Anpassung der Betriebsrenten für Arbeitnehmer der Airbus Defence and Space GmbH 2023 - UPDATE

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In einem früheren Beitrag hatte ich von der Anpassungskampagne 2023 für Betriebsrenten der Airbus Defence and Space GmbH berichtet (Titel: "Anpassung der Betriebsrenten für Arbeitnehmer der Airbus Defence and Space GmbH 2023" vom 13.09.2023, hier bei anwalt.de).


Ablehnung Anpassung Juli 2023


Versorgungsempfänger von Betriebsrenten der Airbus Defence and Space GmbH hatten im Juli 2023 ein Schreiben Ihres Arbeitgebers erhalten, mit welchem zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge zum 01.07.2023 Stellung bezogen wurde. Mit dem Schreiben wird die Anpassung der Betriebsrente aus wirtschaftlichen Gründen verweigert.


Dabei hatte ich kritisiert, dass das Schreiben den gesetzlichen Anforderungen und den Vorgaben der Rechtsprechung des BAG nicht entsprechen könnte.

Viele Betriebsrentner haben der Ablehnung der Anpassung widersprochen.


Zweites Anschreiben an Betriebsrentner November 2023

Mir ist bekannt geworden, dass Airbus sich mit einem weiteren Schreiben vom 02.11.2023 an die betroffenen Betriebsrentner gewandt hat, als „ergänzende Information zur Anpassung der Betriebsrente gemäß §16 BetrAVG zum 01.07.2023“.


Airbus hat möglicherweise selbt erkannt, dass das ursprüngliche Schreiben von „Juli 2023“ unzureichend ist und will jetzt die zwingend erforderliche Begründung nachschieben.


Ablehnung der Anpassung weiter unwirksam?


Nach meiner Auffassung ändert das nichts an der Unwirksamkeit der Ablehnung, weil eine Präklusion das Nachholen der Begründung ausschließen dürfte. Daher dürfte es bei der Verpflichtung der Anpassung der Betriebsrente nach der Entwicklung des Verbraucherpreises oder der Entwicklung der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Unternehmen bleiben.


Anforderungen an die Begründung

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Rechtsprechung die Anforderungen an den Nachweis einer unzureichenden wirtschaftlichen Lage präzisiert. Es verlangt eine hinreichend detaillierte Darstellung, die den Versorgungsempfänger in die Lage versetzt, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität zu überprüfen (BAG drei AZR 732/09, Urteil vom 11.10.2011, Rn 27). Dabei ist die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers nach den Kriterien des Paragrafen 16 Abs. 1 zu prüfen und insbesondere die Eigenkapitalverzinsung und die Eigenkapitalausstattung darzulegen (am angegebenen Ort).


Keine hinreichende Darlegung im Anpassungsschreiben „Juli 2023“

Das ursprüngliche Anpassungsschreiben von „Juli 2023“ enthält keine den gesetzlichen Vorgaben bzw. der Rechtsprechung entsprechende Information.


Dabei stelle ich zunächst die Frage zurück, ob die Angaben inhaltlich stimmen und ob die hohen Hürden, die das Bundesarbeitsgericht aufstellt, erfüllt sind. Jedenfalls wäre im Bestreitensfall der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet für die Richtigkeit der Angaben. Ca. 80% der Verfahren in Deutschland werden über die Darlegungs- und Beweislast entschieden.


Nachholung Begründung mit Schreiben vom 02.11.2023

Die gem. § 16 Abs. 4 BetrAVG und der Rechtsprechung erforderliche Begründung ist in dem Schreiben vom 02.11.2023 nun nachgeholt worden. Fraglich ist, ob dieses „Nachschieben“ der Begründung rechtlich zulässig ist – oder ob Airbus mit der weiteren Begründung ausgeschlossen, also „präkludiert“ ist.  


In der juristischen Fachsprache bezeichnet Präklusion den Ausschluss bestimmter Rechtshandlungen oder Rechte. Dies kann vertraglich festgelegt sein oder geschehen, wenn die Rechte nicht innerhalb der gesetzlichen Frist wahrgenommen werden.


Diese Frage ist obergerichtlich noch nicht geklärt. Es gibt noch keine klärenden Entscheidungen zu diesem Thema. Das Gesetz regelt nicht die Frage, ob die schriftliche Mitteilung den Arbeitgeber abschließend bindet und daher kein nachschieben von Argumenten gestattet ist (Präklusionswirkung). Es gibt Stimmen in der Literatur, die eine Präklusionswirkung ablehnen.


Diese überzeugen aber nicht. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es nach meiner Auffassung alleine auf das Schreiben an, mit dem die Anpassungsentscheidung mitgeteilt wurde.


Das neue Schreiben dürfte die Unwirksamkeit der Ablehnung nicht beheben. Nach meiner Auffassung besteht der Anspruch auf Anpassung der Betriebsrente nach der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland, denn Airbus kann sich nicht auf eine „zu Recht unterbliebene“ Anpassung berufen.


Grundsatz § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG

Grundsätzlich gilt für die Anpassung von Betriebsrenten:



„(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.

des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder

2.

der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens

im Prüfungszeitraum.“



Ausnahme: § 16 Abs. 4 BetrAVG

Der Arbeitgeber ist wegen entgegenstehender wirtschaftlicher Lage zur Anpassung nur dann nicht verpflichtet, wenn er die formalen und materiellen Anforderungen von § 16 Abs. 4 BetrAVG einhält. Danach gilt:



„(4) … 2Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.“



Voraussetzungen für zu Unrecht unterbliebene Anpassung

Eine zu Recht unterbliebene Anpassung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber



  1. die Anpassungsentscheidung schriftlich mitteilt, 
  2. die wirtschaftliche Lage des Unternehmens in der Anpassungsentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG schriftlich darlegt, 
  3. eine Widerspruchsbelehrung in dem Ablehnungsschreiben enthalten ist und 
  4. kein fristgemäßer Widerspruch des Versorgungsempfängers erfolgt. 


Jedenfalls am Punkt (2), nach wirksamem Widerspruch des Betriebsrentners auch am Punkt (4) dürfte es fehlen.


Das BAG hält fest (vgl. (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2011 – 3 AZR 732/09 –, BAGE 139, 269-282):



„Die Fiktion der zu Recht unterbliebenen Anpassung der Betriebsrente nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG kann nur eintreten, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger in nachvollziehbarer Weise schriftlich dargelegt hat, aus welchen Gründen davon auszugehen ist, dass das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Anpassungsleistungen aufzubringen. Die Darlegungen des Arbeitgebers müssen so detailliert sein, dass der Versorgungsempfänger in der Lage ist, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität zu überprüfen.(Rn.27)“

(BAG, Urteil vom 11. Oktober 2011 – 3 AZR 732/09 –, BAGE 139, 269-282)



Damit dürfte das ursprüngliche Schreiben gemeint sein und nicht eine spätere Mitteilung.

Die nachgeholte Begründung dürfte auch an einem bereits erfolgten Widerspruch des Betriebsrentners scheitern.


Die Chancen, die volle Anpassung durchzusetzen, sind also meiner Meinung nach noch gegeben. 

Foto(s): @canva.com

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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