Strafrechtliche Handreichungen für Geschäftsführer in der Krise, insb. Insolvenz (inkl. "Corona")

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Handreichungen für Geschäftsführer zu strafrechtlichen Konsequenzen einer Insolvenz – unter Berücksichtigung der Corona-Regelungen

Mit Auftreten des Coronavirus und den staatlichen Anordnungen nach dem InfSchG sind viele Unternehmen unvermittelt einer Existenzbedrohung ausgesetzt.

Auf die strafrechtlichen Risiken und Konsequenzen soll nachfolgend eingegangen werden:

1. Wann besteht eine Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen?

Im Falle einer Insolvenz einer juristischen Person (z. B. GmbH, UG) ist nach Feststellung einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzantrag zu stellen, §§ 16–19 InsO. Dieser Insolvenzantrag ist grundsätzlich unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern zu stellen (§ 15a InsO).

Die Dreiwochenfrist des § 15 InsO kann ausgeschöpft werden, wenn der GF Aktivitäten versucht, die Gesellschaft zu sanieren.

In dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie ...", das rückwirkend zum 1.3.2020 in Kraft getreten ist) wird die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nach § 15a InsO bis zum 30.9.2020 ausgesetzt.

Aber: Dies gilt nicht, wenn die Insolvenz nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Coronavirus beruht oder wenn keine Aussicht besteht, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

War der Schuldner am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. 

Hieraus ergeben sich Probleme:

Liegt der Insolvenzgrund nicht in einer ab dem 01.01.2020 bestehenden Zahlungsunfähigkeit (z. B. Umsatzeinbruch), sondern hat die ZU andere Gründe oder – noch gefährlicher – liegt eine Überschuldung vor, welche zur Insolvenzreife führt, bleibt es dabei, dass unverzüglich ein Insolvenzantrag gestellt werden muss.

2. Was passiert nach der Stellung eines Insolvenzantrags?

Wird ein Insolvenzantrag gestellt, prüft das Insolvenzgericht den Fall und bestellt einen Insolvenzverwalter. Die Unternehmensinsolvenz wird gemäß IX Ziffer 3 MiZi (Anordnung über Mitteilung in Zivilsachen) von dort an die zuständige Staatsanwaltschaft (StA) gemeldet. Dort wird standardmäßig überprüft, ob im Zusammenhang mit der Insolvenz strafbare Handlungen passiert sind.

Achtung: Statistisch wird dann in mehr als der Hälfte der mitgeteilten Fälle tatsächlich ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer (GF) eingeleitet!

Die StA prüft den Sachverhalt zunächst ohne dass bereits ein Beschuldigter eingetragen wird. Das Verfahren ist standardisiert und die Vorermittlungen werden üblicherweise von einer Mitarbeiter/In der StA (z. B. Diplombetriebswirt/in) geführt. Hiervon bekommt der GF meist nichts mit.

Es werden im Rahmen der Vorermittlung verschiedene Informationen eingeholt, wie z. B.:

  • Beiziehung der Insolvenzakte, Einsicht in Bilanzen
  • Einholung von Auskünften bei dem für das Unternehmen zuständigen Gerichtsvollzieher (um zu klären, ab wann Pfändungen erfolgten)
  • Anfragen bei den Krankenkassen (ob Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig oder gar nicht bezahlt wurden).

Ergeben sich Anhaltspunkte, dass in der Vergangenheit strafrechtlich relevante Fehler gemacht wurden, wird wegen des bestehenden Anfangsverdachts dann ein Ermittlungsverfahren gegen den GF eingeleitet. 

Ab diesem Moment wird der genannte GF zum Beschuldigten. Bei mehreren GF oder sog. „faktischen GF“ können auch mehrere Personen Beschuldigte sein.

Stellt also ein GF, weil er aus Gründen des plötzlichen Geschäftszusammenbruchs keine Weiterführungsmöglichkeit sieht, einen Insolvenzantrag, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass gegen ihn anschließend ermittelt wird.

Es ist also im Vorfeld in jedem Fall zu klären, welche Straftatbestände schon vor der Corona-Krise möglicherweise erfüllt waren und welche strafrechtlichen Sanktionen durch die Antragsstellung zu erwarten sind. Diesen Risiken sind sich der GF und auch häufig der beteiligte Steuerberater im Vorfeld gar nicht bewusst.

3. Was passiert, nachdem der GF Beschuldigter ist?

In einem nächsten Schritt versucht die StA, die Vorwürfe zu konkretisieren. Es werden

  • die Gläubiger angeschrieben,
  • Unterlagen angefordert,
  • beim BaFin die Kontoverbindungen ermittelt,
  • die Jahresabschlüsse der Gesellschaft eingesehen,
  • HR-Auszüge angefordert,
  • Einkünfte beim Finanzamt eingeholt,
  • die Berichte des Insolvenzverwalters angefordert, 
  • ggf. Durchsuchungen vorgenommen (Achtung: Hierfür reicht ein Anfangsverdacht!)

Das Unternehmen wird komplett durchleuchtet, um die notwendigen Beweismittel zusammen zu tragen. Spätestens mit einer Durchsuchung oder in Laufe dieser Ermittlungen wird der GF darüber informiert, welcher Straftaten er im Rahmen der Insolvenz verdächtig ist, mit der in Strafverfahren üblichen Belehrung. (Schweigerecht, Recht einen Verteidiger hinzuzuziehen usw.).  

4. Welche typischen Insolvenzstraftaten gibt es?  

Nachfolgend einige der „Klassiker“ im Insolvenzstrafrecht, welche regelmäßig vorkommen. Trotz guter steuerlicher oder anwaltlicher Beratung mag dies für den Berater nicht immer erkennbar gewesen sein, weil es sich bei Insolvenzstrafrecht um eine Sondermaterie handelt.

a) Straftaten in Bezug auf Sozialversicherungsbeträge, § 266a StGB

Dass die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen strafbar ist, dürfte weitgehend bekannt sein. Weniger bekannt ist, dass die Beiträge vorrangig vor allen anderen Forderungen bezahlt werden müssen, solange die Gesellschaft die Zahlungen nicht völlig eingestellt hat.

Häufig werden Sozialversicherungsbeiträge zwar vollständig bezahlt aber nicht rechtzeitig. 

Nach § 266a StGB ist aber auch die verspätete Zahlung strafbar. Eine Selbstanzeige mit Nachentrichtung wird nur bei der Strafzumessung berücksichtigt.

b) verspätete Insolvenzanmeldung, § 15a InsO

Siehe hierzu oben!

c) Buchführungsdelikte, § 283b StGB

  • verspätete, nicht- oder fehlerhaft erstellte Bilanzen
  • schlechte/unvollständige Buchführung
  • Beiseiteschaffen von Vermögensteilen

Praxishinweis: Häufig werden Bilanzen nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen erstellt. Solange keine Insolvenz droht, ist es unschädlich. Wenn aber Insolvenz angemeldet wird, kann dies ein Bankrottdelikt darstellen.

d) Betrug, § 263 StGB

Wer Waren bestellt oder Leistungen in Auftrag gibt und schon in Zahlungsschwierigkeiten steckt, kann einen Betrug begehen. Sehr häufig wird dem GF vorgeworfen, er habe die Nichtzahlung billigend in Kauf genommen.

e) Untreue, § 266 StGB

Beispiel: Entnimmt man der Gesellschaft Gelder um dringende private Verbindlichkeiten zu begleichen, kann dies den Tatbestand der Untreue verwirklichen. In diesen Fällen hat der GF häufig nicht einmal ein schlechtes Gewissen, weil er beispielweise früher schon privates Geld in die Firma gesteckt hat.

5. Was sind die Folgen solcher Insolvenzstraftaten?

Insolvenzstraftaten ziehen nicht nur strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Auch gesellschaftsrechtlich, zivilrechtlich oder steuerrechtlich können sich erhebliche Folgen ergeben.         

a) strafrechtliche Folgen

Die strafrechtlichen Folgen richten sich nach dem begangenen Delikt, der Zeitdauer der Taten und der Höhe der Schäden.

Bei den StA existieren interne Tabellen, wie bestimmte Delikte im Regelfall geahndet werden sollen. Diese Strafmaßtabellen sind nicht öffentlich und können je nach StA unterschiedlich sein. Aus diesem Grund möchten wir hier auch keine Regelsätze nennen.

In der Abschlussverfügung entscheidet die StA, welchen Weg das Verfahren weiter nehmen soll. Varianten:

  • Einstellungen nach § 170 II StPO (keine Tat nachweisbar)
  • Einstellung nach §§ 153 oder 153a StPO wegen geringer Schuld 
  • Geldstrafe (bei mehr als 90 TS ist man vorbestraft) 
  • Anklage zum AG/LG

Welche Variante von der StA gewählt wird, kann im Vorfeld nur nach Prüfung des Einzelfalls prognostiziert werden.  

b) zivilrechtliche Folgen

In zivilrechtlicher Hinsicht haftet der GF ab dem Zeitpunkt, ab dem die Gesellschaft insolvent war, mit seinem Privatvermögen, sodass ihm die vermeintlich beschränkte Haftung einer GmbH nicht mehr schützt. Mögliche Konsequenzen und Folgen sind jeweils im persönlichen Beratungsgespräch zu klären.

c) gesellschaftsrechtliche Folgen

Das deutsche Gesellschaftsrecht ist in Bezug auf die Zuverlässigkeit von GF recht streng. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG kann GF nicht mehr sein, wer sich wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten der Insolvenzverschleppung, wegen Insolvenzstraftaten §§ 283 bis 283d des StGB, oder wegen Straftaten nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des StGB zu einer Freiheitsstrafe von mind. einem Jahr verurteilt wurde.

Die StA sind mit Verfahrenseinstellungen nach unserer Erfahrung zögerlich, weil eine Sperre für den GF gewollt ist. 

6. Was kann man tun?

Es ist wichtig, bereits vor Stellung eines Insolvenzantrags auch die strafrechtlich relevanten Aspekte genau zu prüfen. Leider wird oft erst dann ein Strafverteidiger eingeschaltet, wenn das Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet wurde.

Manches lässt sich im Nachhinein nicht mehr bereinigen; manche Fehler lassen sich allerdings noch korrigieren. In jedem Fall sollte der GF wissen, was auf ihn zukommt und wie er sich gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Ermittlungsbehörden am besten verhält.  

Wenn bereits ermittelt wird, ist Schweigen der erste und beste Rat. Der Versuch, den ermittelnden Beamten die Sachlage erklären zu wollen, geht meist schief, weil die Rechtslage kompliziert ist und man sich um Kopf und Kragen reden kann.

Es ist dringend anzuraten, erst Akteneinsicht zu nehmen und dann eine Verteidigungsstrategie auszuarbeiten. Ein Strafverteidiger kann die Ermittlungs- und Insolvenzakten, die der StA vorliegen, anfordern. Der Mandant sollte eine Kopie der Akte bekommen, um die Chancen und Risiken fundiert besprechen zu können.

Das weitere Vorgehen richtet sich individuell am jeweiligen Fall aus und findet sich in keinem Lehrbuch.

Rechtsanwälte Jofer, Lajtkep & Kollegen

Kanzlei für Strafrecht

Dr. Robert Jofer


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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