Wie wird der Ausgleichsanspruch des spanischen Vertragshändlers für seinen Kundenstock berechnet?

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Wer ist ein Vertragshändler und wie verdient er sein Geld?

Vertragshändler ist, wer im Rahmen eines Vertriebsvertrages laufend Produkte des Unternehmers kauft, um sie selbst zu vermarkten und zu verkaufen. Der Vertragshändler setzt regelmäßig den Verkaufspreis an den Endkunden selbst fest und bezieht den Verkaufserlös dafür. Die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz ist die Handelsspanne, also die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der verkauften Produkte. Davon muss der Vertragshändler seine sonstigen Aufwendungen bestreiten, will er einen Gewinn erzielen.

Wann besteht ein Ausgleichsanspruch für den Kundenstock?

Beendet ein Unternehmer das Vertragsverhältnis mit seinem spanischen Vertragshändler, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung den Vertragshändler für den übernommenen Kundenstock zu entgelten. Voraussetzung für diesen Ausgleichsanspruch ist, dass (i) der Vertragshändler den Kundenstock aufgebaut oder eingebracht bzw. erweitert hat, (ii) dem Unternehmer der Kundenstock auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch zur Verfügung steht und (iii) Umstände vorliegen, die die Rechtsposition des Vertragshändlers in die Nähe zum Handelsvertreter rücken, wie etwa die Einbindung in die Vertriebsorganisation des Unternehmers. 

Unklare bisherige Rechtsprechung

Die Rechtsprechung wendet für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs für den Kundenstock Art 28 Abs. 3 des spanischen Handelsvertretergesetzes analog an. Demnach beträgt ein solcher Ausgleichsanspruch maximal ein Jahresentgelt, welches sich wiederum aus dem Durchschnitt der Entgelte (Provisionen) der letzten fünf Jahre oder der bisherigen Vertragsdauer errechnet, sofern der Vertrag noch nicht so lange bestand. Der Vertragshändler erhält jedoch für seine Tätigkeit im Gegensatz zum Handelsvertreter weder eine Provision noch ein sonstiges Entgelt vom Unternehmer. Er bezieht seine Einkünfte vielmehr aus der Handelsspanne, also der Differenz zwischen dem Einstandspreis der vom Unternehmen erworbenen Produkte und dem Wiederverkaufspreis dieser Produkte. Die Frage, ob die betrieblichen Aufwendungen des Vertragshändlers seinen Ausgleichsanspruch reduzieren oder allgemeiner formuliert, ob für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs die Handelsspanne sämtlicher verkaufter Produkte oder die Gewinne heranzuziehen sind, wurde bislang von der spanischen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Die Judikaturdivergenzen gingen sogar so weit, dass verschiedene Senate in ein und denselben zweitinstanzlichen Gerichtshöfen und der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage vertraten. Die Praxis sah sich also einer beträchtlichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt.

Mindern die Aufwendungen des Vertragshändlers nun seinen Ausgleichsanspruch?

Nach den letzten beiden Entscheidungen des spanischen Höchstgerichts (Tribunal Supremo) zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs vom 30.05.2016 und 01.03.2017 scheint sich die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass betriebliche Aufwendungen des Vertragshändlers seinen Ausgleichsanspruch verringern. In seiner Entscheidung vom 30.05.2016 ließ das Höchstgericht lediglich eine Präferenz für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den Gewinnen und nicht nach der Handelsspanne erkennen. Es sprach ferner aus, dass in der zu beurteilenden Rechtssache der Abzug von Aufwendungen für Werbung und Marketing bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs keinesfalls in Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung stehe. Der Vertragshändler wurde zur Durchführung derartiger Aktivitäten verpflichtet. Im Urteil vom 01.03.2017 änderte der Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) die zweitinstanzliche Entscheidung ab, die der Berechnung des Ausgleichsanspruchs die Handelsspanne zugrunde legte, und sprach aus, dass sich der Ausgleichsanspruch richtigerweise unter Heranziehung von vergangenen Gewinnen (ingresos netos) errechnet. 

Derzeit ist also in der Praxis davon auszugehen, dass bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs von Vertragshändlern für den Kundenstock vergangene Gewinne und nicht die Handelsspanne heranzuziehen sind. Ob damit in dieser Frage endgültig das letzte Wort gesprochen wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Denn die Entscheidung stammte nicht vom Plenum der zuständigen ersten Kammer und somit besteht die Möglichkeit, dass der Oberste Gerichtshof von dieser Meinung wieder abgeht.

Rechtstipp

Bestehende Handelsvertreterverträge sollten gegebenenfalls dahin ergänzt werden, dass die Regeln zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs für den Kundenstock genau vereinbart werden. Nach derzeitiger Rechtsprechung sind die Gewinne und nicht die Handelsspanne zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs für den Kundenstock heranzuziehen. Darüber, wie die Gewinne genau zu ermitteln sind, lässt sich jedoch trefflich streiten. Und die Parteien eines Vertragshändlervertrags sollten auch nicht darauf vertrauen, dass sich an der aktuellen Rechtsprechung nichts ändern wird. 



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