Terminabsagen im Abgasskandal - VW spielt auf Zeit

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Da leiden die Nerven: Wenn der Termin für die mündliche Verhandlung zum wiederholten Mal abgesagt und neu angesetzt wird, dann ist das gerade im Abgasskandal rund um den VW Bulli sehr ärgerlich, denn das Auto leidet wie kaum ein anderes Modell unter den Folgen des Zwangsupdates. Die betroffenen Besitzer müssen in der Wartezeit mit weiteren Reparaturen rechnen und fahren Kilometer auf das Auto, für die man später im Rahmen der Regelung zum Nutzungsentgelt zahlen muss. 

In einem aktuellen Fall treibt es Volkswagen nun auf die Spitze – auch der mittlerweile vierte Termin zur Regelung eines Schadenersatzanspruchs eines Bulli-Besitzers wurde vom Gericht gecancelt, da sich die Großkanzleien des Konzerns nicht in der Lage sehen, den Termin wahrzunehmen und Gericht und Beklagte keinen Weg finden, eine Online-Verhandlung zu realisieren. Rechtsanwältin Nicole Bauer kennt die Tricks der gegnerischen Parteien: „In diesen Zeiten mag man gern auf die aktuellen Corona-Bestimmungen hinweisen und auf dieses Basis eine Verlegung von Gerichtsterminen fordern – allerdings ist es in der Diskussion entscheidend, ob die Möglichkeit Recht zu sprechen, eine aufschiebbare Angelegenheit ist oder nicht!!“ 

In einem von der Kooperationsanwältin der IG Dieselskandal geführten Verfahren vor dem LG Hof wurde der Antrag auf Verschiebung eines Verfahrens im Abgasskandal abgelehnt und dies wie folgt begründet: „Da ein Ende der Pandemie nicht abzusehen ist, kann auch nicht auf unabsehbare Zeit zugewartet werden!“ Das Gericht führt an, dass eine Verfahrensunterbrechung ansonsten Paragraf 245 der Zivilprozessordnung entspräche. Dieser trägt die Überschrift „Unterbrechung durch Stillstand der Rechtspflege“ und meint damit die Aussetzung von Verfahren im Fall eines Krieges. 

Dazu hat das Landgericht Saarbrücken bereits dezidiert geurteilt und keinen Stillstand der Rechtspflege durch Corona-Pandemie (§§ 227 Abs. 2, 245, 404a ZPO) festgestellt (AZ: 15 OH 61). Ein selbständiges Beweisverfahren ist durch die Corona-Pandemie nicht gemäß § 245 der Zivilprozessordnung unterbrochen, da es infolge der Corona-Pandemie nie zu einem Stillstand der Rechtspflege gekommen sei. Allein die Furcht einer Partei vor einer Corona-Infektion genügt nicht.  Ein Prozessbevollmächtigter, der angesichts der fortdauernden Corona-Pandemie wegen seiner gesundheitlichen Situation davon ausgeht, Termine nicht wahrnehmen zu können, muss Vorsorge für eine Vertretung treffen, da in solchen Fällen immer nur eine Einzelfallbetroffenheit zugrunde gelegt werden kann.  Wer z-.B. vorerkrankt ist, hat Anspruch auf einer Verfahrensverlegung, wenn sein Erscheinen unabdingbar ist. Dieses Argument kann aber nicht die Kanzlei als Ganzes in Anspruch nehmen. 

Rechtsanwältin Bauer: „Für das Gericht ist ein Verhandlungstermin halt nur dann verschiebbar, wenn konkrete Begründungen vorliegen. Die aktuellen Corona-Regeln reichen dazu nicht aus! Volkswagen spielt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf Zeit!“ Betroffenen Klägern empfiehlt sie, sich über ihre Anwälte gegen die Absage von Terminen zur Wehr zu setzen. Da Absagen immer gut begründet werden müssen, sollten diese Begründungen hinterfragt werden. Das Gericht selbst kann keinen Grund für eine Verfahrens-Verlangsamung haben denn es gilt der Beschleunigungsgrundsatz. So wird im Prozessrecht der Grundsatz bezeichnet, dass das Verfahren so zügig wie möglich durchgeführt werden sollen ( § 272 ZPO). Ausdruck des Beschleunigungsgrundsatzes ist z.B. § 272 ZPO. Videokonferenzen sind nach § 128a ZPO zulässig. Allerdings kann das Gericht darin einen nicht vertretbaren Aufwand sehen. 

Eine Verlegung ist für die Geschädigten grundsätzlich nachteilig, weil der Zuwachs an Nutzungsentgelt meist den erhöhten Zinsersatz nicht aufwiegt. Bauer: „Je mehr Kilometer das Auto während der Verfahrensdauer bewegt wird, je höher ist das Nutzungsentgelt! Ein Gemeinwohl-Interesse der VW-Kanzleien möchte ich ausschließen!“



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