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Unternehmensbewertung – ein Überblick

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Unternehmensbewertung – ein Überblick

Experten-Autor dieses Themas

Es gibt eine Reihe von Vorgängen, in denen ein Unternehmen zu bewerten ist. Der Verkäufer eines Geschäftsanteils interessiert sich ebenso für den Unternehmenswert wie ein ausscheidender Gesellschafter, dem eine Abfindung zusteht. Aber auch bei der Berechnung des Zugewinns im Rahmen einer Unternehmerscheidung oder der Bezifferung von Pflichtteilsansprüchen ist die Wertermittlung eines Unternehmens erforderlich. Dabei gibt es stets zwei Parteien mit entgegengesetzten Interessen. Daher ist die Unternehmensbewertung nicht nur komplex, sondern auch konfliktträchtig. Im nachfolgenden Ratgeber erhalten Sie grundlegende Informationen zu diesen Anlässen für eine Unternehmensbewertung sowie zu den passenden Methoden beziehungsweise Bewertungsverfahren.

Anlässe für die Bewertung eines Unternehmens

Unternehmensbewertungen sind insbesondere bei den folgenden wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Sachverhalten geboten:

Kauf beziehungsweise Verkauf von Unternehmensanteilen

Wer ein Unternehmen beziehungsweise einen Anteil daran erwerben oder veräußern will, wird sich bei der Preisfindung regelmäßig nicht auf sein Bauchgefühl verlassen. Bei M&A-Unternehmenstransaktionen (Mergers & Acquisitions) werden Käufer und Verkäufer getrennt oder auch gemeinsam versuchen, den tatsächlichen Verkehrswert durch ein marktgerechtes Bewertungsverfahren zu ermitteln. Die Kennzahlenanalyse wird dabei in die Hände spezialisierter Wirtschaftsprüfer gegeben.

Abfindung für ausscheidende Gesellschafter

Scheidet ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft aus, etwa aufgrund einer Kündigung oder eines Ausschlusses, hat er regelmäßig einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Um diese beziffern zu können, ist der Wert des Unternehmens zu ermitteln. Gegebenenfalls gibt hier der Gesellschaftsvertrag die Spielregeln vor, wie und von wem die Berechnung erfolgen soll. Weitere Anlässe für Unternehmensbewertungen aus dem Umfeld des Gesellschaftsrechts können Verschmelzungen, Spaltungen, Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge oder auch Kapitalerhöhungen sein.

Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen

Bei Familienunternehmen wird die Nachfolge häufig so geregelt, dass der Betrieb vollständig an nur ein Kind vererbt wird, das ihn als Nachfolger weiterführen soll. Für die Geschwister des Nachfolgers und gegebenenfalls den Ehegatten des Unternehmers bleibt dann häufig nur der Pflichtteil. Um diesen beziffern zu können, muss insbesondere der tatsächliche Wert des Unternehmens ermittelt werden.

Dabei haben die Pflichtteilsberechtigten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gegen den erbenden Nachfolger. Dieser muss dann regelmäßig ein Sachverständigengutachten zur Unternehmenswertermittlung in Auftrag geben, über das dann nicht selten vor Gericht gestritten wird.

Zugewinnausgleichsforderungen im Scheidungsfall

Nicht nur beim Tod des Unternehmers, sondern auch bei dessen Scheidung kommt es zum Kassensturz. Hat der Wert der Firma während der Ehe zugelegt, ist das ein Zugewinn. Dieser ist bei der Scheidung auszugleichen, wenn der Ehepartner nicht in gleicher Weise Vermögen hinzugewonnen hat.

Auch hier kommt es immer wieder zu Konflikten hinsichtlich des wahren Unternehmenswertes, die dann mithilfe von Gutachtern und Gerichten aufzulösen sind. Der umsichtige Unternehmer kann das Thema Unternehmensbewertung bei Scheidung übrigens dadurch vermeiden, dass er das Betriebsvermögen rechtzeitig per Ehevertrag aus dem Zugewinnausgleich herausnimmt.

Steuerliche Bewertung bei Erbschaften und Schenkungen

Vererbte oder verschenkte Unternehmensanteile unterliegen der Erbschaftsteuer beziehungsweise der Schenkungsteuer. Hier kann auf gesetzlicher Grundlage in der Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuererklärung der Wert des betrieblichen Vermögens vereinfacht ermittelt werden, allerdings führt dieses Verfahren in der Regel zu sehr hohen Werten. Der Erbe beziehungsweise Beschenkte kann jedoch alternativ durch ein anerkanntes Bewertungsverfahren eine eigene Wertermittlung vornehmen und damit einen deutlich geringeren Wert nachweisen. Auch wenn Betriebsvermögen steuerbefreit übertragen werden kann, kann ein Gutachten zum Nachweis eines niedrigeren Unternehmenswertes sinnvoll sein. Das Für und Wider ist abzuwägen.

Die wichtigsten Bewertungsmethoden für Unternehmen

Wirtschaftswissenschaftler und Juristen haben eine ganze Reihe von Bewertungsmethoden entwickelt. Welche dieser Berechnungen im Einzelfall die passende ist, hängt insbesondere vom Anlass der Bewertung ab sowie von der Art beziehungsweise Rechtsform des Unternehmens. Ob es sich also zum Beispiel um ein Einzelunternehmen handelt, um einen GmbH-Anteil, eine Freiberufler-Praxis oder eine vermögensverwaltende Immobiliengesellschaft.

In der Praxis haben sich die nachfolgenden Unternehmenswerte durchgesetzt, die mit entsprechenden Verfahren zu ermitteln sind:

Ertragswert nach IDW S1

Sehr weit verbreitet bei der Unternehmensbewertung ist die Anwendung des Ertragswertverfahrens nach dem Standard IDW S1 (in der Fassung von 2008). Der Wert des Unternehmens bestimmt sich hierbei im Wesentlichen nach den für den Inhaber zu erwartenden Nettozuflüssen. Der Barwert der Nettoeinnahmen wird durch die Verwendung eines „risikoadjustierten“ Kapitalisierungszinssatzes berechnet, der die Rendite aus einer zur Investition in das zu bewertende Unternehmen adäquaten Alternativanlage repräsentiert. Die weite Verbreitung des IDW-S1-Verfahrens folgt aus der allgemeinen Akzeptanz in der Praxis und in der Anerkennung der Gerichte als geeignetes Verfahren zur Ermittlung des tatsächlichen Unternehmenswerts.

DCF (Discounted Cash-Flow)

Ein weiteres verbreitetes Verfahren zur Bewertung von Unternehmensanteilen ist das DCF-Verfahren. Hier wird der Unternehmenswert durch die Abzinsung (discount) der künftigen Überschüsse (cash-flow) ermittelt. Die Formel für den Cash-Flow besteht dabei aus den Einzahlungen eines Jahres, vermindert durch die Auszahlungen. Spielarten des Verfahrens sind zum Beispiel die Equity-Methode, die Entity-Methode oder der APV-Ansatz. Bei gleichen Bewertungsannahmen, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung, führt das DCF-Verfahren zum gleichen Ergebnis wie das Ertragswertverfahren.

Vereinfachter Ertragswert

Das Verfahren kommt gemäß § 188 Bewertungsgesetz (BewG) regelmäßig für die Ermittlung der Erbschaftsteuer beziehungsweise Schenkungsteuer bei der Unternehmensnachfolge zur Anwendung. Es ist jedoch sehr standardisiert und stark vereinfacht. Die Formel für das vereinfachte Ertragswertverfahren besteht im Wesentlichen aus dem Durchschnittsertrag der letzten drei Jahre sowie einem vorgegebenen Kapitalisierungsfaktor unter Berücksichtigung eines angemessenen Unternehmerlohns, soweit noch nicht erfasst.

Es kommt daher nicht immer zum besten steuerlichen Ergebnis. Hier kann der Erbe beziehungsweise Beschenkte versuchen, durch ein eigenes Unternehmenswertgutachten mit einem detaillierteren Verfahren (z. B. IDW S1) einen niedrigeren Steuerwert gegenüber dem Finanzamt darzulegen.

Substanzwert

Der Substanzwert bildet den aktuellen Wert der Wirtschaftsgüter ab, die sich im Betriebsvermögen befinden, also etwa Betriebsgrundstücke, Maschinen oder Lizenzen. Der Substanzwert stellt grundsätzlich die unterste Linie für den Unternehmenswert dar – es sei denn, aus einem tatsächlichen Verkauf lässt sich ein noch niedrigerer Unternehmenswert herleiten.

Multiplikatoren

Die Unternehmensbewertung mit sogenannten Multiples basiert auf Vergleichen mit früheren Transaktionen ähnlicher Firmen. Man rechnet dabei beliebige Faktoren um, also zum Beispiel Umsatz, Gewinn oder auch Anzahl der Verkäufe etc. Wurde etwa ein Onlineshop für Nahrungsergänzungsmittel mit 5 Millionen Besuchern im Jahr für 1 Million Euro verkauft, könnte ein Konkurrenzshop mit 10 Millionen Besuchern gegebenenfalls 2 Millionen Euro wert sein.

EBIT- und Umsatz-Multiples

EBIT-Multiples weisen den Ergebnismultiplikator je nach Branche und Größe eines Unternehmens aus. Unter anderem nutzen Banken häufig diese Methode zur Einschätzung des Unternehmenswertes. Kritiker halten das Verfahren für kleine und mittelständische Unternehmen für ungeeignet, da sich die EBIT-Faktoren in den einschlägigen Tabellen regelmäßig auf größere beziehungsweise börsennotierte Unternehmen beziehen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass bei diesem pauschalierten Verfahren unternehmensindividuelle Aspekte vollkommen unberücksichtigt bleiben.

Sonstige Unternehmenswerte beziehungsweise Bewertungsverfahren

Neben den vorgestellten Ansätzen für die Unternehmensbewertung gibt es noch eine Reihe weitere. So beziehen sich ältere Gesellschaftsverträge häufig noch auf den Buchwert der Gesellschaft oder sehen das sogenannte Stuttgarter Verfahren für die Wertermittlung vor. Gleichzeitig entstehen neue Formen der Unternehmensbewertung, wie zum Beispiel die Venture-Capital-Methode für Start-ups.

Der passende Experte und sein Honorar

Fragen der Unternehmensbewertung tauchen häufig im Rahmen einer rechtlichen Beratung auf, zum Beispiel weil der Rechtsanwalt einen M&A-Deal, einen Pflichtteilsprozess, eine Scheidung oder einen Gesellschafterstreit begleitet. Bei entsprechendem Know-how kann die beauftragte Kanzlei dann eine sogenannte indikative Unternehmensbewertung vornehmen. Dies ist eine erste schnelle, pragmatische und kostengünstige Ermittlung des ungefähren Unternehmenswertes, die eine Orientierung gibt, wo die Reise hingeht. Auf dieser Grundlage können häufig schon Entscheidungen getroffen, Erfolgsaussichten eingeschätzt oder Vergleiche geschlossen werden.

Für eine „richtige“ Unternehmensbewertung, die im Konfliktfall auch gerichtsfest ist, bedarf es eines sachverständigen Wirtschaftsprüfers. Dieser muss die gängigen Bewertungsmethoden kennen, auswählen und beurteilen können.

Für die Kosten einer solchen Unternehmensbewertung gibt es weder eine Verordnung noch Tabellen, die sich am Unternehmenswert orientieren. Die Verfügung des Gutachters hängt vielmehr von seiner Qualifikation und Erfahrung sowie vom tatsächlichen zeitlichen Aufwand ab. In der Praxis haben sich sowohl Zeithonorare als auch Pauschalpreise etabliert.

Foto(s): ©Adobe Stock/Jacob Lund

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