Wann ist ein Dienstunfall bei Beamten anzuerkennen?

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Wann wird ein Dienstunfall beamtenrechtlich anerkannt? Wann handelt es sich bei einem erlittenen Körperschaden um eine Unfallfolge?

Mit diesen Fragen hat sich das BVerwG zuletzt z. B. im Urteil vom 12.12.2019 (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 A 1/19 –, juris) beschäftigt.

Dienstunfall

Zunächst fragt sich: Was ist ein Dienstunfall? Die Beantwortung ergibt sich aus dem jeweils einschlägigen Beamtenversorgungsrecht.

In Thüringen ist beispielsweise in § 26 Abs. 1 ThürBeamtVG bestimmt, dass ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis ist, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

Zum Dienst gehören u. a. auch Dienstreisen und Aus- oder Fortbildungsreisen, die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und ggf. bestimmte Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst bzw. im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften.

Vergleichbare Regelungen enthalten die Beamtenversorgungsgesetze des Bundes (vgl. § 31 Abs. 1 BeamtVG) und anderer Länder.

Sachverhalt und Urteil des BVerwG 

Im Klageverfahren zu der Entscheidung des BVerwG vom 12.12.2019 ging es um die Anerkennung eines Dienstunfalls eines (seit 2017 auf seinen Antrag im Altersruhestand befindlichen) Beamten beim BND (a.a.O.). Der Kläger war zuvor mehrfach im Ausland (u. a. von 2004-2006 im Irak, 2011 für mehrere Wochen in Pakistan und von 2013-2016 ca. drei Jahre in Afghanistan) eingesetzt (a.a.O.).

Während des Auslandsaufenthalts im Irak wurde im November 2004 die Unterkunft des Klägers beschossen (a.a.O.). Nach seinen Angaben wurde auch er von den Angreifern beschossen und hat zurückgeschossen (a.a.O.). Im Anschluss entwickelte er Schlafstörungen und verlor wegen Appetitlosigkeit stark an Gewicht, zog sich nach der Rückkehr 2006 sozial zurück und trank vermehrt Alkohol, um das Geschehene zu vergessen (a.a.O.). Eine Dienstunfallmeldung erstattete der Kläger damals nicht (a.a.O.).

Im Mai 2017 zeigte er das Erleiden eines Dienstunfalls bei seinem Dienstherrn an (a.a.O.). In Afghanistan habe er mehrfach über mehrere Wochen allein in der Dienstunterkunft Dienst versehen müssen (a.a.O.). In Kombination mit den außergewöhnlichen Belastungen und vom Kläger als grenzüberschreitend empfundenem Verhalten von Kollegen habe er seinen Dienst in Afghanistan abbrechen und sich in ärztliche Behandlung begeben müssen (a.a.O.).

Dabei wurde dann letztlich eine dienstbedingte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und eine mittelgradige depressive Episode mit Dienstbezug diagnostiziert (a.a.O.).

Die PTBS sei demnach durch den Auslandseinsatz im Irak zwischen 2004 und 2006 durch die beschriebene Beschusssituation ausgelöst worden. Im Auslandseinsatz in Afghanistan (etwa 2016) sei eine Re-Traumatisierung erfolgt, in deren Ergebnis sich die PTBS voll ausgebildet habe (a.a.O.). Die depressive Störung habe eine multifaktorielle Genese und nur zu einem Teil einen dienstbezogenen Auslöser (a.a.O.)

Die Beklagte lehnte die Anerkennung der während des Auslandseinsatzes in Afghanistan (2013 bis 2016) aufgetretenen Erkrankung sowie die Anerkennung der Ereignisse 2004 im Irak als Dienst- und Einsatzunfall und dadurch verursachte Körperschäden als Unfallfolgen ab (a.a.O.).

Das BVerwG bestätigte im Ergebnis den Bescheid und Widerspruchsbescheid des BND und lehnte die Klage als unbegründet ab (a.a.O.).

Ein Körperschaden sei als Dienstunfallfolge anzuerkennen, wenn er durch einen Dienstunfall verursacht worden ist und keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände -insbesondere keine oder verfristete Unfallfolgenmeldung- gegeben seien (a.a.O.).

Das Merkmal „plötzlich“ in der Legaldefinition des Dienstunfalls (vgl. § 31 Abs. 1 BeamtVG) diene der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen und bedürfe der wertenden Betrachtung (a.a.O.). Erforderlich seien kurzzeitige Begebenheiten; sich über mehrere Tage hinziehende Ereignisse genügten in der Regel nicht (a.a.O.).Psychische Erkrankungen würden in aller Regel nicht auf einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis in diesem Sinne beruhen (a.a.O.).

Der nach Auffassung des BVerwG hier gleichwohl denkbaren Anerkennung ausschließlich der Beschusssituation im November 2004 im Irak als Dienstunfall würde wegen der bereits damals aufgetretenen (u. a. psychischen) Symptome die Versäumung der fristgerechten Unfallmeldung (vgl. § 45 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtVG) entgegenstehen (a.a.O.).

Bewertung

Der vorliegende Sachverhalt und das Urteil des BVerwG belegen einmal mehr, wie wichtig schon die rechtzeitige sowie umfassende Meldung des Dienstunfalls und im Zweifel nachfolgend auch das ggf. rechtzeitige Beschreiten des Rechtswegs im Dienstunfallrecht der Beamten ist. Schließlich resultieren im Zweifel zahlreiche (u. a. finanziell durchaus bedeutsame) versorgungsrechtliche Leistungen i. S. d. Beamtenversorgungsrechts.

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