Abgasskandal: Verfahren gegen Audi - illegale Abgasmanipulationen auch bei Benzin-Motoren ?

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Investigative Recherchen des SWR erhärten einen bereits seit Jahren schwelenden Verdacht: Nicht nur bei Dieselfahrzeugen, auch bei Benzinern hat Audi das Abgaskontrollsystem manipuliert. Betroffen sind Benzinmotoren mit bestimmten Automatikgetrieben.

Ende 2016 berichteten Medien, dass die US-Umweltbehörde California Air Resources Board (CARB) auch bei Benzinmotoren unzulässige Abschalteinrichtungen entdeckt habe, und zwar bei Audi-Fahrzeugen mit den Automatikgetrieben AL 551 und DL 501. Aufgrund einer sogenannten „Lenkwinkelerkennung“, hieß es, könnten diese Modelle unterscheiden, ob sie sich auf dem Prüfstand oder auf der Straße befinden. Ebenso wie beim Volkswagen-Skandalmotor EA 189 wird die Abgasreinigung in der „Prüfstandsituation“ optimiert, auf der Straße dagegen zurückgefahren.
 

Aufgrund dieser Berichte klagte der Käufer eines angeblich besonders schadstoffarmen Audi Q5 TFSI 2.0 (Euro 6) Baujahr 2015 mit Automatikgetriebe AL 551 im Februar 2017 vor dem Landgericht Offenburg auf Rückabwicklung des Kaufs und Rückerstattung des Kaufpreises. Zur Klärung des Falles bestellte das Gericht einen unabhängigen Gutachter.

Dessen Messungen bestätigten den Verdacht: Bei dem Audi Q5 wirkt eine illegale Abschaltsoftware in Form einer „Zykluserkennung“. Wenn sich nach dem Start zwar die Reifen bewegen, das Lenkrad aber nicht eingeschlagen wird, geht die Steuerungssoftware davon aus, dass sich das Fahrzeug im Testmodus auf einem Rollenprüfstand befindet. In diesem Fall wird automatisch ein Schaltprogramm aktiviert, das den Spritverbrauch sowie den Ausstoß von Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoff (NOx) reduziert. Wird das Lenkrad dagegen um 15 Grad oder mehr bewegt, wird diese „Aufwärmstrategie“ wieder deaktiviert – mit der Folge, dass Spritverbrauch und Emissionen steigen.

Vor allem bei höheren Geschwindigkeiten gingen die Messwerte bei den Tests des unabhängigen Gerichtsgutachters deutlich nach oben – und übertrafen die Herstellerangaben von Audi um bis zum Dreihundertfachen. Nach Informationen des SWR, dem das Gutachten vorliegt, wurde der Stickoxid-Ausstoß durchschnittlich um 24 Prozent erhöht, der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 60 Prozent. Beide lagen deutlich über den geltenden Grenzwerten. Gutachter und Experten betrachten die Messergebnisse als eindeutigen Hinweis auf eine illegale Abschalteinrichtung.

Den Reporten des SWR liegt nicht nur das Gutachten des vom Landgericht Offenburg bestellten Gutachters vor. Ihnen wurden auch interne Unterlagen aus dem Volkswagen-Konzern zugespielt, die den Verdacht auf illegale Softwaremanipulationen weiter erhärten. In einer „Rechtlichen Bewertung Warmlaufprogramme“ der Hausjuristen ist, nach Angaben des SWR, von einer „zyklusnahen Bedatung“ die Rede. Experten übersetzen diese Audi-Terminologie mit „Zykluserkennung“ – und die ist gemäß der aktuellen Rechtsprechung illegal, wenn sie dazu führt, dass Abgaswerte verändert werden.

Weiterhin heißt es in dem internen Papier: „Warmlaufprogram ist im NEFZ (= Neuer Europäischer Fahrzyklus, ein offizielles Verfahren zur Messung von Verbrauchs- und Emissionswerten e. A.) aktiviert, im Real Drive so gut wie nie. Austrittsbedingung Lenkwinkeleinschlag > 15 Grad.“ Die „konkrete Lenkwinkelerkennung“, so die Juristen weiter, sei den Behörden nicht bekannt“.

Dass Audi Fragen der Reporter zu den Abschalteinrichtungen im Q5 und anderen Benzinern, zu den internen Unterlagen und den Messwerten des unabhängigen Gutachters, nicht beantwortet, war zu erwarten. Schließlich laufen bereits Strafverfahren gegen Vorstände und Verantwortliche im Konzern. Das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mauern ebenfalls. Das Ministerium verwies auf Nachfrage der Redaktion lediglich allgemein auf Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamtes: „Bisher konnte das KBA in seinen Untersuchungen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen bei Fahrzeugen mit Ottomotoren feststellen.“

Wir haben es schon lange vermutet, dass der Abgasskandal auch Benziner betrifft – schließlich werden moderne Benzin-Direkteinspritzer wieder der TFSI-Motor von Audi nach Meinung vieler Experten den Dieselmotoren in ihrem Abgasverhalten immer ähnlicher. Und gerade bei Audi kommen immer neue Tricksereien ans Licht, aktuell etwa beim Dieselmotor EA 897.

Bei dieser ganzen Geschichte beschleicht uns wieder einmal ein Déjà-Vu-Gefühl. Es läuft immer nach dem gleichen Schema: Ein Autokonzern arbeitet mit schmutzigen Tricks, amerikanische, nicht deutsche Behörden kommen den Abgasmanipulationen auf die Spur und für Aufklärung sorgen nicht etwa das Kraftfahrt-Bundesamt oder das Bundesverkehrsministerium, sondern Medien und Gerichte.

Unser Rat an Audi-Besitzer: Prüfen Sie, ob ihr Fahrzeug betroffen ist und lassen Sie sich von einem kompetenten, im Abgasskandal erfahrenen Anwalt beraten. So haben Sie gute Chancen, Ihre Rechte durchzusetzen.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage. 


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