Abschneiden von überhängenden Ästen bei Gefahr für die Standsicherheit des Baumes?

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Mit dieser Fragestellung hatte sich der Bundesgerichtshof im Rahmen seines Urteils vom 11.06.2021 (Az.: V ZR 234/19) auseinanderzusetzen.

Hintergrund der Entscheidung war ein zwischen den Parteien bestehender Nachbarschaftsstreit. Demnach stand auf dem Grundstück der Kläger in unmittelbarer Nähe zur gemeinsamen Grundstücksgrenze seit mehreren Jahrzehnten eine ca. 15m hohe Schwarzkiefer, deren Äste samt Nadeln und Zapfen ebenfalls seit mehreren Jahren auf das Grundstück des Beklagten hinüber ragten und abfielen. Nachdem der Beklagte die Kläger vergeblich zur Beseitigung des Überhangs aufgefordert hatte, schnitt er die überhängenden Zweige schließlich selbst ab. Dies zum Anlass nehmend wurde Klage vor dem AG Pankow /Weißensee erhoben, mittels derer die Kläger von dem Beklagten verlangten, es zu unterlassen, oberhalb von 5m überhängende Zweige der Kiefer abzuschneiden. Dabei vertraten die Kläger die Auffassung, dass die Entfernung des Überhangs die Standsicherheit des Baumes gefährde. Die Klage war sowohl vor dem AG Pankow/Weißensee (Urteil vom 08.08.2018 – Az.:  7 C 146/18) als auch in der Berufungsinstanz vor dem LG Berlin (Urteil vom 09.09.2019 – Az.: 51 S 17/18) erfolgreich

In seiner Entscheidung hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LG Berlin zurückverwiesen.

Dabei stellte sich der BGH unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2019 gegen die Begründung des Berufungsgerichts gemäß derer die Kläger das Abschneiden der Zweige nicht nach § 910 BGB dulden müssten, weil diese Vorschrift nur unmittelbar die von dem Überhang ausgehenden Beeinträchtigungen erfasse, nicht jedoch die mittelbaren Folgen, wie den Abfall von Nadeln und Zapfen.

Gleichzeitig stellte der BGH heraus, dass – sofern die Nutzung des Grundstücks des Beklagten durch den Überhang beeinträchtigt sein sollte – die Entfernung der Äste und Zweige der Schwarzkiefer für die Kläger selbst dann nicht unzumutbar sei, wenn dadurch das Absterben des Baumes oder der Verlust der Standsicherheit drohe. Diesen Ausführungen liegt zugrunde, dass das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 BGB keiner Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung unterliegt, es jedoch durch naturschutzrechtliche Regelungen eingeschränkt werden kann.

Überdies könne sich ein Grundstückseigentümer, der Äste und Zweige seines Baumes über die Grenze wachsen lässt, nicht unter Verweis auf eine drohende Gefahr für die Standsicherheit des Baumes seiner Verantwortung entziehen und gleichzeitig die Duldung der Beeinträchtigung von seinem Nachbarn verlangen.


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