Tagegeld-Versicherung darf Vertrag nicht beenden

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Mit rechtskräftigem Urteil vom 28.07.2020 hat das Amtsgericht Menden festgestellt, dass die private Krankentagegeldversicherung meiner Mandantin nicht wegen Berufsunfähigkeit zum 30.11.2018 geendet hat, sondern über den 30.11.2018 hinaus unverändert fortbesteht.                

Die 1966 geborene Angestellte hatte bei ihrer privaten Krankenversicherung auch eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen. Der Tarif T43 sicherte ihr bei Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in Höhe von 18 Euro ab dem 43. Tag zu. Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach dem medizinischen Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keine anderweitigen Erwerbstätigkeiten nachgeht.

Nach § 15 Abs. 1 b MB/KT endet das Versicherungsverhältnis der versicherten Person mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit soll vorliegen, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund in dem bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit zu mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Besteht zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem die Beklagte ihre im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit.

Die Mandantin musste sich sowohl an der rechten als auch an der linken Hüfte mehreren Operationen im Zeitraum 2016 bis 2017 unterziehen. Nach einer absolvierten Rehabilitationsmaßnahme ist sie weiterhin in orthopädisch-ambulanter Nachbehandlung und macht Reha-Sport. Sie ist weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Nachdem ein Gutachter der Versicherung meine Mandantin zweimal untersucht hatte, ging dieser von Berufsunfähigkeit in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf aus. Im Mai 2018 erklärte die Versicherung, die Mandantin sei seit März 2018 berufsunfähig. Ihre Krankentagegeldversicherung ende deshalb spätestens zum 30.11.2018. Nach mehrfachen erfolglosen außergerichtlichen Versuchen habe ich Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass die private Krankentagegeldversicherung der Mandantin nicht zum 30.11.2018 geendet hat, sondern über den 30.11.2018 hinaus unverändert fortbesteht, weil die Mandantin nicht berufsunfähig ist.

Das Gericht hat der Klage in allen Punkten stattgegeben. Der gerichtliche Sachverständige hatte erklärt: Aus den von der Versicherung eingeholten Gutachten seien Tatsachen für eine Berufsunfähigkeit meiner Mandantin überhaupt nicht zu erkennen. Die medizinischen Feststellungen begründeten keine sachliche Prognosegrundlage für eine Berufsunfähigkeit. Aus beiden Gutachten würden sich keine gesundheitlichen Verschlechterungen ergeben. Einziger Unterschied in der Befunderhebung sei ein Druckschmerz in der linken Hüfte der Mandantin und eine schmerzhafte Einschränkung der dortigen Hüftbewegung.

Irgendeine differenzierte Auseinandersetzung mit der konkreten, zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit der Mandantin vor ihrer Arbeitsunfähigkeit, erfolge in beiden Gutachten nicht. Der Sachverständige begründe nicht, warum die Mandantin ihren Beruf als Industriekauffrau nicht mehr ausüben könne, obwohl sie überwiegend sitzend tätig gewesen sei.

Die Beklagte sei für den Eintritt der Berufsunfähigkeit der Versicherungsnehmerin beweisfällig. Diesen Beweis habe sie im Prozess nicht erbracht. Die Ansicht der Beklagten, bereits aus dem Antrag der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente ergebe sich deren Berufsunfähigkeit, überzeuge nicht. Die Klägerin habe nachvollziehbar erklärt, es sei erforderlich, diesen Antrag zu stellen, um nicht nach Auslaufen des Krankentagegeldes bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf andere Sozialleistungen angewiesen zu sein. Es bestünde auch keine Verpflichtung oder Obliegenheit der Mandantin, weitere Unterlagen aus dem Schriftwechsel mit der Deutschen Rentenversicherung vorzulegen oder deren Beiziehung der Akte zuzustimmen. Die sich in der Akte zur Erwerbsminderungsrente erfassten Gesundheitsdaten hätten hohen Persönlichkeitsschutz. Die Beklagte habe auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in voller Höhe zu tragen.

(Amtsgericht Menden, Urteil vom 28.07.2020, AZ: 3 C 262/18)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht und Verkehrsrecht


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