Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres

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Von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, muss vor einer Ehescheidung bekanntermaßen grundsätzlich das Trennungsjahr eingehalten werden, sogar bei kurzen Ehen.

Für den Fall, dass die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben, sieht § 1565 Abs. 2 BGB vor, dass eine Ehe nur geschieden werden kann, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Nunmehr hat das Oberlandesgericht Oldenburg in diesem Zusammenhang einen interessanten Hinweisbeschluss dazu erlassen (Beschluss vom 26.4.2018 Az. 4 UF 44/18.

Danach kann ein aggressives und gewalttätiges Verhalten eines Ehegatten eine solche unzumutbare Härte darstellen und ein Festhalten an der Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres unzumutbar machen.

Auch bei einer Härtefallscheidung muss die Ehe natürlich im Sinne des § 1565 Abs. 1 BGB gescheitert sein, sprich, von keinem Willen zur Wiederherstellung der nicht mehr bestehenden Lebensgemeinschaft der Ehegatten auszugehen sein.

An die Annahme eines Härtefalls und damit verbundenen Verkürzung des Trennungsjahres werden insofern hohe Anforderungen gestellt. Das Trennungsjahr hat seinen guten Grund: Aufgrund weitreichender rechtlicher, finanzieller wie auch emotionaler Folgen einer Ehescheidung für alle Beteiligten – einschließlich Kinder – soll den Ehegatten die Möglichkeit gegeben werden, ihre Situation genau zu reflektieren und ggf. wieder zueinanderzufinden. Die Familie als solches soll dadurch besonders geschützt werden.

Aus diesem Grund kommt es in erster Linie bei der Beurteilung eines solchen Härtefalls nicht auf das alleinige Befinden eines Ehegatten an. Es gibt sehr viele Konstellationen, die für einen betroffenen Ehepartner emotional, psychisch und ggf. sogar körperlich verletzend und belastend sind, gleichwohl rechtfertigt eine solche Situation in der Regel keinen Härtefall.

Es wird vielmehr darauf abgestellt, inwieweit eine besonnene dritte Person bei einer ruhigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Verhalten des anderen Ehegatten ebenfalls als eine unzumutbare Belastung empfinden würde. Maßgeblich sind mithin insbesondere das Verhalten des anderen Ehegatten und die objektive Wertung darüber.

Im Fall des OLG Oldenburg wurde eine unzumutbare Härte bestätigt, nachdem durch Zeugenbeweis belegt war, dass die Ehefrau häufig einem aggressiven und gewalttätigen Verhalten in der langjährigen Ehe ausgesetzt war. Zuletzt kam es dort zu einem Vorfall, bei dem die Ehefrau heftig geschüttelt und auf das Gröbste beleidigt wurde, woraufhin die Ehefrau mit einem Rettungswagen abgeholt werden musste.

Der Ehemann habe durch sein Verhalten, so das OLG, die Grundlage eines weiteren Zusammenlebens der Eheleute zerstört. Der Ehefrau sei ein Festhalten an der Ehe während des Trennungsjahres nicht zuzumuten.

Entscheidend bleibt jedoch immer die Betrachtung des Einzelfalls. Nachhaltige Beleidigungen, Bedrohungen oder Misshandlungen können unter bestimmten Voraussetzungen solche Gründe sein. Auch die Zeugung eines Kindes mit einer anderen Frau/Mann in der Ehe kann unter bestimmten Umständen eine Härtefallscheidung rechtfertigen. Auch das Vortäuschen falscher Voraussetzungen für die Ehe wie auch massiver Missbrauch von Drogen/Alkohol eines Ehepartners können Gründe für eine Verkürzung des Trennungsjahres und einer sogenannten Härtefallscheidung sein.

Derjenige, der über eine Härtefallscheidung nachdenkt, sollte sich dies allerdings gut überlegen:

Es bestehen sehr hohe Anforderungen an die Tatbestandsvoraussetzungen, die vor Gericht insbesondere bewiesen werden müssen. Die Entscheidung darüber kann sich – aufgrund einer ggf. durchzuführenden Beweisaufnahme und Ladung von Zeugen – unter Umständen mehrere Monate hinziehen. Es kann daher emotional viel belastender sein, die Vorkommnisse im Einzelnen vor einem Gericht nochmals auszubreiten, als einfach das Trennungsjahr abzuwarten.

Überdies bedarf es auch einer wirtschaftlichen Betrachtung, inwieweit dies Sinn macht: Mit Verkürzung des Trennungsjahr verkürzt sich der Anspruch auf Trennungsunterhalt wie auch die Teilhabe an laufenden Versorgungsanwartschaften des Ehepartners. Auch steuerlich kann eine vorzeitige Ehescheidung nachteilige Wirkung haben. Auch insoweit bedarf es mithin jeweils einer individuellen Gesamtbetrachtung der Verhältnisse.


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