Amtsenthebung des Betriebsrats - Betriebsratsauflösung wegen Rundschreibens an Belegschaft -

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Die Auflösung eines Betriebsrates ist eine besonders einschneidende Sanktion, daher ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung zu beurteilen, ob eine weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint.“ - so das LAG Köln, Beschluss vom 14.01.2022 – 9 TaBV 34/21; Quelle: beck-online.de

Grenze der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Arbeitgeber überschritten, wenn Betriebsrat wiederholt haltlose Anschuldigungen veröffentlicht

LAG Düsseldorf: „Der Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit wird erst überschritten, wenn der Betriebsrat die Gespräche und die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber wiederholt oder systematisch durch haltlose Anschuldigungen stört.“

Was ist passiert?

Der Betriebsrat will ein Rundschreiben veröffentlichen; inhaltlich wird dem Arbeitgeber im Besonderen „Behinderung der Betriebsratsarbeit“ vorgeworfen sowie „rechtswidrige Zensur“. „Die Arbeitgeberin verweigerte den Versand des Rundschreibens und untersagte ihn auch dem Betriebsrat unter anderem mit der Begründung, dass das Schreiben gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoße, wahrheitswidrige Behauptungen enthalte und dass die Herausgabe von Betriebsvereinbarungen nicht gestattet sei. Gleichwohl verschickte der Betriebsrat das Rundschreiben, …nebst einer Kopie der benannten Betriebsvereinbarung auf eigene Kosten.“ So das LAG Düsseldorf den Sachverhalt beschreibend. Was macht der Betriebsrat? Er veröffentlicht trotzdem das Rundschreiben.

„Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, der Betriebsrat habe mit dem Versand des Schreibens nebst der Betriebsvereinbarung eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten begangen. Das Schreiben enthalte diffamierende Äußerungen unter anderem gegenüber ihrem Geschäftsführer; es sei respekt- und rücksichtslos. Der Betriebsrat habe hierdurch gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und gegen Geheimhaltungspflichten verstoßen und seine Kompetenzen massiv überschritten. Eine Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung sei nicht mehr denkbar. Der Betriebsrat beschäftigte sie zudem permanent mit der Anforderung von Unterlagen, Tabellenaufbereitungen, Bücherbestellungen und Gerichtsverfahren. Insbesondere werde die Neuwahl des Betriebsrates verzögert.“ Quelle: LAG Köln, Beschluss vom 14.01.2022 – 9 TaBV 34/21.

Der Betriebsrat ist nicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aufzulösen. Die gegen ihn seitens der Arbeitgeberin erhobenen Vorwürfe reichen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit für eine Auflösung des Gremiums aus, so das LAG.

Laut Landesarbeitsgericht Köln liegt ein grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG dann vor,

„wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist (BAG, Beschluss vom 23. Juni 1992 - 1 ABR 11/92 -, Rn. 35, juris). Da die Auflösung des Betriebsrats eine besonders einschneidende Sanktion darstellt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung zu beurteilen, ob eine weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint….Weder der Inhalt des Rundschreibens noch sein Versand stellen so schwerwiegende Pflichtverletzungen dar, dass eine weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar wäre.“

Äußerungen des Betriebsrats, die im Kontext innerbetrieblicher Konflikte stehen, sind durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt

LAG: „So enthält etwa die Passage, die ehemaligen Betriebsratsmitglieder wollten die verbliebenen Mitglieder mit Hilfe des Geschäftsführers „ausbooten“, den Vorwurf, der Geschäftsführer lasse sich instrumentalisieren. Die Äußerungen, der Geschäftsführer habe aufgrund der verschärften Bedingungen der Corona-Pandemie eine Präsenzsitzung nicht zugelassen, ihn, den Betriebsrat, seit Dezember 2020 massiv behindert und mit rechtswidriger Zensur und unsinnigen Vorwürfen versucht, den Versand des Rundbriefs zu verhindern, stellen sogar unmittelbare Vorwürfe an die Adresse des Geschäftsführers dar. Gleichwohl rechtfertigen sie nicht die gerichtliche Auflösung des Betriebsrats. Denn sie sind im Kontext der innerbetrieblichen Konflikte zu sehen und durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Eine grundsätzliche Missachtung des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit ist in den Vorwürfen nicht zu sehen.“

LAG Köln: Grundsätzliche Missachtung des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit kann Auflösung eines Betriebsrats rechtfertigen

LAG Köln: „Eine grundsätzliche Missachtung des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG kann allerdings durchaus zur Auflösung eines Betriebsrats führen…So werden etwa die Grundlagen des Vertrauens nachhaltig gestört, wenn in einem Flugblatt ein Verhalten des Arbeitgebers nicht nur sachlich falsch, sondern böswillig entstellend dargestellt wird und eine solche Äußerung geeignet ist, den Arbeitgeber in den Augen der Arbeitnehmerschaft herabzusetzen.

Etwas anderes gilt, wenn Äußerungen vom Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sind. Denn die Meinungsfreiheit ist für die Tätigkeit des Betriebsrats ebenso konstitutiv wie für die politische Willensbildung…Betriebsinterne Kritik am Arbeitgeber ist erlaubt, auch wenn sie scharf und polemisch ausfällt…Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit besagt nämlich nicht, dass Betriebsrat und Arbeitgeber verpflichtet sind, Meinungsverschiedenheiten und Interessengegensätze zu überspielen. Es hält sie vielmehr zu Ehrlichkeit und Offenheit an. Dazu gehört, dass auch negative Urteile über die Gegenseite zum Ausdruck gebracht und auf diese Weise im Interesse von Betrieb und Belegschaft zur Diskussion gestellt werden können. Selbst eine unangemessene Schärfe im Ausdruck kann gestattet sein. Der Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit wird erst dann überschritten, wenn der Betriebsrat die Gespräche und die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber wiederholt oder gar systematisch durch haltlose Anschuldigungen stört.“

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