Anwendung von arbeitnehmerschützenden Richtlinien auf den GmbH-Geschäftsführer

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Beitrag zum Vorlagebeschluss des ArbG Verden vom 06.05.2014, NZA 2014, 665

Ausgangslage:

Für Geschäftsführer stellt sich die Frage, ob sie sich mangels Arbeitnehmerschaft dennoch auf arbeitnehmerfreundliche Richtlinien berufen können.

Sachverhalt:

Der Sachverhalt in der „Danosa“-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH vom 11.11.2010 – C 232/09 –, NZA 2011, 143) liest sich wie folgt:

Frau Danosa war Geschäftsführerin einer lettischen GmbH und wurde während ihrer Schwangerschaft als Geschäftsführerin abberufen. Sie machte vor dem nationalen Gericht geltend, dadurch würde gegen das in der Mutterschutzrichtlinie verankerte Kündigungsverbot verstoßen. Die lettischen Gerichte legten die Rechtsangelegenheit dem EuGH vor.

Der EuGH hat entschieden, für die Zwecke der Mutterschutzrichtlinie (RL 92/85/EWG) sei die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das der Gesellschaft gegenüber Leistungen erbringt und in diese eingegliedert ist, zu bejahen, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübe und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhalte. Somit konnte sich die Geschäftsführerin mit Erfolg gegen die Kündigung wehren.

Auswirkungen der EuGH-Entscheidung:

Diese Entscheidung des EuGH ist bahnbrechend und zwar aus folgenden Gründen:

Der Bundesgerichtshof (BGH) geht generell davon aus, dass durch einen Anstellungsvertrag kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft begründet wird.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält zwar ein Arbeitsverhältnis des bei einer GmbH angestellten Geschäftsführers für möglich, stellt hieran jedoch sehr hohe Anforderungen, die in der Praxis regelmäßig nicht erfüllt sein werden. Denkbar sei dies nur in solchen Fällen, in welchen die Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers so stark sei, dass dem Geschäftsführer quasi kein eigener Handlungsspielraum mehr bleibe.

Der EuGH hat in der „Danosa“-Entscheidung einen autonomen europäischen Arbeitnehmerbegriff statuiert und führte in der Entscheidung aus, dass durch die Mitgliedschaft in einer Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, z. B. als Geschäftsführer, ein für das Arbeitsverhältnis typisches Unterordnungsverhältnis nicht generell ausgeschlossen ist

Jedenfalls für die Mutterschutzrichtlinie hat deshalb der EuGH die Anwendung dieser Richtlinie auf die lettische Geschäftsführerin bejaht.

Konsequenzen des Urteils für deutsche Geschäftsführer:

Es ist nicht auszuschließen, dass arbeitnehmerschutzfreundliche Richtlinien in Zukunft auch auf Geschäftsführer anzuwenden sind.

Dies kann insbesondere möglich werden, für

  • den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz,
  • die vorübergehende Verhinderung gemäß § 616 BGB,
  • die Kündigungsfristen des Geschäftsführers,
  • das Nachweisgesetz,
  • den Pfändungsschutz gemäß der §§ 850a ff. ZPO.

Deshalb sollten Gesellschaften vor dem Gestaltungsakt Abberufung/Kündigung von Geschäftsführern Rechtsrat einholen.

Für Geschäftsführer bedeutet die Entscheidung, dass sie sich gegebenenfalls auf arbeitnehmerfreundliche Richtlinien berufen können.

Rechtsanwalt Daniel Müller LL. M.Eur.


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