung von vorschüssig gezahlten Provisionen aufgrund von Vertragsstornierungen für jeden einzelnen behaupteten Rückforderungsanspruch, d. h. für jeden einzelnen Vertrag, die konkreten Gründe darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört auch die Darlegung einer ordnungsgemäßen Nachbearbeitung der einzelnen Versicherungsverträge. Gleiches gilt für die entsprechende Verrechnung mit der Stornoreserve.

Der Versicherungsvertreter kann sich zunächst darauf beschränken, die durch den Unternehmer abgerechnete Stornoreserve vorzutragen und die Berechtigung der vorgenommenen Verrechnungen zu bestreiten. 

OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.09.2017, Az. 15 U 7/17 

3. Bundesarbeitsgericht

Auch das Bundesarbeitsgericht  hat sich  mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber von seinem ausgeschiedenen Mitarbeiter (hier: Regionaldirektor) nicht ins Verdienen gebrachte Provisionsvorschüsse zurückfordern kann. Das Urteil beinhaltet nicht nur altbekannte Grundsätze sondern auch eine Problematik in Zusammenhang mit der Verweisung auf Provisionstabellen, welche mir aus vielen Vertriebsverträgen bekannt ist.

Das BAG bestätigte die Wirksamkeit der Vorschussvereinbarung. Auch die Voraussetzungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs seien ausreichend deutlich geregelt. Hinsichtlich der Rückforderung sei jedoch unschlüssig, auf welche Superprovision und Provision genau diese sich beziehe. Die klagende Arbeitgeberin habe darzulegen, für welchen Vertrag in welcher Höhe Vorschuss gezahlt wurde, für welche Prämie der Provisionsanspruch entsteht, inwieweit es nicht zu Prämienzahlung durch die Versicherungsnehmer gekommen ist und welche Auswirkungen dies nach welchen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien auf den Provisionsanspruch des Mitarbeiters haben soll. Dies sei auch für kleine Rückforderungsbeträge, so-genannte Kleinstorni, erforderlich.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Akzeptanz der Provisions- und Stornohaftungsbedingungen der Gesellschaften stützen, da die entsprechende Vertragsklausel intransparent sei. Diese Bedingungen hätten dem Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt vorgelegen und es sei noch nicht einmal bestimmbar, welche Bedingungen welcher Versicherungen genau gemeint seien.

Des Weiteren fordert das BAG die Darlegung einer ord-nungsgemäßen Nachbearbeitung des einzelnen notleidenden Versicherungsvertrags (analog § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB).

Hier sollten die Vertriebe auf eine transparentere Vertragsgestaltung achten, damit der Rückforderungsanspruch nicht schon an der Anspruchsgrundlage scheitert. Des weiteren hatte es der Vertrieb auch hier wieder einmal nicht geschafft eine wirksame Stornoreserveklausel zu formulieren und die Rückforderungsansprüche schlüssig darzulegen. Das Urteil ist für jeden Vertrieb und auch für die Vermittler Pflichtlektüre. 

BAG, Urteil vom 21. Januar 2015 – 10 AZR 84/14


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Krziminski

Beiträge zum Thema