Altersrente beziehen - und trotzdem weiterarbeiten?

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Bezieher der gesetzlichen Altersrente dürfen zusätzlich noch erwerbstätig sein und Geld verdienen. Diese Möglichkeit besteht auch, wenn das mit dem bisherigen Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis über die Altersgrenze hinaus fortgesetzt wird. 

Zusätzlich zum Bezug der abschlagsfreien Regelaltersrente war schon immer ein unbegrenzter Hinzuverdienst möglich. Der Arbeitsverdienst wurde nicht auf die gesetzliche Altersrente angerechnet. 

Seit dem 01.01.2023 gibt es keine Hinzuverdienstgrenze mehr beim Bezug einer vorgezogenen Altersrente. Ab Vollendung des 63. Lebensjahres besteht somit grundsätzlich die Möglichkeit, neben dem Bezug der Altersrente in unbegrenzter Höhe Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis zu erzielen. Dieser Arbeitsverdienst ist in vollem Umfang anrechnungsfrei. Anders ausgedrückt: Die Rente bleibt ungekürzt.

Wie wirkt sich das auf die  Sozialversicherungsabgaben beim Arbeitsverdienst aus?

Für erwerbstätige Bezieher der abschlagsfreien Regelaltersrente verringert sich die Beitragslast in der gesetzlichen Sozialversicherung: 

Ab Bezug der abschlagsfreien Regelaltersrente entfallen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, und zwar für beide Parteien - also für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 

Bezieher einer abschlagsfreien Regelaltersrente entrichten auf den Arbeitsverdienst keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. Nur der Arbeitgeber muss weiterhin Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abführen. Diese Beiträge kommen allerdings nur dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zugute. Die Beiträge werden nicht dem individuellen Rentenkonto des Arbeitsnehmers gutgeschrieben.

Arbeitnehmer, welche die Regelaltersrente beziehen, können jedoch gegenüber dem Rentenversicherungsträger schriftlich erklären, dass sie weiterhin vom Arbeitsverdienst Rentenversicherungsbeiträge entrichten möchten. Damit erreichen sie eine tatsächliche Steigerung der Rente. Die einmal abgegebene Erklärung ist allerdings bindend für die gesamte Dauer der Erwerbstätigkeit während des Rentenbezuges.

Was müssen Arbeitgeber beachten, die einen Arbeitnehmer weiterbeschäftigen möchten, der bereits Rente bezieht?

Die meisten schriftlichen Arbeitsverträge beinhalten eine Altersaustrittsklausel. Dadurch endet das Arbeitsverhältnis, sobald der Arbeitnehmer die ungekürzte (abschlagsfreie) gesetzliche Altersrente bezieht. Damit ist die Regelaltersrente gemeint.

Der Arbeitsvertrag läuft dann zum Ende des jeweiligen Monats automatisch aus. Es ist weder eine Kündigung noch ein Aufhebungsvertrag erforderlich. Eine Regelung zum Altersaustritt kann auch in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung enthalten sein.

Im Zusammenhang mit dem Altersaustritt ist § 41 (2) SGB VI interessant. Ältere Arbeitsverträge beziehen sich noch auf die früher geltenden Altersgrenzen für den Rentenbezug, z.B. die Vollendung des 65.Lebensjahres. Diese "65er-Regelungen" sind aber inzwischen überholt. 

Sieht der Arbeitsvertrag z.B. vor, dass das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres endet, dann ist diese Regelung gemäß der Auslegungsregelung in § 41 (2) SGB VI so zu verstehen, als wäre der Arbeitsvertrag auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen (gesetzliche Fiktion). Auf diese Weise bleiben die Parteien des Arbeitsverhältnisses flexibel im Hinblick auf den Zeitpunkt für die  Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne den Arbeitsvertrag anpassen zu müssen.

Möchten die Parteien ihre Zusammenarbeit über den im Arbeitsvertrag bestimmten Austrittstermin hinaus fortsetzen, dann ist dafür eine ausdrückliche Vertragsregelung notwendig.

Ein Arbeitgeber sollte einen Rentenbezieher niemals über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Altersgrenze hinaus weiterbeschäftigen, ohne dass zuvor eine verbindliche Regelung zur Beschäftigung vereinbart wurde.

Ohne vertragliche Absicherung führt die Weiterbeschäftigung unweigerlich zum Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Diese Rechtsfolge beinhaltet ein großes Risiko für den Arbeitgeber. 

Was muss vertraglich geregelt werden? 

Um das Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auszuschließen, müssen Arbeitgeber vor einer Fortsetzung der Zusammenarbeit eine schriftliche Vereinbarung mit dem Inhalt des § 41 (3) SGB VI abschließen.

Mit dieser sogenannten Hinausschiebens-Vereinbarung regeln die Parteien, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für eine bestimmte Zeitdauer über den vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt des Altersaustritts hinausgeschoben wird. Weder für die mögliche Dauer einer Verlängerung noch für die Anzahl der Verlängerungen gibt es eine gesetzliche Vorgabe.

Insofern ist die Rechtslage vollkommen anders als bei befristeten Arbeitsverträgen ohne Sachgrund. Die im TzBfG enthaltene Begrenzung der Befristungshöchstdauer auf 24 Monate findet keine Anwendung auf Hinausschiebens-Vereinbarungen.

Eine Vereinbarung zum Zwecke des Hinausschiebens des Altersaustritts gemäß § 41 (3) SGB VI können die Parteien sogar mehrfach hintereinander abschließen. Auch dabei ist die im TzBfG enthaltene Begrenzung auf höchstens drei Verlängerungen nicht anwendbar.  

Für den Abschluss einer Vereinbarung nach § 41 (3) SGB VI sind jedoch formelle Einschränkungen zu beachten. Das gilt ganz besonders dann, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu anderen Arbeitsbedingungen als bisher  erfolgen soll.

Eine Änderung der vormaligen Arbeitsbedingungen kann z.B. in in einem Wechsel von Vollzeit- zu Teilzeitarbeit bestehen oder in einer Änderung des Tätigkeitsbereichs. 

Erwähnenswert ist ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 30.04.2020 (Aktenzeichen 3 Sa 98/19). Darin hält das Gericht eine Neugestaltung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Hinausschiebens-Vereinbarung nach § 41 (3) SGB VI für zulässig. Dieses Urteil ist rechtskräftig und bestätigt das im Instanzenzug vorausgegangene Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 12.09.2019 (Aktenzeichen 7 Ca 35/19). Zu einer Bestätigung dieser Rechtsauffassung in der Revision beim Bundesarbeitsgericht kam es allerdings nicht, denn der Rechtsstreit wurde von den Parteien beim Bundesarbeitsgericht durch einen Vergleich beendet.

Wenn die Parteien ihre Zusammenarbeit über das Renteneintrittsalter des Arbeitnehmers hinaus fortsetzen möchten, dann sollten sie sich über Voraussetzungen von § 41 (3) SGB VI informieren.

Die Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer gemäß § 41 (3) SGB VI muss auf jeden Fall vor dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Altersaustritt  getroffen werden. Hier ist die Schriftform zu beachten. 

Nur auf diese Weise ist für den Arbeitgeber eine risikolose Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Altersgrenze hinaus möglich. 

Wie ist die Rechtslage bei einem Arbeitsvertrag ohne Altersaustrittsklausel?

Bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern gibt es oft keine schriftlichen Arbeitsverträge mit einer brauchbaren Altersaustrittsklausel.

Unter Umständen ergibt sich eine Altersaustrittsklausel aus anderen Regelungen. In Betracht kommt eine Betriebsvereinbarung oder ein im Arbeitsverhältnis anwendbarer Tarifvertrag. Tarifverträge gelten in Arbeitsverhältnissen entweder im Falle einer beidseitigen Tarifbindung oder wenn der Arbeitsvertrag einen Tarifvertrag in Bezug nimmt.

Was passiert, wenn im Arbeitsvertrag eine Altersaustrittsklausel fehlt?

Fehlt eine wirksame Altersaustrittsklausel, dann hat das zwei Konsequenzen:

1. Das Arbeitsverhältnis endet nicht im Zeitpunkt des Beginns vom Rentenbezug

Ohne eine Altersaustrittsklausel im Arbeitsvertrag endet das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Bezug der Altersrente. Das Arbeitsverhältnis besteht fort, grundsätzlich bis zum Tod des Arbeitnehmers.

Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass Arbeitsverhältnisse mit Beginn des Rentenbezuges automatisch enden würden.

Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer die gesetzliche Altersrente bezieht gibt dem Arbeitgeber gemäß § 41 (1) SGB VI auch kein Recht, das Arbeitsverhältnis mit diesem Arbeitnehmer zu kündigen. Eine allein auf das Erreichen eines bestimmten Lebensalters gestützte Arbeitgeberkündigung könnte sogar als Altersdiskriminierung im Sinne des AGG gewertet werden. Das könnte dem Arbeitnehmer unter sogar einen Entschädigungsanspruch verschaffen.

2. Die Vereinbarung einer Hinausschiebens-Vereinbarung nach § 41 (3) SGB VI ist nicht möglich

Ohne bestehende vertragliche Altersaustrittsklausel ist es aus verständlichen Gründen nicht möglich, den Zeitpunkt des Altersaustritt durch eine Vereinbarung nach § 41 (3) SGB VI zeitlich hinauszuschieben.

Der Ausweg:

Bei dieser Ausgangslage muss in einem ersten Schritt zunächst einmal die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Regelung nach § 41 (3) SGB VI geschaffen werden. 

Das geschieht durch nachträgliche Aufnahme einer Altersaustrittsklausel in einem schriftlichen Ergänzungsvertrag zum Arbeitsvertrag.

im zweiten Schritt wird dann die Hinausschiebens-Vereinbarung nach § 41 (3) SGB VI abgeschlossen.  

Aus Gründen der Vorsicht sollten die Parteien die eben beschriebene Reihenfolge einhalten und auf keinen Fall beide Regelungen in eine einzige Vereinbarung aufzunehmen.

Gibt es noch weitere Möglichkeiten für eine Kombination von Arbeit und Rente?

Neben dem Bezug als Vollrente besteht die Möglichkeit, die Altersrente zunächst einmal als Teilrente in Anspruch zu nehmen. 

Die Kombination von Teilzeitarbeit mit dem Bezug einer Teilrente macht durchaus Sinn.  Die Kombination Teilzeit/Teilrente hat übrigens nichts mit Altersteilzeit zu tun. Der Bezug einer Teilrente ist aber nur möglich, wenn grundsätzlich die Voraussetzungen für den Bezug der Vollrente gegeben sind.

Wer eine volle Altersrente bezieht und weiterhin arbeitet, hat im Arbeitsverhältnis allerdings weder Anspruch auf Krankengeld noch auf Kurzarbeitergeld. Diese sozialversicherungsrechtlichen Nachteile der Vollrente treffen jedoch nicht diejenigen, die sich für eine Teilrente entschieden haben. Teilrente ist eine Altersrente, deren Höhe zwischen 10% und 99,9% der Vollrente beträgt. 

Wie man sieht bietet die Teilrente deutliche Vorteile im Vergleich zur Vollrente. Sollten sich die finanziellen Lebensumstände ändern, dann ist jederzeit ein Wechsel von der Teilrente zur Vollrente möglich. 



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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