Arbeitszeitbetrug – Kündigung wegen Verdachts der Arbeitszeitmanipulation

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„Arbeitszeitbetrug“ ist ein Thema vor den Arbeitsgerichten in Deutschland. Der Kölner Stadtanzeiger berichtet am 24.08.2023 mit der Schlagzeile „Bayer will Angestellte nach 20 Jahren wegen Arbeitszeitbetrug kündigen“, Artikel von Thomas Käding. Laut Kölner Stadtanzeiger geht es um folgendes: „Muss eine Arbeitnehmerin nachweisen, was sie den ganzen Tag gemacht hat, um dem Rausschmiss zu entgehen? Ja, findet“ die „Bayer-Anwältin. Sie vertritt am Mittwoch vor dem Arbeitsgericht in Opladen die Pharma-Abteilung des Konzerns, Bayer Vital. Dort hat vor knapp 20 Jahren“ die Klägerin „angefangen. Zunächst als Sekretärin, seit einiger Zeit als die sprichwörtliche „Rechte Hand“ ihres Chefs. Hat zuletzt Kongresse und Messeauftritte organisiert, sagt sie. Viel Arbeit sei das. Umso mehr, als um sie herum immer weiter Personal abgebaut worden sei. Um alles zu schaffen, hat sie regelmäßig länger gearbeitet. So steht es auf ihrem Zeitkonto.“ Quelle: Kölner Stadtanzeiger vom 24.08.2023.

Arbeitnehmerin beruft sich auf eine Absprache mit der Personalabteilung; diese wiederum weiss nichts von einer Absprache

Weiter berichtet der Kölner Stadtanzeiger wie folgt: „Das Problem aus Bayer-Sicht: Sie hat jeweils pauschale Angaben gemacht, obwohl es in diesem Konzernbereich üblich ist, sich minutengenau einzubuchen. Auch die Pauschal-Regelung sei mit ihrem Chef abgesprochen gewesen, erklärt“ die Klägerin „vor Gericht. Hintergrund: Sie sei jederzeit erreichbar gewesen. Um das irgendwie abzubilden, ohne gegen das Arbeitszeitgesetz zu verstoßen, habe es die Überstunden-Regelung gegeben. Dass sie kontinuierlich eine halbe Stunde mehr aufgeschrieben habe, sei ebenso richtig: „Ich hatte offiziell eine 120-Prozent-Stelle“, sagt“ die Klägerin. 

Laut Kölner Stadtanzeiger heißt es seitens der Bayer Personalabteilung, dass es diese Absprache nicht gegeben hat. Ausgang des Verfahrens ist offen; der Kammertermin muss nun entscheiden.

Anders der Fall wegen Arbeitszeitbetruges vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern (5. Berufungskammer), Urteil vom 28.03.2023 – 5 Sa 128/22; dieser Fall ist entschieden, und zwar durch den Ausspruch einer - Verdachts-Kündigung 

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern stellt in seinem amtlichen Leitsatz folgendes fest: „Der dringende Verdacht einer fehlerhaften Arbeitszeiterfassung kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sich ein Arbeitnehmer aller Wahrscheinlichkeit nach von zu Hause aus im Zeiterfassungssystem eingebucht hat, die Arbeit aber erst später im Dienstgebäude aufnimmt.“

Arbeitszeitbetrug kann auch eine – personenbedingte - Verdachts-Kündigung – rechtfertigen, wenn der Verlust der vertragsnotwendigen Vertrauenswürdigkeit zu einem – Eignungsmangel – bei dem Arbeitnehmer führt

LAG: „Der Verdacht einer Pflichtverletzung stellt gegenüber dem verhaltensbezogenen Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Der Verdacht kann eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers bedingen (BAG, Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 20, juris = NZA 2019, 893). Der schwerwiegende Verdacht einer Pflichtverletzung kann zum Verlust der vertragsnotwendigen Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers und damit zu einem Eignungsmangel führen, der einem verständig und gerecht abwägenden Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht (BAG, Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 21, juris = NZA 2019, 893).“

Vorsätzlicher Missbrauch einer Stempeluhr rechtfertigt Kündigung

LAG Mecklenburg-Vorpommern: „Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme.“

Verdachtskündigung ist gerechtfertigt, weil der – dringende Verdacht – besteht, dass der Arbeitnehmer an mehreren Tagen frühmorgens Arbeitszeiten von zu Hause aus gebucht hat, ohne die Arbeit tatsächlich aufgenommen zu haben

LAG Mecklenburg-Vorpommern: „Bei dem Kläger besteht der dringende Verdacht, dass er an mehreren Tagen frühmorgens Arbeitszeiten von zu Hause ausgebucht hat, ohne die Arbeit tatsächlich aufzunehmen. Der dringende Verdacht ergibt sich insbesondere aus dem Buchungsverhalten des Klägers an den Tagen 25. bis 27.10.2021. Die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, bestand an diesen Tagen nicht, und zwar auch nicht zeitweise. Obwohl sich der Kläger am 25.10.2021 um 06:24 Uhr online eingebucht hatte, war er bis 08:09 Uhr im Büro nicht anzutreffen. Ausgebucht hatte er sich in diesem Zeitraum nicht. Die Teamleiterin hatte in der Zeit von 07:35 bis 08:09 Uhr das Büro des Klägers mehrfach aufgesucht und dies verschlossen vorgefunden. Im Büro waren in diesem Zeitraum keinerlei Veränderungen festzustellen, die auf eine Anwesenheit bzw. Arbeitstätigkeit des Klägers hindeuteten. Am 26.10.2021 erschien der Kläger nach 07:25 Uhr im Büro, hatte sich jedoch bereits um 06:35 Uhr online eingebucht. Am 27.10.2021 erschien er nach 08:00 Uhr im Büro, obwohl er online einen Arbeitsbeginn von 06:34 Uhr erfasst hatte. Da der Kläger an diesen Tagen mangels Absprache mit der Teamleiterin nicht mobil arbeiten konnte, gibt es keine andere Erklärung hierfür, als dass der Kläger sich bereits von zu Hause aus eingebucht hat. Soweit sich der Kläger darauf beruft, sich zunächst umgezogen und sich danach am Arbeitsplatz-PC eingebucht zu haben, mag das noch die – ohnehin zulässige – Nutzung der Anmeldemöglichkeit am PC erklären. Es erklärt aber nicht die Zeitdifferenzen zwischen Einbuchen und der Arbeitsaufnahme im Büro.“

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.


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