Arbeitsgericht Stuttgart verurteilt Vereinigte Volksbanken eG zur Zahlung von Betriebsrente

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 Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 04.08.2021, 25 Ca 5179/20

Die Vereinigte Volksbanken eG ist die Gemeinschaft der regionalen Volksbanken Böblingen, Calw, Reutlingen, Schönbuch, Sindelfingen und Weil der Stadt mit etwa 175.000 Kunden. 

Es handelt sich um eine sehr erfolgreiche und gesunde Bank mit einer Bilanzsumme für das Jahr 2020 von über 4,7 Mrd. EUR. 

Der Kläger, ein ehemaliger Mitarbeiter der Vereinigte Volksbanken eG, begehrte von dieser Zahlung der versprochenen Betriebsrente.

Die Bank hatte dem 1947 geborene Kläger schon in den 70er Jahren eine Betriebsrente versprochen. Diese war im Durchführungsweg der Pensionskassenversorgung über den BVV ausfinanziert. 

Die Beklagte verweigerte die Rentenzahlung mit der Begründung, sie verfüge über keinerlei Aufzeichnungen zu der Betriebsrente. Der Kläger möge sich gerichtliche Hilfe suchen. 

Das tat der Kläger dann. Auch nach entsprechendem schriftsätzlichen Vortrag und Vorlage von Nachweisen des BVV, bei dem die Beklagte den Kläger angemeldet  und dorthin auch Beiträge abgeführt hatte, lenkte die Beklagte nicht ein. Sie erkannte aber die Klageforderung in der mündlichen Verhandlung nicht etwa an, sondern ließ es auf eine Entscheidung ankommen. 

Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin hatte den Kläger über den BVV angemeldet. Der Aufnahmestichtag datierte auf Februar 1973 und wurde vom damaligen Vorstand der Rechtsvorgängerin der Beklagten auch unterzeichnet. Erst 1991 wurde die Versicherung beitragsfrei gestellt. Zum 31. Juli 2010 schied der Kläger bei der Beklagten aus und bezog bereits seit 1. August 2010 eine Altersrente. Der BVV bezahlte die von der Beklagten eingerichtete Betriebsrente auch, passte allerdings die Rente nicht an. Der Hintergrund ist, dass gemäß § 16 BetrAVG der Arbeitgeber alle drei Jahre die Rente an die Teuerungsrate anpassen muss. Hier ist vorgesehen, dass die Rente entweder an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex für Deutschland oder die Entwicklung der Nettolöhne im Unternehmen angepasst wird. Es gibt wenige Ausnahmefälle, die vorliegend aber nicht griffen. 

Das Gericht sprach dem Kläger einen Anspruch auf Rentenzahlung gegenüber der beklagten Bank als ehemaligem Arbeitgeber direkt zu. Dies regelt § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Zwar leistete die Pensionskasse, über die die Betriebsrente ausfinanziert war, die Rente. Allerdings sind bei vielen Pensionskassen Leistungskürzungen möglich und in der Vergangenheit auch erfolgt. Von den ca. 160 Pensionskassen in Deutschland sind bereits zwei faktisch insolvent, d. h. ihnen wurde der Betrieb von der BaFin untersagt. 40 weitere sind in wirtschaftlicher Schieflage und unter Beobachtung der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht). Ihnen droht ebenfalls der Entzug der Zulassung. Dies liegt an der aktuellen wirtschaftlichen Situation, insbesondere der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, aber auch an Misswirtschaft einiger Pensionskassen. 

Somit besteht immer die Gefahr, dass die Pensionskasse ausfällt. Hier sieht § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG vor, dass der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann einsteht, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt, sondern z. B. über eine Pensionskasse. 

Der Kläger errechnete, dass seine monatlichen Leistungen über den BVV unter Berücksichtigung der Entwicklung des Verbraucherpreisindex für Deutschland für den Zeitraum August 2010 (Beginn der Altersrente) bis zum maßgeblichen Anpassungsstichtag um insgesamt 13,60 %, d. h. 58,88 EUR, auf 491,80 EUR zu erhöhen sind. Die Rente betrug ursprünglich 432,92 EUR brutto. 

Das Gericht hat dem Kläger sowohl den Anspruch auf Festschreibung der Betriebsrente gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG als auch den Anspruch auf Anpassungsprüfung gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG zugesprochen, soweit die Rente auf arbeitgeberfinanzierten Leistungen beruht.

Aber auch der arbeitnehmerfinanzierte Anteil dürfte anzupassen, was noch zu klären ist. 

Sie sind Betriebsrentner und wünschen eine Anpassung Ihrer Betriebsrente an die Teuerungsrate? Hier ist einiges drin, im vorliegenden Fall ist in der Zeit von 2010 bis 2020 eine Steigerung der Betriebsrente um 13,60 % erfolgt.

Sie verfügen über eine Pensionskassenversorgung und machen sich Sorgen, ob diese gefährdet ist? In diesem Fall klären wir für Sie gerne, welche weiteren Möglichkeiten bestehen, etwa die Sicherung des Anspruchs gegenüber dem Arbeitgeber oder in manchen Fällen auch die Auslagerung auf einen anderen Durchführungsweg. 

Mehr zum Thema "Pensionskassen" in meinem Video:

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Foto(s): @canva.com

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