Unterbringung nach § 63 StGB droht?

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Nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung

In vielen Strafverfahren vor den Landgerichten geht es um die Frage, ob der Beschuldigte neben der eigentlichen Strafe eine sogenannte Maßregel bekommt. Gemeint sind die Maßregeln nach §§ 63, 64 oder 66 StGB:

§ 63 StGB ist die Unterbringung in der Psychiatrie

§ 64 ist die Alkohol- bzw. Drogentherapie

§ 66 ist die Sicherungsunterbringung bei Sexualstraftätern

Unterbringung nach § 63 StGB

Wenn der Beschuldigte nach § 63 in der Psychiatrie untergebracht wird, erfolgt die Unterbringung bis auf Weiteres. Das bedeutet, dass der Verurteilte frühestens nach Ende der Freiheitsstrafe entlassen wird, dass seine Entlassung allerdings zudem von der Prognose der Ärzte abhängt.

Falls also die Ärzte in der Psychiatrie nach 10 Jahren noch der Überzeugung sind, dass der Verurteilte noch nicht geheilt ist, so wird er nicht entlassen werden. In Einzelfällen kann es daher tatsächlich passieren, dass jemand wegen einer tatsächlich begangenen Tat wegen Schuldunfähigkeit nicht verurteilt wird, jedoch in der Psychiatrie untergebracht wird und diese möglicherweise erst nach 20 Jahren verlassen kann. In diesem Fall wäre die Unterbringung tatsächlich schlimmer als eine lebenslange Freiheitsstrafe – hier wird man nach 15 Jahren entlassen.

Therapie nach § 64 StGB

Falls der Mandant die Alkohol- oder Drogentherapie nach § 64 – in der Regel zwei Jahre – durchsteht, kommt er in den meisten Fällen danach zur Bewährung raus, d. h. er spart sich möglicherweise große Teile der eigentlichen Freiheitsstrafe.

Unterbringung nach § 66 StGB

Die Unterbringung nach § 66 StGB funktioniert ähnlich wie die nach § 63 StGB: Der Sexualstraftäter kommt zur Sicherung der Allgemeinheit in die Sicherungsunterbringung und wird erst dann entlassen, wenn seine Gefährlichkeit soweit reduziert ist, dass seine Freilassung verantwortet werden kann. Aus diesem Grund wird die Unterbringung nach § 66 häufig als „schärfstes Schwert des Strafrechts“ bezeichnet.

So wurde 2020 beispielsweise der Würzburger Logopäde, der 6 Jungen missbraucht und vergewaltigt hatte, nicht nach § 66 StGB untergebracht, weil der Sachverständige Prof. Dr. Nedopil der Ansicht war, dass der Logopäde therapierbar und eine Unterbringung daher nicht erforderlich sei.

Voraussetzungen des § 63 StGB

Da die Unterbringung nach § 63 StGB ein gravierender Eingriff ist, stellt der Bundesgerichtshof immer wieder erhebliche Hürden dafür auf. Zuletzt ist dies geschehen mit Beschluss vom 09.01.2020 (2 StR 520/19).

Danach kommt eine solche Unterbringung nur dann in Betracht, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Betroffene wegen seines Zustands auch in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Das seien nur solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben.

Das heißt auf gut deutsch: Es reicht nicht aus, dass jemand psychisch krank ist und eine Straftat begeht. Vielmehr muss zu befürchten sein, dass er auch in Zukunft erhebliche Straftaten – also nicht nur eine Körperverletzung oder einen Diebstahl – begehen wird.

Der Bundesgerichtshof hat weiterhin ausgeführt, dass dabei eine Prognose zu erstellen ist, welche wiederum eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen (Vorleben, Anlasstat) erfordert. Anders gesagt: Das Gericht muss sich ausführlich mit der Persönlichkeit des Täters, mit den Umständen der Tat sowie damit auseinandersetzen, welche Taten von den Beschuldigten in Zukunft gerade aufgrund seines Zustandes zu erwarten sind.

In der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof insbesondere gesagt, dass bei der Gefährlichkeitsprognose eine nur geringfügige Vorbelastung (Vorstrafen) trotz jahrelang fehlender Behandlung der psychischen Erkrankung oder auch die mehrfache Bereitschaft, sich medizinische Hilfe zu suchen, zu berücksichtigen. Auch ein fehlendes aggressives Verhalten gegen andere während der Unterbringung spielt hier eine Rolle.

Bei dem Betroffenen in der BGH-Entscheidung handelte es sich um einen typischen Fall: Der Betroffen lebte zurückgezogen in einer kleinen Wohnung und bezog Hartz IV. Seit seiner Jugend konsumierte er Cannabis und Alkohol. Im Rahmen früherer Aufenthalte in der Psychiatrie wurden unter anderem diagnostiziert eine schizoaffektive Psychose, eine Depression, eine paranoide Schizophrenie sowie schädlicher Cannabis-, Amfetamin- und Alkoholgebrauch.

Das Gericht führte jedoch aus, dass der Betroffene über etwa 12 Jahre ohne ärztliche Betreuung zurechtgekommen sei, immer wieder auf Eigeninitiative medizinische Hilfe gesucht und lediglich eine einzige Vorstrafe wegen Besitzes von Amfetamin habe. Er habe sich zudem widerstandslos festnehmen lassen und in der vorläufigen Unterbringung kein aggressives Verhalten gezeigt.

Aus diesen Gründen wurde das Urteil aufgehoben und die Sache musste erneut verhandelt werden.

Fazit: Die Entscheidung zeigt – mal wieder – die sehr zurückhaltende Einstellung des Bundesgerichtshofs gegenüber der Unterbringung nach § 63. Die Richter sind sich der Tatsache bewusst, dass eine Unterbringung nach § 63 mitunter Jahrzehnte dauern kann. Aus diesem Grund soll der „63er“ nur in krassen Ausnahmefällen angewendet werden.


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