Selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung? Risiken im Beitragsrecht

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Die Sozialversicherungspflichtigkeit eines Arbeitsverhältnisses entzieht sich weitgehend der freien vertraglichen Disposition. Maßgeblich sind in allererster Linie die tatsächlichen, die gelebten Verhältnisse und hier die Machtverhältnisse innerhalb der vertraglichen Beziehung.

Folgen einer fehlerhaften Beurteilung

Der Arbeitgeber haftet bei abhängiger Beschäftigung für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag grundsätzlich alleine und zwar auch für die Vergangenheit. Den Arbeitnehmeranteil darf er nur vom laufenden Lohn abziehen. Den Arbeitgeberanteil zahlt er zusätzlich. Unter Umständen verjährt eine solche Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber erst nach 30 Jahren. Das Risiko ist fatal:

Risiko Betriebsprüfung

Wenn im Rahmen einer Statusfeststellung oder einer Betriebsprüfung entschieden wird, dass eine Tätigkeit, die als selbstständige Tätigkeit konzipiert war, nach Auffassung der DRV Bund tatsächlich abhängige Beschäftigung darstellt, hat der Arbeitgeber/Auftraggeber ein ernsthaftes Problem. Zum einen haftetet er zu 100 % für Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile. 

Zum anderen werden empfindliche Säumniszuschläge erhoben. Zum dritten haftet der Arbeitgeber im Fall von Berufs- und Wegeunfällen für 100 % der Aufwendungen der Berufsgenossenschaft. Schließlich geht mit den Feststellungen der DRV in aller Regel eine Strafanzeige einher, weil zugleich der Straftatbestand des § 266a StGB erfüllt sein kann. 

Mit strafrechtlicher Verurteilung können Ausschlüsse im Vergabeverfahren, Berufs- und Tätigkeitsverbote oder der Verlust von erforderlichen Konzessionen einhergehen.

Lohnabzugsverfahren

Dem Arbeitgeber ist es in diesen Fällen verwehrt, den Arbeitnehmeranteil beim Beschäftigten zu regressieren oder mit laufenden Lohnansprüchen zu verrechnen. Der Gesetzgeber hat das in § 28g SGB IV auf drei Lohnabrechnungen begrenzt. Auch Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer (oder vormaligen Arbeitnehmer) wegen der Beitragsbelastung oder der Säumniszuschläge sind ausgeschlossen. 

Sogar Vereinbarungen zwischen den Parteien für den Fall, dass später ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt und Sozialabgaben angefordert werden sollten, sind nichtig und unwirksam. 

Rückabwicklung des vermeintlich freien Mitarbeiterverhältnisses vor dem Arbeitsgericht

Das Honorar des freien Mitarbeiters wird als Bruttoentgelt kalkuliert. Wenn der Arbeitgeber auf dieses Bruttoentgelt nun (nach der sog. Hochschleusung) den Gesamtsozialversicherungsbeitrag bezahlen muss, ist das eine ganz massive finanzielle Belastung. 

Das Bundesarbeitsgericht hilft in diesen Fällen mit seiner jüngeren Rechtsprechung; hiernach kann von dem Mitarbeiter erstattet verlangt werden, was dieser im Vergleich zur Entlohnung in einem regelgerechten Beschäftigungsverhältnis zu viel erhalten hat, zuletzt BAG, 26.06.19, 5 AZR 178/18.

Strafbarkeit – Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, § 266a StGB

Voraussetzung ist, dass dem Beitragsschuldner der Vorwurf gemacht werden kann, mit jedenfalls bedingtem Vorsatz gehandelt zu haben.

Der BGH für Strafsachen hat hierzu im vergangenen Jahr endlich entschieden, dass dieser Vorwurf nur gerechtfertigt ist, wenn der betreffende Arbeitgeber seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen hat. 

Soweit der Arbeitgeber über diese Tatsachen im Irrtum war, ist er nicht (mehr) strafbar. An der bis dahin geltenden – anderslautenden – Rechtsprechung hält der erste Senat ausdrücklich nicht mehr fest, BGH 24.09.19, NJW 2019, 3532.

Säumniszuschläge

Für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen auf 50 € nach unten abgerundeten Beitrags zu zahlen. Das sind 12 % p. a.!

Auch die Säumniszuschläge setzen voraus, dass dem Beitragsschuldner der Vorwurf gemacht werden kann, Kenntnis von der Beitragspflicht gehabt zu haben. Die zuvor skizzierte Rechtsprechung des BGH wird daher auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht Auswirkungen zeitigen müssen.

Neben dem Beitragsbescheid der DRV droht dem Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm 266a StGB, den die Einzugsstelle vor dem Landgericht geltend macht. Eine solche Forderung wegen vorsätzlicheer unerlaubter Handlung ist nicht von einer etwaigen Restschuldbefreiung bei Insolvenz des Arbeitgebers umfasst. Ein Insolvenzverfahren befreit dann nicht von der Zahlungspflicht!

Schlussfolgerung

Vermeiden Sie Beitragsrisiken! Lassen Sie sich rechtzeitig beraten! Hierzu ist in aller Regel nur ein Fachanwalt für Sozialrecht mit vertieften Kenntnissen im Beitragsrecht in Zusammenarbeit mit einem Fachanwalt für Wirtschaftsstrafrecht berufen. Steuerberater und Arbeitsrechtler helfen Ihnen unter Umständen mit einer ersten Einschätzung, die Sie aber im Zweifel weder strafrechtlich noch sozialversicherungsrechtlich entlastet.

Foto(s): Chr. Eberle


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