Sieg vor dem LG Berlin in einem Finanzagentenfall auf Anspruchsgegnerseite "Romance Scamming"

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Meine Kanzlei hat einen erstinstanzlichen Sieg errungen vor dem Landgericht Berlin in einem Finanzagentenfall. Unsere Kanzlei vertrat dabei auf Anspruchsgegnerseite eine arglose Person, die als Finanzagent missbraucht wurde.

 Kurzsachverhalt 

 Die Kläger nahmen unseren Mandanten auf Schadensersatz in Anspruch mit dem Vorwurf dieser sei an einem so genannten „romance scamming" zu Lasten der Kläger beteiligt gewesen.

 Unser Mandant wurde von einem Bekannten seit Kindheitstagen, der in einem afrikanischen Land lebte, angesprochen, ob er einen Partnerschaftsvertrag / Arbeitsvertrag schließen möchte mit einer Firma  um sich etwas, Geld legal hinzuzuverdienen. Da ein Finanztransfer sowohl über Western Union als auch über einen lokalen  Bankaccount in dem afrikanischen Land teuer sei und auch länger dauern könne, erklärte sich unser Mandant bereit, Zahlungen entgegenzunehmen von inländischen und ausländischen Kunden der Firma. Im Vertrag war geregelt, dass unser Mandant 100 %der entgegengenommenen Summen an die Firma weitertransferiert, am Jahresende eine Abrechnung erstellt und dann auf die Summe eine Provision in Höhe von 1 % erhalten sollte. Provision erhielt unser Mandant letztlich aber nicht.

Die Klägerin überwies im Frühjahr 2019 von ihrem mit ihrem Ehemann als Gemeinschaftskonto geführten Konto mit dessen Einverständnis insgesamt fast 7.000,00 € € auf ein von unserem Mandanten in Deutschland geführtes Girokonto. Unser Mandant transferierte die Beträge in voller Höhe weiter an die Firma.

Die Klägerin gab in der Strafanzeige zuvor an, sie sei offensichtlich auf einen Betrüger hereingefallen. Sie schreibe in ihrer Freizeit mit Freunden und Bekannten auf einem Sozialen Netzwerk. Seit ca. Oktober 2018 habe sie sich mit einem Mann aus den USA geschrieben. Dieser habe im Verlauf des Austauschs von Nachrichten angegeben, er sei Arzt beim Militär, er einen 11-jährigen Sohn habe und seine Frau bei einem Autounfall tödlich verunglückt sei. Zunächst habe er angegeben, er sei in Syrien stationiert, solle aber in den Irak versetzt werden. Er habe perfekt auf Deutsch geschrieben und nach eigenen Angaben mehrere Sprachen gesprochen. Später habe er mitgeteilt, dass er 600,00 € für seinen Sohn überweisen müsse, wozu er in Syrien nicht in der Lage sei. Sein Sohn halte sich auch in den USA, aber in einem anderen Bundestaat, auf. Er habe gefragt, ob die Klägerin das Geld überweisen könne, was die Klägerin zunächst abgelehnt habe. Danach habe der vermeintliche amerikanische Arzt der Klägerin mitgeteilt, dass er in den Irak versetzt werde. Er wolle eine Box an die Klägerin versenden, in der sich Wertgegenstände und Geld befänden und dass er die Box der Klägerin schicken würde, da er ihr vertraue und niemanden weiter habe außer seinem Sohn und der Klägerin. Er wolle die Box bei der Klägerin abholen, wenn er im Juli in Deutschland sei; das habe er der Klägerin versprochen. Die Klägerin habe sich damit einverstanden erklärt, dass der vermeintliche amerikanische Arzt die Box an sie schickt. Die Klägerin sei dabei davon ausgegangen, dass die Box zu ihr nach Hause geliefert werden würde und der angebliche amerikanische Militärarzt sie dann abholen würde. Er habe nach ihrer genauen Adresse gefragt, die die Klägerin ihm mitgeteilt habe.

Dann habe die Klägerin eine E-Mail von einem Logistik Service aus Syrien erhalten. In dieser Mail sei mitgeteilt worden, dass die Box aufgegeben und an ihre Adresse verschickt worden sei. Die Box sei über Indonesien verschickt worden, dort sei das Paket geöffnet worden und festgestellt worden, dass der Wert zu hoch sei und in dem Paket Gold und Bargeld enthalten sein sollten. Sie, die Klägerin, habe nun Geld zahlen sollen, nämlich eine Flughafensicherheitsgebühr, um eine Konfiszierung der Frachtbox durch die Flughafenbehörde zu vermeiden.

Dies habe die Klägerin getan und im Nachhinein erst überlegt, was sie da getan habe. Sie habe anfänglich angenommen, dass das ehrlich gemeint gewesen sei und da der angebliche amerikanische Militärarzt immer geschrieben habe, dass sie ihm vertrauen könne. Als sie das erste Geld überwiesen habe bzw. das zweite Geld, sei ihr klar geworden, was sie gemacht habe, dass sie ihn eigentlich nur über Facebook kenne und keine Sicherheit habe.

Unstreitig war unser Mandant nicht die Person, die sich gegenüber der Klägerin als der amerikanische Militärarzt ausgegeben haben soll.

Die zuständige Staatsanwaltschaft stellte das mit dem Vorwurf der Geldwäsche geführte Verfahren gegen unseren Mandanten mit Verfügung vom 28.04.2020 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und verneinte auch einen hinreichenden Tatverdacht für einen Betrug durch unseren Mandanten.

 Wie entschied das Landgericht Berlin ?

 Es wies die Klage ab zu Gunsten unseres Mandanten (des dortigen Beklagten).

 Der Beklagte haftet den Klägern weder als Täter noch als Teilnehmer gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, urteilte das Landgericht Berlin.

 Der Beklagte ist nicht Täter eines Betruges zu Lasten der Kläger, entschied das LG Berlin, denn die Kläger haben nicht behauptet, dass der Beklagte die Person hinter der Identität des amerikanischen Militärarztes gewesen sei.

 Der Beklagte ist auch nicht Mittäter, urteilte das Landgericht Berlin. Die Kläger verwenden diesen Begriff zwar, in dem sie dem Beklagten vorwerfen, sein Konto unbekannten Mittätern zur Verfügung gestellt zu haben, zu tatsächlichen Voraussetzungen einer Mittäterschaft fehlte es aber schon ansatzweise an jeglicher Darlegung und auch an jeglichem Beweisangebot, entschied das LG Berlin.

Der Beklagte ist auch nicht Teilnehmer eines Betruges unbekannter Dritter zu Lasten der Kläger, entschied das LG Berlin. Dass unser Mandant von behaupteten Betrugsgeschehen wusste, hat er bestritten und ein Beweisangebot der Kläger fehlte.

 Der Beklagte haftet den Klägern auch nicht aufgrund einer Verletzung des § 263a StGB, entschied das LG Berlin. .

§ 263a StGB ist zwar ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Schon nach dem Klägervortrag liegt aber gar kein Computerbetrug gemäß § 263a StGB vor, stellte das LG Berlin fest. Denn die Kläger tragen vor, die Klägerin habe selbst im Einverständnis mit dem Kläger die Überweisungen ausgeführt.

Der Beklagte haftet den Klägern auch nicht aus der Verletzung eines Geldwäschetatbestandes auf Schadensersatz, entschied das LG Berlin.

Der Tatbestand der Geldwäsche ist zwar Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, wenn die Vortat in einem gewerbsmäßigen Betrug besteht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2018 — VI ZR 474/16 —, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 -VIII ZR 302/11, VersR 2013, 1012 Rn. 13 ff.); dies konnte das LG Berlin aber schon gar nicht feststellen. Da das LG Berlin einen gewerbs- oder bandenmäßigen Betrug nicht feststellen kann, fehlt es schon an der erforderlichen Grundvoraussetzung für das Vorliegen einer Geldwäsche durch den unseren Mandanten.  Die von den Klägern behauptete Tat kann grundsätzlich auch von einem Einzeltäter oder von nur zwei Tätern begangen werden, stellte das LG Berlin hierzu fest.

 Auch fehle es unter mehreren Gesichtspunkten an der erforderlichen Gewerbsmäßigkeit des behaupteten Betruges, stellte das LG Berlin zu Recht fest. Schon der objektive Tatbestand sei nicht erfüllt, aber es fehlt jeweils auch an den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer Geldwäschetat.

Dass der Beklagte davon wusste, dass die hier streitgegenständliche Beträge aus einem banden- oder gewerbsmäßigen Betrug stammten, haben die Kläger schon selbst nicht vorgetragen. Für ein solches positives Wissen sei aber auch sonst nichts ersichtlich, stellte das LG Berlin fest.

 Auch dass der Beklagte Umstände eines gewerbs- oder bandenmäßigen Betrugs für möglich gehalten, gleichwohl billigend in Kauf genommen habe, haben die Kläger schon selbst nicht vorgetragen. Die Annahme; der Gegenstand habe keine legale Herkunft, reicht nicht aus, entschied das LG Berlin.

 Der Beklagte hat auch nicht leichtfertig den Straftatbestand des § 261 Abs. 2 und 5 StGB erfüllt. Hier fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "Leichtfertigkeit" im Sinne des § 261 Abs. 5 StGB. Konkrete tatsächliche Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass sich dem Beklagten aufgedrängt hat, dass die ihm zufließenden Gelder aus einer - im Falle des § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StGB gewerbs- oder bandenmäßig begangenen -Katalogtat des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB stammen, vermochte das LG Berlin nicht festzustellen.

Unserem Mandanten ist nach dessen Vortrag das Geschäftsmodell, an dem er mitwirken sollte, dahin erläutert worden, dass Kunden der Firma vermittels seiner Einschaltung günstiger Zahlungen in ein afrikanisches Land leisten könnten. Ausweislich der Ermittlungsakte erfolgten auch Zahlungen von Absendern mit afrikanisch klingenden Namen. Aus welchen Gründen sich dem Beklagten aufgedrängt haben soll, dass diese Zahlungen aus einem gewerbs- und bandenmäßigen Betrug stammten, vermochte das LG Berlin dem Klägervortrag nicht zu entnehmen.

 Die Kläger haben gegen den Beklagten zuletzt auch keinen Anspruch aus Bereicherungsrecht, entschied das LG Berlin, denn hier liegt schon keine Leistungsbeziehung zwischen den Klägern und unserem Mandanten vor. Da unser Mandant nach den zu Grunde zu legenden Feststellungen zur Zeit des Empfangs der Zahlungen keine Kenntnis von den wahren Begebenheiten hatte, wurde sein Verständnis der von der Klägerin gesetzten Zweckbestimmung durch die für den Beklagten erkennbaren Umstände geprägt. Im Vorfeld war ihm hierzu aber mitgeteilt worden, dass das Geschäftsmodell dazu diene, dass Überweisungen in ein afrikanisches Land kostengünstiger durchgeführt werden können und er habe sich dazu bereit erklärt, Geld von in- und ausländischen Kunden Firma entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Unser Mandant musste die Zahlungen daher nicht als Leistung an sich verstehen.

Außerdem steht einem bereicherungsrechtlichen Anspruch der Kläger hier der Entreicherungseinwand unseres Mandanten entgegen, entschied das LG Berlin.

Dieser Einwand greift durch, denn unser Mandant hat -insoweit unwidersprochen -vorgetragen, dass er das Geld weiter überwiesen habe und darüber nicht mehr verfüge.

Ebenso unwidersprochen hat unser Mandant vorgetragen, dass er keine Provisionen erhalten habe und der Beklagte ist insoweit schon gar nicht bereichert.

Der Beklagte haftet auch nicht verschärft gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB, entschied das LG Berlin.

Dass unser Mandant wusste oder sich der Erkenntnis verschlossen hat, dass es zwischen dem Empfänger der Zahlungen und den Klägern an einem Rechtsgrund fehle, haben die Kläger nicht vorgetragen.

Dass unser Mandant  wusste oder sich bewusst der Erkenntnis verschlossen hat, dass es zwischen ihm und den Absendern der Geldbeträge an einem Rechtsgrund fehle, konnte das LG Berlin nicht feststellen.

Dass unser Mandant  gewusst hat, dass es den Zahlungen ihm gegenüber an einem Rechtsgrund fehle, haben die Kläger selbst nicht behauptet. Der Beklagte hat im Übrigen hierzu aber auch Vortrag geleistet, der dem entgegen steht.

 Zum Schluss

Letztendlich hat das LG Berlin die Klage gegen den Finanzagenten folgerichtig sehr gut vertretbar abgewiesen. Erfolgreich Ansprüche gegen sog. „Finanzagenten“ durchzusetzen ist schwierig und erfordert bereits einen sehr fachkundigen Vortrag. Erfolgt ein solcher nicht in ausreichender Weise, ist eine solche Klage bereits unschlüssig und daher abweisungsreif.   



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