Wenn der Rechtsanwalt nicht reagiert

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Das Vertragsverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten sollte von besonderem Vertrauen geprägt sein. Dieses Vertrauen stellt die Basis für die Zusammenarbeit dar. Dennoch schildern uns immer mehr Mandanten Vorkommnisse nach folgenden Mustern:

  • Der Rechtsanwalt reagiert nicht auf meine E-Mails oder Schreiben.
  • Der Rechtsanwalt ruft nicht zurück.
  • Der Rechtsanwalt ist nicht erreichbar.
  • Der Rechtsanwalt lässt sich durch das Sekretariat verleugnen.
  • Das Mandat läuft seit langer Zeit, aber ich kenne den Sachstand nicht, ich werde nicht informiert.

1. Rechtliche Rahmenbedingungen

Für das Mandatsverhältnis enthält das anwaltliche Berufsrecht die unterschiedlichsten Regelungen, die die sogenannten vertraglichen Nebenpflichten des Rechtsanwalts konkretisieren. Regelungen finden sich hierzu in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA).

Allgemeine Berufspflicht

§ 43 BRAO bestimmt, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen hat. 

Aus dieser ganz allgemein gehaltenen Pflicht leiten sich viele einzelne Berufspflichten ab. Bezogen auf die hiesige Thematik des Kontakts zwischen Anwalt und Mandanten seien die folgenden Normen erwähnt:

Mandatsbearbeitung in angemessener Zeit

Der Rechtsanwalt hat das Mandat gemäß § 11 Abs. 1 BORA in angemessener Zeit zu bearbeiten. Das bedeutet, dass sich die Arbeitsgeschwindigkeit abhängig vom jeweiligen Einzelfall bestimmt. So ist dem Rechtsanwalt zuzugestehen, dass dringendere Angelegenheiten – beispielsweise Fristensachen – vorrangig zu bearbeiten sind. Dies kann es mit sich bringen, dass auch in Zeiten erheblichen Fristendrucks manch andere Angelegenheit auch einmal längere Zeit unbearbeitet bleibt. 

Solange dem Mandanten daraus kein Nachteil erwächst, dürfte dies im Einzelfall hinzunehmen sein. Allerdings findet diese Verfahrensweise auch ihre Grenzen. Überlastung darf keine generelle Ausrede für eine schleppende Arbeitsweise sein. Wenn der Rechtsanwalt das Mandat nicht in absehbarer Zeit bearbeiten und auch keine anderweitige Bearbeitung durch einen Kanzleikollegen o. ä. sicherstellen kann, sollte er das Mandat ablehnen.

Unterrichtung des Mandanten

Mit der Regelung aus § 11 Abs. 1 BORA geht auch die Pflicht einher, den Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen zu informieren

Dem Mandanten ist zudem von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben. Gerade hiermit erfüllt der Rechtsanwalt seine Informationspflicht. Der Mandant hat insbesondere einen Anspruch darauf, dass er die relevanten Schriftstücke zu seinem Mandat auch erhält. Etabliert hat sich dazu die Übersendung von Kopien per Post, Email oder die Zurverfügungstellung von Unterlagen in einem virtuellen Datenraum.

Wenn der Mandant aber immer erst auf eigene Nachfragen von wesentlichen Neuigkeiten erfährt, deutet dies demnach darauf hin, dass der bearbeitende Rechtsanwalt  seine Informationspflicht vernachlässigt und damit Nebenpflichten aus dem Mandatsverhältnis verletzt.

Beantwortung von Anfragen des Mandanten

Nun zum Kern dieses Rechtstipps: § 11 Abs. 2 BORA stellt klar, dass Anfragen des Mandanten unverzüglich zu beantworten sind. Dies betrifft sowohl mündliche/telefonische als auch schriftliche Anfragen. 

Hierbei geht es aber nur um Anfragen im Zuge eines bereits bestehenden Mandats (allerdings auch nach Mandatsende als nachvertragliche Pflicht). § 44 BRAO enthält hingegen die Regelung, wonach ein Rechtsanwalt ein Mandat unverzüglich ablehnen muss, wenn er den Auftrag nicht annehmen will und er Ersatz des Schadens schuldet, der aus einer schuldhaften Verzögerung der Ablehnung entsteht.

Bezeichnend ist für § 11 Abs. 2 BORA, dass hierzu tatsächlich Rechtsprechung existiert, bei der dieser im Grunde sehr klare Wortlaut der Vorschrift ausgelegt und erläutert werden musste. Eine Anfrage im Sinne der Norm liegt insoweit vor, wenn aus der Äußerung des Mandanten deutlich wird, dass dieser eine Antwort des Rechtsanwalts erwartet. Eine besondere Satzstellung und die Verwendung eines Fragezeichens sind zur Annahme einer „Anfrage“ hingegen nicht erforderlich.

Allerdings ist dazu auch klargestellt worden, dass erkennbar unsinnige, schikanöse, querulatorische oder belanglose Anfragen nicht beantwortet werden müssen.

Unverzüglich ist im Sinne von § 121 Abs. 1 BGB zu verstehen, d. h. ohne schuldhaftes Zögern. Auf Nachfragen dürfte je nach Fallkonstellation und Dringlichkeit der Sache und in Abhängigkeit der Verhinderungsgründe eine Beantwortung spätestens nach zwei Wochen zu erwarten sein. 

Die Kanzlei des Anwalts muss beispielsweise nach der Rechtsprechung des Anwaltsgerichtshofs Berlin auch insbesondere so organisiert sein, dass der Mandant den Anwalt zu zumutbaren Zeiten tatsächlich erreichen kann.

Die Art und Weise der Unterrichtung bzw. Antwort steht dem Rechtsanwalt frei. Es bietet sich an, dasselbe Kommunikationsmittel zu verwenden, welches der Mandant gewählt hat. Die Antwortpflicht gemäß § 11 Abs. 2 BORA umfasst dabei aber keine Verpflichtung, den Mandanten in einer konkreten Rechtsfrage zu beraten (str.).

Die Praxis zeigt, dass ein Großteil der Beschwerden von Mandanten sich gegen fehlende oder unzureichende Auskunftserteilung durch den eigenen Rechtsanwalt richtet. Uns wird hierbei leider immer häufiger geschildert, dass der Rechtsanwalt

  • auf schriftliche Anfragen gar nicht reagiert,
  • telefonisch nicht erreichbar ist oder sich vom Kanzleipersonal verleugnen lässt oder
  • versprochene Rückmeldungen und Rückrufe dann tatsächlich nicht erfolgen.

Diese Vorwürfe sind häufig Gegenstand von Rüge- und anwaltsgerichtlichen Verfahren aber auch von Anfragen an unsere Kanzlei. 

Klargestellt ist daher, dass der Rechtsanwalt nicht nur die berufsrechtliche Verpflichtung hat, den Mandanten ungefragt über wesentliche Vorgänge des Mandats (auch) anhand von zu übersendenden Schriftstücken zu unterrichten, sondern er hat zudem die Anfragen des Mandanten unverzüglich zu beantworten.

2. Folgen eines Berufsrechtsverstoßes

Nun darf an dieser Stelle auch nicht vergessen werden, dass der Rechtsanwalt aller Wahrscheinlichkeit nach eine Vielzahl von Anfragen erhält, auf die er neben der eigentlichen Mandatsbearbeitung zu reagieren hat. Dies kann den Rechtsanwalt je nach Fallkonstellation vor besondere Herausforderungen stellen, wobei es grundsätzlich wohl auch dem anwaltlichen Ermessen unterfällt, zu klassifizieren, bei welchen Anfragen große Eile geboten ist und welche Anfragen weniger eilig sind. 

Gerade deswegen hat der Rechtsanwalt seinen Kanzleibetrieb aber entsprechend zu strukturieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Daher ist es zulässig, wenn der Rechtsanwalt Teile seiner Pflichten auf andere Kanzleimitarbeiter überträgt oder andere Maßnahmen ergreift.

Hat der Mandant jedoch konkrete Anfragen an den bearbeitenden Rechtsanwalt, so genügt es nicht, den Mandanten an das Sekretariatspersonal zu verweisen, wenn dieses über allegmeine Aussagen hinaus inhaltliche Antworten nicht geben kann oder darf.

Hat der Rechtsanwalt sich einer Berufsrechtsverletzung schuldig gemacht, hat dies für das Mandat selbst zunächst einmal keine direkte/unmittelbare Konsequenz. Denn zur Ahndung solcher Verstöße, die das Mandatsverhältnis zunächst unberührt lassen, ist die örtliche Rechtsanwaltskammer berufen. Diese wird in der Regel auf eine entsprechende Beschwerde hin tätig. Festzuhalten ist daher, dass aus solchen Pflichtverletzungen eines Anwalts eher keine Schadensersatzansprüche abzuleiten sind und eine ausbleibende Rückmeldung des Rechtsanwalts an sich nicht berechtigt, etwa die bereits bezahlte Vergütung zurückzufordern oder die Bezahlung einer geforderten Vergütung zu verweigern.

Eine solche Berufsrechtsverletzung des Rechtsanwalts kann aber auf der anderen Seite auch einen (außerordentlichen) Kündigungsgrund für den Mandanten darstellen.

3. Wie sollte sich der Mandant nun verhalten?

Der Mandant sollte sich daher vorab gut überlegen, ob die notwendige Vertrauensbasis für die Fortführung des Mandats noch vorhanden ist. Denn im Vordergrund sollte immer noch das eigentliche Mandatsziel stehen und kein "Kleinkrieg" gegen den eigenen Rechtsanwalt, weil dies dem Mandanten in dem eigentlichen Mandatsgegenstand nicht weiterhelfen wird.

Es kann indes hilfreich sein, den Rechtsanwalt an die Einhaltung der berufsrechtlichen Vorgabe freundlich zu erinnern, um so das Mandatsverhältnis zu „reparieren“. Zu empfehlen ist hierbei eine vorsichtige Wortwahl, da erfahrungsgemäß der Vorhalt von (Berufs-)Pflichtverletzungen auch das genaue Gegenteil nach sich ziehen kann – nämlich, dass der Rechtsanwalt von sich aus das Mandat niederlegt und der Mandant plötzlich ohne Rechtsvertretung dasteht. Insbesondere bei ganz existentiellen Mandatsgegenständen sollte der Mandant sich taktisch klug verhalten und ggf. vor einer Eskalation dazu eine anderweitige Beratung in Anspruch nehmen. Gern sind wir hierbei behilflich.

Steht jedoch fest, dass der Rechtsanwalt auf etliche Anfragen trotz nachdrücklicher Bitten in hartnäckiger Weise nicht reagiert und der Mandant schlichtweg „hängen gelassen“ wird, kann ein letztes Schreiben ggf. doch noch etwas bewirken. Empfehlenswert ist, dass das Schreiben mit einem Zugangsnachweis versandt wird (z. B. per Einwurfeinschreiben) und dort vorsorglich eine angemessene Frist zur Beantwortung der Anfrage bzw. zur Mitteilung des Sachstandes im Mandat gesetzt wird. Erfolgt auch hierauf keine Reaktion, dürfte wohl ein außerordentlicher Kündigungsgrund und Veranlassung für eine Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer gegeben sein.

Ist der Mandant der Auffassung, dass die Vertrauensbasis nicht mehr besteht, sollte ein Anwaltswechsel in Betracht gezogen werden. Ob der Mandant sich über den Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer beschweren sollte, liegt freilich bei ihm. Wirtschaftlichen Nutzen wird er hieraus jedenfalls aber nicht ziehen können.

Festzuhalten ist daher, dass man gegenseitiges Vertrauen und eine Reaktion des Anwalts nicht erzwingen kann. Es gibt jedoch geeignete Maßnahmen, um hierauf zu reagieren. Allerdings sollte der Mandant sich auch vorab über die Konsequenzen im Klaren sein.

Rund um dieses Spannungsfeld spielen natürlich weitere Faktoren eine Rolle, zu denen wir Sie gern beraten.

  • Was passiert, wenn in diesem Moment Fristen laufen oder wichtige Verfahrensschritte bevorstehen?
  • Wie steht es um die Vergütung des Anwalts? Muss ich den Anwalt bei berechtigter außerordentlicher Kündigung bezahlen? Bekomme ich bereits bezahlte Vergütung zurück?
  • Wann muss ich kündigen? Ist es schädlich, wenn ich die Verfehlungen des Rechtsanwalts längere Zeit hingenommen habe?
  • Wie verhält es sich mit den Unterlagen? Bekomme ich die Handakte? Denn der neue Rechtsanwalt wird Informationen benötigen.
  • Der Rechtsanwalt hat bereits Fremdgeld für mich in Empfang genommen. Was ist hier nun zu tun?

Haben Sie weiteren Fragen zu diesem Thema? Dann kontaktieren Sie uns bitte und schildern Sie Ihren Fall.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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