72 Diesel-Anwälte reichen Beschwerde gegen BGH-Richter ein

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Am 23. Juni 2021 verfasste Dr. Julius Reiter, Geschäftsführer und Rechtsanwalt der Kanzlei baum reiter & collegen, im Namen einer Allianz von insgesamt 72 Verbraucheranwälten eine Dienstaufsichtsbeschwerde über den Vorsitzenden Richter der VI. Bundesgerichtshof Zivilkammer, Stephan Seiters.

Diesem wird dienstliches Fehlverhalten vorgeworfen, denn er drängte Oberlandesgerichte dazu, Dieselverfahren erst dann zu terminieren, wenn eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist.
Belegen lässt sich dies über ein im April 2020 versandtes Schreiben vom Präsidenten des OLG Dresden, Gilbert Häfner, in welchem sich auf Seiters‘ Bitte bezogen wird. Darin heißt es, dass Seiters‘ Senat ‚dankbar‘ um jedes Verfahren sei, dass zurückgestellt werden könne. 

Anlass der Beschwerde ist jedoch insbesondere, dass dieses Schreiben mit den anderen Mitgliedern der Kammer gar nicht abgestimmt war. Somit entsteht Einflussnahme, die allein schon gegen die Prinzipien eines Rechtsstaats verstößt und Verfassungsgrundsätze ad hoc missachtet. Schließlich werden so die Rechtskraft zahlreicher Urteile verhindert und dringend notwendige Entscheidungen unnötig hinausgezögert. Seiters‘ Vorgehen bringt Folgen mit sich, denn je länger ein Verfahren dauert, desto weniger muss der Automobilhersteller an den betroffenen Verbraucher erstatten.

Die Verbraucheranwälte sind sich darüber im Klaren, dass die vielen Dieselverfahren durchaus eine erhebliche Belastung für die Gerichte darstellen: Jedoch darf dies nicht auf Kosten der Unabhängigkeit der Justiz gehen.  Die Allianz ist sich darin einig, dass mit der Aufforderung in Seiters‘ Schreiben das Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art 103 für betroffene Kläger eingeschränkt wurde: insbesondere deshalb, da sich beispielsweise die Musterfeststellungsklage gegen den Konzern VW als nicht hinreichend effizient erwiesen hatte. Auch muss beachtet werden, dass im Dieselskandal immer wieder neue Aspekte auftauchen, die eine aktuelle, zeitgerechte Bearbeitung einfordern.

Nun liegt es an der Präsidentin des BGH, Bettina Limperg, darüber zu entscheiden, ob der Dienstaufsichtsbeschwerde stattgegeben wird.  Sollte dies der Fall sein, könnten Stephan Seiters disziplinarische Maßnahmen oder gar der Abzug aus dem Themenbereich Dieselklagen und somit auch die Absetzung als Kammervorsitzender drohen.


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