Selten: Bauträger dringt mit Berufung auf Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung durch!

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Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) hat den erstellenden Bauträger in Anspruch genommen. Letzterer hatte entgegen der Baubeschreibung verzinkte unlackierte Balkongeländer eingebaut. Auf Grundlage eines vorangegangenen Beweisverfahrens und den dort erhobenen Sachverständigenfeststellungen fordert die WEG Schadensersatz vom Bauträger in Höhe von rund € 90.000,00. Um diesen Betrag sei der Wert gemindert, der Bauträger habe sich mit dem fehlenden Anstrich diesen Betrag erspart. Zur Bemessung der Wertminderung stellte der Sachverständige darauf ab, dass die Dauerhaftigkeit von Zinküberzügen kaum einzuschätzen sei, während ein Lack nach ca. zehn Jahren renovierungsbedürftig sei. Eine Verzinkung halte normalerweise mehrere Jahrzehnte, weshalb eine Beschichtung technisch nicht erforderlich sei, zudem sei eine Verzinkung jahrzehntelang wartungsfrei, während nach einer Lackierung alle 15 Jahre Instandhaltungsaufwand anfalle. Das Landgericht hatte der Klage der WEG stattgegeben.

In der Berufung hebt das OLG Frankfurt die Entscheidung auf. Angesichts der Bestimmungen in Verträgen und Baubeschreibung liege in der abweichenden baulichen Ausführung zwar ein Sachmangel vor. Die Parteien eines Bauvertrages seien nicht gehindert, auch die Ausführung unsinniger Leistungen zu vereinbaren, hier den erheblichen Instandhaltungsaufwand erforderlich machenden Anstrich eines verzinkten Balkongeländers, das ohne gesonderten Anstrich lange haltbar und praktisch wartungsfrei sei. Die Abweichung der tatsächlich ausgeführten von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit begründe einen Mangel.

Allerdings liege ein ganz besonders seltener Ausnahmefall vor, in dem sich der Bauträger begründet darauf berufen könne, das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Die Mängelbeseitigung würde einen unverhältnismäßigen Aufwand im Sinne des § 635 III BGB auslösen. Einziger Vorteil einer nachträglichen Lackierung sei eine abweichende farbliche Gestaltung der mit den verzinkten Balkongeländern keineswegs unansehnlichen Häuser. Dem stünde der gravierende Nachteil erheblichen laufenden Instandhaltungsaufwands entgegen. Die WEG will den Mangel nicht beseitigen, sondern den Schadensersatz wie eine Minderung berechnen, was grundsätzlich möglich sei, aber nicht an die Ersparnis des Bauträgers während der Bauzeit, sondern nur an die Verkehrswertminderung anknüpfen könne. Daraus folge, dass der Schaden nicht anhand der Mängelbeseitigungskosten, sondern anhand der Minderung des Verkehrswerts des Baugrundstücks zu bemessen sei.     

Nachdem der im Berufungsverfahren angehörte Sachverständige überzeugend einräumte, dass der Verkehrswert des streitgegenständlichen Objekts durch die unterbliebene Lackierung der Balkongeländer nicht gemindert sei, fehlt es an einem Schaden der WEG. 

(OLG Frankfurt, 12.10.2015, 1 U 22/14)

Dr. Thomas Gutwin

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

WEISS GLIMM GUTWIN Rechtsanwälte Partnerschaft



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