Schiedsvereinbarungen mit russischen Geschäftspartnern

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In vielen Fällen ziehen die Parteien ein Schiedsverfahren dem Verfahren vor staatlichen Judikativorganen vor. Die Vorzüge liegen in der größeren Fachkompetenz der Richter, die durch die Parteien nach eigenem Ermessen ernannt werden können, in der endgültigen Entscheidung, die nur in Ausnahmefällen anfechtbar ist, und in der politischen Unabhängigkeit des Schiedsgerichts. Grundlage für die Verhandlung einer Streitsache vor einem Schiedsgericht ist eine Schiedsvereinbarung, die heute in 90 % aller grenzüberschreitenden Wirtschaftsverträge enthalten ist.

Begriff einer Schiedsvereinbarung

Art. 7 Abs. 1 des russ. Gesetzes „Über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit“ vom 07.07.1993 Nr. 5338-1 (IHS-Gesetz) definiert die Schiedsvereinbarung als eine Vereinbarung der Parteien, alle oder bestimmte Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nicht vertraglicher Natur oder seinen Teil entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen.

Form einer Schiedsvereinbarung

Üblicherweise wird die Schiedsvereinbarung als Klausel in ein größeres Vertragswerk (den Hauptvertrag) aufgenommen. Zulässig ist auch ihr Abschluss in Form einer selbstständigen Schiedsabrede, wenn es z. B. später bei der Abwicklung eines Außenhandelsgeschäfts zum Streit kommt.

In Einklang mit Art. II Abs. 2 des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 bestimmt das IHS-Gesetz, dass eine Schiedsvereinbarung der Schriftform bedarf. Die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses wird die Vollstreckungsfähigkeit aus einem Schiedsspruch gefährden.

Die Schriftform gilt als gewahrt:

(i) wenn eine Schiedsvereinbarung in Form abgeschlossen wurde, die Aufzeichnung von darin enthaltenen Informationen ermöglicht oder Zugänglichkeit dieser Informationen für weitere Benutzung zulässt (Art. 7 Abs. 3 IHS-Gesetz).

Die Rechtsprechung hat auch den Abschluss einer Schiedsvereinbarung, die nur auf einem Computerbildschirm erscheint, durch Bezugnahme auf elektronische AGB für zulässig erachtet. In OOO Evrofasad v. OOO Google erkannte das Gericht den Abschluss eines Werbevertrags durch Annahme von AGB für Werbeleistungen im Google Adwords System an. Die durch screen shots nachgewiesene Eröffnung von fünf accounts in diesem Internet-Programm durch den Kläger gilt als Annahme einer öffentlichen Offerte (Art. 437 Abs. 2 russ. ZGB) durch Anklicken (clickwrap) und der darin enthaltenen Schiedsklausel des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation (MKAS). Das Gericht gab der Einrede der Schiedsvereinbarung von OOO Google statt (Wirtschaftsgericht der Stadt Moskau Urt. v. 04.09.2014 Nr. A40-111306/2014-181-37);

(ii) wenn eine Schiedsvereinbarung durch den Austausch elektronischer Nachrichten abgeschlossen wurde, sofern (a) die darin enthaltenen Informationen für weitere Benutzung zugänglich und (b) die ausgetauschten elektronischen Nachrichten durch Digitalsignaturen von Vertragsparteien unterzeichnet sind. Ein Austausch von nicht amtssignierten E-Mails sollte danach nicht genügen, um eine geschlossene Schiedsvereinbarung nachzuweisen;

(iii) durch entsprechende Bezugnahme in einem schriftlichen Vertrag auf ein Schriftstück, das eine Schiedsklausel enthält (AGB, frühere Verträge; Art. 7 Abs. 6 des IHS-Gesetzes); und

(iv) wenn eine Partei in ihrem Antrag das Bestehen einer Vereinbarung behauptet und die andere dies nicht bestreitet (rügelose Einlassung; Art. 7 Abs. 5 des IHS-Gesetzes).

Das russische Schiedsrecht erkennt eine Schiedsvereinbarung noch an, wenn diese in

(v) die Geschäftsbedingungen einer Wertpapier-, einer Devisen- oder einer Warenbörse; 

(vi) die Clearing-Bedingungen; oder

(vii) die Satzung einer Gesellschaft aufgenommen ist.

Auslegung einer Schiedsvereinbarung

In Iceland Seafood ehf. v. ZАО Аtlant-Pacific lehnte das Gericht die Zuständigkeitsrüge der russischen Beklagten ab, die auf folgende Schiedsklausel gestützt wurde: „Alle nicht erledigten Streitfragen werden durch das Arbitragegericht der Handelskammer Hamburg, Deutschland gelöst.“

Das Gericht ignorierte die im Internet veröffentlichte und in gedruckter Form auf Russisch vorgelegte Schiedsordnung des Schiedsgerichts der Handelskammer Hamburg. Das vertraglich erwähnte „Arbitragegericht“ sei angeblich weder mit dem Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg noch mit der Handelskammer-Arbitrage identisch. Der Vertrag selbst enthalte keine Postanschrift, keine Webseite und keine Telefonnummern des Schiedsgerichts (!). Somit ließe sich auch keine gültige institutionelle bzw. keine ad hoc-Schiedsklausel feststellen. Bezugnehmend auf Art. 431 ZGB, der auf die wortgetreue Bedeutung der gebrauchten Wörter abstellt, wies das Gericht die Einrede der Schiedsvereinbarung zurück und gab überraschenderweise der 3 Mio. USD Klageforderung statt (Föderales Wirtschaftsgericht des Moskauer Gerichtsbezirks Urt. v. 31.07.2014 Nr. Ф05-8718/2014).

Interessanterweise hat das Oberste Wirtschaftsgericht in einem anderen Streitverfahren eine ähnliche Schiedsklausel, die sich auf „Arbitragegericht der Handelskammer Hamburg bezog, als rechtsverbindlich anerkannt (OOO Intervtorresurs v. OOO Glowis, das Höchste Wirtschaftsgericht der Russischen Föderation (HWG RF) Urt. v. 20.04.2010 Nr. 15887-09).

Somit werden eine missglückte Übersetzung oder eine nicht genaue Bezeichnung eines Schiedsgerichts ziemlich häufig als Ansatzpunkt für die darauf stützenden Zuständigkeitsrügen in Russland benutzt. Dies entspricht nicht der Erwartung, dass Schiedsvereinbarungen nach der internationalen Praxis generell großzügig auszulegen sind, um den Interessen der Parteien möglichst weitgehend gerecht zu werden (KG Berlin Urt. v. 03.09.2012 – 20 SchH 02/12).

Bisweilen gelingt es dem Beklagten, einen unpräzisen russischen Namen einer Schiedsinstitution durch eine öffentliche Stellungnahme eines Dolmetschers vor einem Gericht klarzustellen.

Alternativ könnte ein Beklagter ein Bestätigungsschreiben bei einer betroffenen ausländischen Schiedsinstitution abholen, um die Unklarheiten der russischen Fassung abzuwenden und die Durchführbarkeit der Schiedsvereinbarung zu bestätigen. Ein Brief des Präsidenten der Wirtschaftskammer Österreich half eine Schiedsklausel über die Zuständigkeit eines „Arbitragegerichts der Stadt Wien“ im Sinne des Internationalen Schiedsgerichtszentrums der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC) als eine wirksame institutionelle Schiedsvereinbarung auszulegen (Wirtschaftsgericht des Westsibirien-Gerichtsbezirks Urt. v. 29.10.2014 Nr. A46-12418/2013).

Im Hinblick auf die oben erwähnte Rechtsprechung bestimmt die Neufassung von Art. 7 des IHS-Gesetzes eine ganze Reihe von Auslegungsregelungen, die im Streitfall über den Anwendungsbereich einer Schiedsvereinbarung Lücken schließen lassen. Im Zweifel sollte z. B. eine Schiedsklausel als wirksam und erfüllbar ausgelegt werden (Art. 7 Abs. 9 des IHS-Gesetzes).

Dieser in favorem validitatis-Grundsatz der weiten Auslegung wird auch durch die deutsche Rechtsprechung unterstützt (BGH, SchiedsVZ 2007, 215f.). Eine restriktive Auslegung wäre dem grundsätzlichen Parteiwillen, ihre Streitigkeit durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, nicht gerecht. Es ist zunächst im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu prüfen, ob ein bestimmtes Schiedsgericht zur Entscheidung berufen ist (BGH Urt. v. 14.07.2011 – III ZB 70/10).

Somit wird auch die durch Art. 2A des UNCITRAL-Modellgesetzes vom 11.12.1985 angesprochene internationale Einheitlichkeit bei seiner Anwendung und die Gutgläubigkeit von Parteien bei Erfüllung von einst geschlossenen Schiedsvereinbarungen gefördert.

Inhalt einer Schiedsklausel

Eine wirksame Schiedsvereinbarung setzt mindestens voraus, dass sich ein gemeinsamer Parteiwille daraus ergibt, einen Rechtsstreit der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu übertragen.

Von diesem notwendigen Inhalt abgesehen, ist es empfehlenswert, auch Fragen der Tragweite der Schiedsvereinbarung, Besetzung des Schiedsgerichts bzw. Anzahl der Schiedsrichter, Verfahrenssprache, Schiedsort, anwendbares Recht, Verfahrensrichtlinien und Ausschluss des Aufhebungsantrags in der Schiedsvereinbarung ausdrücklich festzulegen.

Ein Modus für Streiterledigung – durch ein ad hoc- oder ein institutionelles Schiedsverfahren – sollte von Anfang an bestimmt werden. Räumt eine Schiedsklausel ein Wahlrecht des Klägers zwischen einem ad hoc- und einem institutionellen Schiedsverfahren ohne eine Bezeichnung der zuständigen Schiedsinstitution ein, wird sie als undurchführbar behandelt (OOO Auchan v. OOO Karolina, OG RF Urt. v. 15.02.2016 Nr. 304-ЭС15-19240).

Es ist jedoch grundsätzlich zulässig, beiden Parteien wahlweise die Anrufung eines bestimmten Schiedsgerichts am Ort der Beklagten freizustellen. In Avtosped Internationale Speditions GmbH v. OOO Bosch Termotechnika hob das Höchste Wirtschaftsgericht alle Entscheide der untenstehenden Instanzen auf und gab der Zuständigkeitsrüge statt. Die deutsche Beklagte berief sich erfolgreich auf eine im Transportvertrag beinhaltete Schiedsklausel, nach der eine Schiedsklage gemäß der ICC-Schiedsordnung am jeweiligen Sitz der Beklagten zu erheben war (HWG RF Urt. v. 16.07.2013 Nr. 2572/13).

Ein Schiedsort muss eindeutig vereinbart werden. Das Oberste Gericht lehnte eine Schiedsvereinbarung ab, die u. a. nach den verschiedenen vorgelegten Fassungen des Bauvertrags den Schiedsort zweierlei als „DIS Frankfurt/Main“ und „DIS Erfurt“ bestimmt hat (OG RF Urt. v. 18.01.2016 Nr. 305-ЭС15-17651).

Wirkungen der Schiedsvereinbarung

Gemäß Art. 8 des IHS-Gesetzes kann die Beklagte eine Rüge erheben, dass die Angelegenheit vor dem Gericht Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist. Die Rüge muss vor der ersten Replik zur Hauptsache geltend gemacht werden. Bei der begründeten Rüge zur Gerichtszuständigkeit hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen.



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