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Was ist der sogenannte Schwellenwert im Vergaberecht?

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Was ist der sogenannte Schwellenwert im Vergaberecht?

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Die öffentliche Hand vergibt laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz jährlich Aufträge in dreistelliger Milliardenhöhe an private Unternehmen. Das macht deutlich, dass bestimmte Regelwerke zwingend erforderlich sind. 

Um hier den sogenannten Schwellenwert im Vergaberecht zu erläutern, erst einmal ein paar Worte zum Vergaberecht selbst: Eine Vergabe ist der Auftrag für eine bestimmte Leistung, die von Dienstleistern beziehungsweise Unternehmen erbracht wird. Auftraggeber sind häufig Länder oder Kommunen. Diese haben bei der Vergabe und beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen bestimmte Regeln zu beachten. So sollten Bund und Länder wirtschaftlich und steuersparend arbeiten, aber auch einen fairen Wettbewerb ermöglichen. 

Dabei wird im ersten Schritt der jeweilige Auftrag öffentlich bekannt gemacht. Dies geschieht in Amtsblättern oder häufig auch auf elektronischen öffentlichen Portalen, wie zum Beispiel Service.Bund. Interessierte Unternehmen können sich dort für die Ausschreibung bewerben und dem Auftraggeber ein Angebot unterbreiten. Grundsätzlich soll das Gebot, das am wirtschaftlichsten ist und gleichzeitig auch nahe an den geforderten Zuschlagskriterien – wie beispielsweise ausreichende Qualitätsmerkmale bei angemessenen Kosten –, den Zuschlag erhalten. Die Grundsätze und Vorschriften zu so einer Vergabe sind im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) § 97 geregelt, wie beispielsweise die Transparenz im Vergabeverfahren, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit oder die Gleichbehandlung der Bieter bei der Vergabe von Aufträgen. 

Welche Rolle spielt der Schwellenwert bei der Vergabe?

Ein Schwellenwert ist salopp gesagt das geschätzte Auftragsvolumen. Dessen Höhe bestimmt, unter welchen Richtlinien eine Ausschreibung und eine Vergabe zu erfolgen hat. 

Der Auftragswert und die Art des Auftrags spielen hier die entscheidende Rolle. Dabei gibt es zwei Kategorien von Schwellenwerten. Zum einen gibt es den Oberschwellenbereich, zum anderen den Unterschwellenbereich. Diese beiden Schwellenwerte entscheiden darüber, ob ein Auftrag national oder europaweit ausgeschrieben werden muss. 

Berechnung des Schwellenwertes

Die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) regelt in § 3 die Schätzung des Auftragswerts. Die VgV besagt zum Beispiel, dass bei der Schätzung des Auftragswertes der gesamte Auftragswert ohne Mehrwertsteuer zugrunde gelegt wird. 

Unterschwellenbereich 

Erreichen die zu vergebenden Aufträge die Schwellenwerte der EU-Vergaberichtlinien nicht, weil das geschätzte Auftragsvolumen vergleichsweise gering ist, liegen diese Aufträge im Unterschwellenbereich. Das bedeutet, dass hier das Haushaltsrecht von Bund und Ländern greift. 

Oberschwellenbereich 

Ab einer bestimmten Höhe des Auftragswertes findet jedoch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB, Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen) Anwendung, um einen effektiven und fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Die Vergabestellen in den Mitgliedsstaaten der EU sind verpflichtet, die Ausschreibungen nach den europäischen Vergaberichtlinien durchzuführen. Dabei wird zwischen Bauaufträgen, Dienstleistungsaufträgen und öffentlichen Aufträgen unterschieden. 

EU-Schwellenwerte 2022/2023

Die EU-Schwellenwerte berücksichtigen das aktuelle Marktgeschehen, Wechselkursschwankungen, Inflation usw. Sie werden alle zwei Jahre geprüft und in der Regel per EU-Verordnung für jede Auftragsart neu festgesetzt. Im Amtsblatt der Europäischen Union L 398/23 vom 11. November 2021 wurden „im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Vergabe öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge sowie für Wettbewerbe“ die für 2022/2023 geltenden Schwellenwerte festgelegt. Seit 01.01.2022 gelten für öffentliche Auftraggeber beispielsweise folgende Werte: 

  • Bauaufträge: € 5.382.000 

  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge: € 215.000 

  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge von obersten und oberen Bundesbehörden: € 140.000 

  • Konzessionsvergaben: € 5.382.000 

Wie läuft eine Direktvergabe ab?

Nach § 14 VgV können öffentliche Aufträge in bestimmten Ausnahmefällen durch eine Direktvergabe, das heißt ohne einen Teilnahmewettbewerb, vergeben werden. Für die Direktvergabe von Bauleistungen ist dies speziell in §§ 3 f. der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) geregelt.

Nicht zu verwechseln ist die Direktvergabe mit einem Direktauftrag. Bei diesem wird die gewünschte Leistung oder das gewünschte Produkt aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit direkt bestellt oder eingekauft. Dabei sind auch Online-Bestellungen durchaus üblich.  

Direktvergaben haben allerdings nicht immer den allerbesten Ruf. So empfinden einige Unternehmen diese Vergabe als undurchsichtig und/oder als ungerecht. 

Umstrittene Direktvergabe für App 

Der Fall der Vergabe einer Kontaktnachverfolgungsapp, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Rostock entschieden wurde, ist für den einen oder anderen vielleicht interessant, da die meisten von uns in den Anfängen der Coronazeit mit der App in Berührung gekommen sind. Anfang 2021 sollte schrittweise aus dem Coronalockdown zurückgekehrt werden. Auch das Land Mecklenburg-Vorpommern wollte dies unter anderem durch einzelne vorsichtige Öffnungsschritte umsetzen. Dabei sollte die Kontaktnachverfolgung in Papierform durch effektive Methoden ersetzt werden. Das Bundesgesundheitsministerium informierte die Länder jedoch, dass eine deutschlandweite elektronische Kontaktverfolgung noch längere Zeit in Anspruch nehmen würde. Das Land Mecklenburg-Vorpommern recherchierte dazu und erteilte ohne Ausschreibung und ohne Einholen weiterer Angebote dem Unternehmen A durch Direktvergabe den Auftrag. Damit war das Unternehmen B, das ebenfalls Apps entwickelt, jedoch nicht einverstanden und fühlte sich durch die Direktvergabe des Landes Mecklenburg-Vorpommern benachteiligt. Das Unternehmen B ließ die Entscheidung dieser Direktvergabe im Nachprüfungsverfahren prüfen, da es sich per E-Mail ebenfalls um die Vergabe des Auftrags beworben hatte. Das Land Mecklenburg-Vorpommern begründete seine Entscheidung der Direktvergabe mit der Brisanz und Eilbedürftigkeit einer Kontaktverfolgungsapp. Dem widersprach Unternehmen B, da zum Zeitpunkt der Direktvergabe noch keine kurzfristigen Lockerungen möglich waren und deshalb auch andere Unternehmen hätten berücksichtigt werden können.  

Das OLG Rostock entschied, dass die Direktvergabe rechtswidrig war und damit unwirksam ist (Beschluss vom 11.11.2021, Az.: 17 Verg 4/21). Auch in den Fällen einer Notvergabe muss ein gewisses Maß an Wettbewerb gewährleistet werden. Es hätten nach Ansicht des Gerichts so viele Angebote wie möglich eingeholt werden müssen. Dass dies zeitlich nicht möglich gewesen ist, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso gab es nachweislich auch noch andere Anbieter, die hätten berücksichtigt werden können. Und so lautete der Tenor: „Es wird festgestellt, dass der streitgegenständliche – zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossene – Vertrag vom 08.03.2021 über die Beschaffung der [Kontaktnachverfolgungsapp, Anm. der anwalt.de-Redaktion] unwirksam ist.“ 

Foto(s): ©Adobe Stock/mrmohock

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