Akteneinsichtsrecht in gerichtliche Insolvenzakten: bestehende Rechtslage bestätigt

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In dem BGH-Beschluss vom 07. Mai 2020 – IX ZB 56/19 – wird die bestehende Rechtslage zum Akteneinsichtsrecht des Gläubigers in die Insolvenzakten des Gerichts bestätigt. Hiernach ist das Akteneinsichtsrecht bei anerkannten Forderungen gegeben. Eine großzügigere Sicht für ein Einsichtsrecht bereits nach Anmeldung der Forderung sei nach Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl., § 4 Rn. 47) zu gewähren. 

In dem BGH-Beschluss vom 07. Mai 2020 – IX ZB 56/19 – wird ausgeführt:

Es sei allgemein anerkannt, dass kraft der Verweisung des § 4 InsO auf § 299 Abs. 1 ZPO die Verfahrensbeteiligten eines Insolvenzverfahrens einen Anspruch auf Akteneinsicht hätten (OLG Celle, ZVI 2004, 114, 115; MünchKomm-InsO/Ganter/Bruns, 4. Aufl., § 4 Rn. 57; Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl., § 299 Rn. 18; Thole, ZIP 2012, 1533, 1534; Swierczok/Kontny, NZI 2016, 566, 567). Im eröffneten Verfahren sei jedenfalls ein Gläubiger, dessen Forderung mangels Bestreitens zur Tabelle festgestellt worden sei, als Verfahrensbeteiligter zur Einsicht berechtigt (vgl. LG Karlsruhe, NZI 2003, 327 f; LG Düsseldorf, ZIP 2007, 1388; MünchKomm-InsO/Ganter/Bruns, aaO § 4 Rn. 61; Schmidt/Stephan, InsO, 19. Aufl., § 4 Rn. 31; großzügiger für ein Einsichtsrecht bereits nach Anmeldung der Forderung: Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl., § 4 Rn. 47).

Das Einsichtsrecht erstrecke sich auf von dem Verwalter gemäß §§ 174 ff InsO hinsichtlich Forderungsanmeldungen geführte Akten, die sich bei Gericht befinden (MünchKomm-InsO/Ganter/Bruns, aaO § 4 Rn. 58; Uhlenbruck/Pape, InsO, 15. Aufl., § 4 Rn. 29; HK-InsO/Sternal, 9. Aufl., § 4 Rn. 13). b) Der verfahrensbeteiligte Gläubiger brauche – anders als ein Dritter gemäß § 299 Abs. 2 ZPO – ein rechtlich geschütztes Interesse an der Akteneinsicht nicht darzulegen (OLG Celle, ZVI 2004, 114, 115).

Eine Beschränkung des Einsichtsrechts sei gegenüber Verfahrensbeteiligten nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Einsicht den Verfahrenszweck gefährden würde, weil ein Missbrauch der aus der Akte gewonnenen Erkenntnisse im konkreten Einzelfall drohe (OLG Celle, aaO; MünchKomm-InsO/Ganter/Bruns, aaO § 4 Rn. 57; Uhlenbruck/Pape, aaO; HmbKomm-InsO/Rüther, 7. Aufl., § 4 Rn. 44; Thole, ZIP 2012, 1533, 1534). aa) Ein Missbrauch könne entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (Schuster/Friedrich, ZIP 2009, 2418, 2421) nicht allein aus der Erwägung hergeleitet werden, dass ein Gläubiger das Akteneinsichtsrecht möglicherweise dazu nutzen wolle, Erkenntnisse über sonstige Gläubiger zu gewinnen, um diesen ein Angebot auf den Kauf ihrer Forderungen zu unterbreiten.

Es stehe den einzelnen Gläubigern frei, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen wirtschaftlichen Interessen eine Abwägung zu treffen, ob sie sich zum Verkauf ihrer Forderungen entschließen oder einer Befriedigung im Insolvenzverfahren den Vorzug geben. Der Umstand, dass möglicherweise eine den Kaufpreis übersteigende Quote auf abgetretene Forderungen entfalle, berühre keine Belange des Insolvenzverfahrens und könne für sich genommen einen Missbrauch des Einsichtsrechts nicht begründen. Der Verwalter habe die Interessen der Gläubiger im Verfahren wahrzunehmen, aber keinen Einfluss darauf, ob Gläubiger am Verfahren teilnehmen oder nicht.

Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kaufpreis die spätere Quote überschreite oder Gläubiger einer Kürzung der Quote mit Rücksicht auf die sofortige Befriedigung ihrer Forderung den Vorzug geben. Schließlich würden keine verfahrensfremden Ziele verfolgt, wenn den Gläubigern die Alternative einer Befriedigung ihrer Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens angeboten werde. Diese Vorgehensweise könne dazu beitragen, Gläubiger vor Schäden im Zusammenhang mit dem Ausfall von Forderungen zu schützen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2006 – IV AR(VZ) 1/06, WM 2006, 1435 Rn. 19 ff), nach BGH-Beschluss vom 07. Mai 2020 – IX ZB 56/19.

Fazit: Auf der Linie des vorgenannten BGH-Beschlusses vom 07. Mai 2020 – IX ZB 56/19 – liegen die Entscheidungen des OLG München vom 16.01.2019 – 7 U 342/18, AG-Report 11/2019, 05. Juni 2019 und BGH vom 02.07.2018 – AnwZ (Brfg) 24/17. Es werden keine verfahrensfremden Ziele verfolgt, wenn den Gläubigern eine Alternative einer Befriedigung ihrer Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens angeboten werden.


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