Rücktritt vom Pauschalreisevertrag nur nach Reisewarnung? Ein weit verbreitetes Märchen!

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In diesen und den kommenden Tagen stehen viele Reisende vor der Entscheidung, den geplanten Urlaub anzutreten oder den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag zu erklären.

Ausgangslage

Reisende, deren Reisen noch bevorstehen, sehen sich einer ungewissen Lage ausgesetzt. Viele Länder, auch beliebte Reiseziele, melden steigende Zahlen von Menschen aktuellen Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland hat am 14. August 2020 eine Reisewarnung für die beliebte Urlaubsinsel Mallorca und auch für weitere Regionen des spanischen Festlandes ausgesprochen. 

Die Reisewarnung als Voraussetzung des Rücktritts wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände

Viele Reisende glauben, der Rücktritt vom Pauschalreisevertrag kann ohne die Verpflichtung, eine Rücktrittsentschädigung (sogenannte Stornokosten) an den Reiseveranstalter zahlen zu müssen, nur bei Vorliegen einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland erklärt werden. Diese Vorstellung, wird durch die gängige Praxis der Reiseveranstalter unterstützt, die eine „kostenfreie Stornierung“ nur bei Vorliegen einer Reisewarnung zulassen. Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes stellt allerdings ein Indiz für das Vorliegen von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen dar, sodass es den Reisenden danach unter erleichterten Bedingungen möglich ist, den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag zu erklären, ohne sich der Gefahr, eine Rücktrittsentschädigung zahlen zu müssen, auszusetzen. 

Die Reisewarnung ist aber nicht zwingende Voraussetzung für den Rücktritt ohne Stornokosten. Allein entscheidend ist, dass im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände während der Reise auftreten. Allerdings ist es dann wiederum Sache des Reisenden die Tatsachen, die eine Prognose für den Zeitraum der Reise zulassen, darzulegen.

Erste Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt 

Mit Urteil vom 11. August 2020 (32 C 2136/20-18) hat das Amtsgericht Frankfurt zugunsten eines unserer Mandanten, der eine Reise nach Italien gebucht hat, entschieden. 

Der Reisende buchte eine Flugreise nach Italien und wollte einen Aufenthalt auf Ischia ab dem 14. April 2020 verbringen. Der Kläger hat die von ihm geforderte Anzahlung an den Reiseveranstalter geleistet. Mit E-Mail vom 07. März 2020 hat der Kläger den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag erklärt und gebeten, ihm die Stornokosten wegen der unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände zu erlassen. Der Reiseveranstalter berief sich darauf, dass im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung keine unvermeidbaren außergewöhnlichen Umstände vorlagen. 

Das Amtsgericht gab dem Kläger Recht und hat entschieden, dass es nicht zwingend ist, dass im Zeitpunkt des Rücktritts bereits Reisewarnungen für das Reisegebiet vorliegen oder dass das Zielgebiet tatsächlich von einem Ausbruch der Pandemie betroffen ist. Nach der Auffassung des Gerichts reicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die gesundheitsgefährdende Ausbreitung der Krankheit. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war Italien eines der ersten Länder in Europa, die besonders stark von der COVID-19- Pandemie betroffen waren.  Auch die Überlastung des italienischen Gesundheitssystems rechtfertigt die Annahme der unvermeidbaren außergewöhnlichen Umstände. Zur Begründung des Rücktrittsrechts hat das Amtsgericht auch weiter die gesamte Situation in Italien ab Anfang März 2020 herangezogen. 

Diese Faktenlage reicht nach der Auffassung des Gerichts aus, um zu der Einschätzung zu gelangen, dass die Durchführung der Pauschalreise durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände beeinträchtigt sein würde. Damit war der Kläger berechtigt, ohne Stornokosten leisten zu müssen, vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten.

Empfehlung für Reisende

Da Reisen, die in der Zukunft liegen, von unvermeidbaren außergewöhnlichen Umständen beeinträchtigt sein können, lautet die Empfehlung momentan, Fakten über das Zielgebiet zu sammeln, um sich ein Bild über die Gefährdungslage machen zu können. Die Länder- und Reisehinweise des Auswärtigen Amtes bieten eine gute Informationsquelle. Auch über einschlägige Reiseportale lassen sich Informationen sammeln. Schließlich sollte die öffentliche Berichterstattung in den Medien ausgewertet werden, um danach nach einer Gesamtwürdigung die Entschließung zu treffen, die Reise anzutreten oder den Rücktritt zu erklären.

Für die Wahrung Ihrer Rechte in diesen Krisenzeiten steht Ihnen Advocatur Wiesbaden – die Spezialkanzlei für Reise- und Luftverkehrsrecht gerne zur Verfügung. Mit unserer Erfahrung aus vielen Tausend Prozessen zur Durchsetzung von reiserechtlichen Ansprüchen vor vielen Amts- Land- und Oberlandesgerichten der Bundesrepublik Deutschland können wir ein Optimum an anwaltlichem „know-how“ bieten. 

Eine Vielzahl von Mandanten stammt nicht aus unserer Region, dem Rhein-Main-Gebiet. Wir vertreten selbstverständlich auch Reisende, die weit entfernt wohnen. Durch die modernen Kommunikationsmittel ist die optimale Vertretung auch bei größeren Entfernungen zwischen Mandant und Anwaltskanzlei jederzeit gewährleistet.

Foto(s): Holger Hopperdietzel

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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