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Ihr Rücktrittsrecht bei Verträgen

  • 7 Minuten Lesezeit
Ihr Rücktrittsrecht bei Verträgen

Experten-Autor dieses Themas

Einige von uns glauben, dass ein Rücktritt von vielen Verträgen innerhalb von 14 Tagen möglich ist. Dem ist aber nicht so, denn wir müssen zwischen Widerrufsrecht und Rücktrittsrecht unterscheiden. Der Widerruf eines Kaufvertrages (der Willenserklärung) ist innerhalb von 14 Tagen möglich und bedarf keiner Begründung. Möglich ist das jedoch nur bei den sogenannten Fernabsatzgeschäften, wie online oder am Telefon geschlossenen Verträgen, oder bei Haustürgeschäften (geregelt in §§ 355, 356 BGB, Bürgerliches Gesetzbuch). 

Im Gegensatz dazu gibt es aber kein allgemeines Rücktrittsrecht von Verträgen. Grundsätzlich sind Verträge einzuhalten und zu erfüllen, wie es vereinbart wurde („pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten“). Sie können nur vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn entweder 1. die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen oder 2. ein Rücktrittsrecht explizit vereinbart wurde. 

Vertragliches Rücktrittsrecht

Wenn das Rücktrittsrecht freiwillig vertraglich vereinbart wird, gibt es dafür meist eine extra Klausel in den AGB. Diese enthält dann die genauen Voraussetzungen, in welchen Fällen vom Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht werden kann, und ist individuell gestaltet. 

Gesetzliches Rücktrittsrecht

Gemäß § 323 BGB (Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung) kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Verkäufer trotz Mahnung seine Vertragspflichten nicht erfüllt hat (zum Beispiel mangelhafte Lieferung oder Lieferverzug). 

Grundsätzlich müssen Sie dem Verkäufer aber die Möglichkeit geben nachzubessern (sogenannte Nacherfüllung). Setzen Sie den Verkäufer direkt nach Feststellung darüber in Kenntnis, dass ein Mangel (Sachmangel) an der Kaufsache vorliegt. Innerhalb einer angemessenen Frist (ca. 1–2 Wochen) muss die Nachbesserung erfolgen. Zwar müssen Sie rechtlich seit 01. Januar 2022 diese Frist nicht mehr ausdrücklich setzen (§ 475 d BGB), schaden kann es aber nicht, dem Verkäufer mitzuteilen, bis wann der Mangel beseitigt werden soll. Bei einer Reparatur musste man bisher erst zweimal nachbessern lassen, bevor man vom Kaufvertrag zurücktreten konnte. Auch dies änderte sich für Kaufverträge, die ab dem 01. Januar 2022 abgeschlossen wurden. Seitdem können Sie bereits nach einer fehlgeschlagenen Nachbesserung vom Kauf zurücktreten

Das Bürgerliche Gesetzbuch beschreibt ganz genau, wann ein Sachmangel vorliegt, und sagt in § 434 dazu: 

„(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht. 

(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie 

1. die vereinbarte Beschaffenheit hat, 

2. sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und 

3. mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird. 

Zu der Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 1 gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben. 

(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie 

1. sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, 

2. eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung 

a) der Art der Sache und 

b) der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden, 

3. der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und 

4. mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.“ 

Beispiele

Beispiel für einen Mangel der subjektiven Anforderungen (Abweichung der Beschaffenheit gemäß § 434 (2) BGB): eine Regenjacke, die nicht wasserdicht ist. 

Beispiel für einen subjektiven Mangel, weil der Artikel sich nicht für die vorausgesetzte Verwendung eignet: Der Kühlschrank kühlt nicht. 

Beispiel für fehlerhafte und mangelbegründende Montageanleitungen (gemäß § 434 (1) BGB): Die Montageanleitung fehlt oder ist so schlecht übersetzt, dass sie allgemein nicht verstanden werden kann (oft wird dies auch scherzhaft „Ikea-Klausel“ genannt). 

Auch ein Kleidungsstück in der falschen Farbe ist bereits ein Sachmangel. Eindeutig entschieden hat das der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 17.02.2010 (Az.: VIII ZR 70/07). In diesem Fall ging es um ein Auto, das in der falschen Farbe geliefert wurde. Und beim Thema Auto hört der Spaß für einige ja nun wirklich auf. Statt in „Metallicblau“ lieferte der Verkäufer das Auto in der Farbe „Schwarz“. 

Zwar war der Käufer bei ersten Gesprächen grundsätzlich nicht abgeneigt von der Farbe Schwarz, verbindlich bestellt hatte er das Auto jedoch in „Metallicblau“. Der Käufer (Beklagte) verweigerte die Annahme des Fahrzeugs und zahlte nicht, weil der Vertrag nicht erfüllt worden sei. Der Verkäufer (Kläger) verlangte die Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung des Fahrzeugs. Durch zwei Instanzen gekämpft, bekam der Käufer letztendlich recht: eine andere als die bestellte Farbe stellt einen erheblichen Sachmangel und damit auch eine erhebliche Pflichtverletzung dar, ganz besonders bei einem Auto. Und so musste der Käufer „im Namen des Volkes“ das Auto nicht annehmen und den Kaufpreis auch nicht zahlen. 

Rücktritt: Rückabwicklung

§ 346 BGB regelt die Wirkungen des Rücktritts. Demnach sind bei einem Rücktritt vom Kaufvertrag Käufer und Verkäufer verpflichtet, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Vertrag wird in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Die erhaltenen Leistungen sind Zug um Zug (Schritt um Schritt) zurückzugeben. Der Vertrag wird nicht nur hinsichtlich der empfangenen Leistungen, sondern auch hinsichtlich von bereits gezogenen Nutzungen rückabgewickelt. Zwei Beispiele dafür: 

Herausgabe von Nutzungen

Der Kauf eines Mietshauses wird rückabgewickelt. Der Nutzen (dadurch eingenommene Miete) ist herauszugeben. 

Wertersatz

Dem Käufer eines Autos wird dieses fristgerecht geliefert. Jedoch zahlt der Käufer auch nach Fristsetzung dem Verkäufer nichts vom vereinbarten Kaufpreis. Der Verkäufer tritt vom Kaufvertrag zurück. Für die Abnutzung wegen der bereits gefahrenen Kilometer (Gebrauchsvorteil) mit dem neuen Auto muss der Käufer dem Verkäufer Wertersatz zahlen. 

Rücktrittserklärung

Das Rücktrittsrecht ist ein Gestaltungsrecht (einseitig gestaltendes Rechtsgeschäft) und muss ausgeübt/erklärt werden. Es bedarf also einer Rücktrittserklärung, § 349 BGB. Diese Willenserklärung ist empfangsbedürftig und grundsätzlich formfrei. 

Nachfolgend ein Beispiel, wie eine Rücktrittserklärung aussehen könnte:


Absender 

Emma Mustermann 

Musterstraße 1 

12345 Musterstadt 

  

Empfänger 

Unternehmen/Geschäft/Händler 

Rückstraße 9 

87654 Rückstadt 


Ort, Datum: 

  

Rücktritt vom Kaufvertrag 

Bestellung/Kauf vom ... 

Vertrags-/Bestellnummer 

Kaufbeleg vom … 

  

Sehr geehrte Damen und Herren, 

mit Schreiben vom … (solche Schreiben zu Beweiszwecken gern per Einschreiben absenden) habe ich Sie darüber informiert, dass der am … gekaufte und am … gelieferte Artikel folgende Mängel aufweist: 

  • genaue Mängelbeschreibung 

Meiner Aufforderung zur Nachbesserung mit Fristsetzung bis … sind Sie nicht nachgekommen. 

Deshalb erkläre ich hiermit den Rücktritt vom Kaufvertrag und fordere Sie auf, den von mir bereits gezahlten Kaufpreis in Höhe von … Euro per ursprünglicher Zahlungsweise auf mein Paypal-Konto (Sie können hier natürlich auch Ihr Bankkonto nennen) bis spätestens … zu erstatten. 

Ich fordere Sie außerdem auf, vorgenannten Artikel unter der Lieferadresse … (Ihre Adresse) bis spätestens … abzuholen. Für eine telefonische Terminvereinbarung erreichen Sie mich unter: … (Telefonnummer). 

  

Mit freundlichen Grüßen  

Emma Mustermann


Rücktritt mündlicher Vertrag

Die meisten Verträge des Alltags kommen mündlich zustande. So ist beispielsweise der Kauf Ihrer Brötchen auch ein gültiger Kaufvertrag, den Sie mündlich geschlossen haben. Oder der beliebte Kauf neuer Schuhe in einem Schuhladen. Wenn die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Rücktritt vorliegen, können Sie diesen auch mündlich verkünden, denn ein Rücktritt kann formfrei erklärt werden. Wichtig ist nur, dass es sich dabei um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Das heißt, Sie müssen dem Händler/Verkäufer den Rücktritt so kundtun, dass er vom Gegenüber auch verstanden wird. 

Bleiben wir beim Beispiel Schuhladen: Entdecken Sie zu Hause, dass die neuen Schuhe einen Mangel aufweisen, können Sie dem Händler eine angemessene Zeit geben, diesen Mangel zu beseitigen. Ist aber eine angemessene Wartezeit verstrichen, können Sie vom Vertrag zurücktreten, dies natürlich auch mündlich. 

Rücktritt vom Arbeitsvertrag – geht das?

Der Arbeitsvertrag ist vom Wesen her ein Dienstleistungsvertrag, bei dem gegen Vergütung (Lohn/Gehalt) eine Dienstleistung (Arbeit) erbracht wird. Aus unterschiedlichen Gründen springen immer mal wieder Bewerber ab, obwohl sie den Arbeitsvertrag bereits unterzeichnet haben. Oft hat sich einfach eine bessere oder lohnendere Jobmöglichkeit ergeben. Kann man dann vom Arbeitsvertrag wieder zurücktreten? 

Die Antwort ist: Nein! Es sei denn, im Arbeitsvertrag wurde ein Rücktrittsrecht vereinbart. Das Arbeitsrecht gehört zwar dem Zivilrecht an und im Zivilrecht gibt es grundsätzlich die Möglichkeit eines Rücktritts vom Vertrag. Jedoch sieht das Arbeitsrecht keinen Rücktritt vor. Es bedarf einer ganz „normalen“ Kündigung. So heißt es in § 622 Absatz 1: 

„(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.“ 

Bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag ist die Schriftform zur Wirksamkeit zwingend erforderlich. Eine E-Mail ist nicht ausreichend. Hat man – wie meist üblich – eine Probezeit vereinbart und kündigt den Arbeitsvertrag noch, bevor man den neuen Job antritt, beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen ab Beginn des Arbeitsverhältnisses. Wenn keine Probezeit vereinbart wurde, gilt die vorgenannte gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 622 BGB.

Foto(s): ©Adobe Stock/comzeal

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