Sind Ausgangsbeschränkungen rechtmäßig?

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Grundrechtseingriff

Ausgangssperren und -beschränkungen greifen tief in die Grundrechte der Menschen ein. Insbesondere betroffen ist die Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) aber auch die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG, die Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG.

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung/„Schranke“

In Deutschland bedarf es für die Rechtmäßigkeit eines Grundrechtseingriffes immer einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Juristen sprechen hier von einer „Schranke“.

Denn die Grundrechte haben zwar einen enorm hohen Stellenwert, sie sind jedoch nicht grenzenlos gewährleistet. An diese „Schranke“ werden je nach Grundrecht unterschiedliche Anforderungen gestellt. 

In unserem Fall am Beispiel des Eingriffs in die Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG regelt Satz 3, dass in dieses Recht nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden darf.

Konkurrenz zu den Polizeigesetzen

Eine solche „Schranke“ kann im Falle von der Anordnung von Ausgangsbeschränkungen und allgemeinen Ausgangssperren das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sein.

Ebenso wie die Landespolizeigesetze handelt es sich bei dem Infektionsschutzgesetz um ein Gesetz zur Gefahrenabwehr. Damit gehört es als spezielles Gebiet der Gefahrenabwehr zum Polizeirecht und somit zum Verwaltungsrecht. 

Wie auch innerhalb der Polizeigesetze, wo die polizeirechtliche Generalklausel immer nur dann Anwendung finden kann, wenn keine spezialgesetzlichen Regelungen existieren, gehen auch hier die Maßnahmen aus dem Infektionsschutzgesetz vor.

Zweck des Gesetzes ist es gem. § 1 Abs. 1 IfSG, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Für die Benennung der zuständigen Behörden ist gem. § 54 IfSG die jeweilige Landesregierung zuständig. 

Die Landesregierung haben die genauen Zuständigkeiten jeweils in den länderspezifischen Infektionsschutzgesetz-Zuständigkeitsverordnungen (IfSGZustVO) geregelt. Danach sind etwa in Hessen die Gesundheitsämter bei den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Durchführung des Gesetzes verantwortlich.

§ 30 IfSG regelt ausdrücklich die Anordnung von Quarantäne. Ist eine Person der Erkrankung „verdächtig“, kann sie in einem Krankenhaus oder „in sonst geeigneter Weise abgesondert werden“. Gem. § 31 IfSG ist sogar ein berufliches Tätigkeitsverbot möglich. Aber welche Norm des IfSG regelt nun, dass Ausgangsbeschränkungen verhängt werden können?

Ermächtigungsgrundlage

Der aktuell viel zitierte § 28 IfSG stellt eine sog. „Generalklausel“ dar, welche regelt, dass die zuständigen Behörden die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ treffen können. Solche „Generalklauseln“ zeichnet sich meist durch ihre wenig konkrete Formulierung aus, um als eine Art „Auffangnorm“ auch in nicht vorhersehbaren Fällen herangezogen werden zu können. Ausgangsbeschränkungen werden nicht explizit erwähnt.

Der Paragraf regelt jedoch, dass Personen verpflichtet werden können, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Auch wenn diese Regelung bereits nach ihrem Wortlaut nur nach einer Ermächtigung im Einzelfall klingt, stützen diejenigen Behörden, die bisher Ausgangsbeschränkungen verhängt haben (wie bspw. das Bayerische Staatsministerium), diese auf Art. 28 Abs 1 Satz 1 und 2 IfSG.

Verhältnismäßigkeit/„Schranken-Schranken“

Die „Schranke“ allein stellt jedoch noch keine Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff dar. Neben anderen Voraussetzungen muss die Regelung, die zum Grundrechtseingriff führt, vor allem verhältnismäßig sein. Die „Schranke“ selbst, wird also wieder eingeschränkt, Juristen sprechen von den sog. „Schranken-Schranken“.

Das heißt, die Regelung muss ein verfassungslegitimes Ziel verfolgen. Dieses kann man vorliegend dem bereits zitierten § 1 IFSchG entnehmen. Weiterhin muss das gewählte Mittel geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen oder zumindest zu fördern. Darüber hinaus muss das Mittel erforderlich sein. Das heißt, es darf keine Alternative geben, die milder aber gleich wirksam ist. Zuletzt muss das Mittel angemessen sein. Das bedeutet, dass hier die widerstreitenden Rechtsgüter – Gesundheitsschutz der Allgemeinheit gegenüber der Freiheit der Person – in einer Zweck-Mittel-Relation gegeneinander abzuwägen sind.

Allgemeinverfügung

Das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat bereits die „Vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie“ erlassen. Die Allgemeinverfügung wurde am 20.03.2020 bekanntgemacht. Eine Allgemeinverfügung ist eine Form des Verwaltungsaktes und in § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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