BAföG-Betrug

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Häufig geraten ehemalige BAföG-Empfänger in das Visier staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Wer bei der Beantragung von BAföG gegenüber dem Amt für Ausbildungsförderung wahrheitswidrige Angaben zum Vermögen macht, läuft Gefahr, dass später gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen BAföG-Betruges eingeleitet wird. Nicht selten geben Antragsteller wahrheitswidrig in dem entsprechenden Formular an, sie hätten kein eigenes Vermögen, welches die entsprechenden Freigrenzen (zumeist 5.200,00 €) übersteige.

Durch einen automatisierten Datenabgleich zwischen dem Bundesamt für Finanzen und den BAföG-Ämtern erhalten diese eine Mitteilung darüber, welche Kapitaleinkünfte der BAföG-Empfänger in verschiedenen Jahren versteuert hat oder im Rahmen eines Freistellungsantrages angegeben hat. Dadurch ergibt sich für die BAföG-Ämter zunächst einmal der Anhaltspunkt den BAföG-Empfänger an zu schreiben und ihn um Klärung der Angelegenheit zu bitten. Insbesondere hat der BAföG-Empfänger  dann seine Konten zum Stichtag (Antragstellung) offen zu legen. Nachdem dann mitgeteilt wurde, welches Vermögen tatsächlich zum Stichtag bestand, berechnet das Amt für Ausbildungsförderung erneut den Anspruch auf BAföG. Der Teil, der unrechtmäßig ausbezahlt wurde wird dann entsprechend zurückgefordert.

Viele BAföG-Empfänger glauben, dass mit der Rückzahlung die Angelegenheit erledigt sei. Tatsächlich gibt die Behörde aber dann die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung des BAföG-Betruges weiter (sie ist dazu verpflichtet).

Dabei zählt jeder einzelne Antrag auf Bewilligung von BAföG als Betrugsfall, wenn zum Zeitpunkt der Unterschrift auf dem Antrag das Vermögen falsch angegeben wurde und zu einer Bewilligung geführt hat, auf die eigentlich kein Anspruch bestanden hätte.

Dies ist umso ärgerlicher, als in zahlreichen Fällen eine Strafe von mehr als 90 Tagessätzen ausgesprochen wird und dies unweigerlich zu einem Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis führt. Damit verbaut sich der Berufsanfänger in nicht seltenen Fällen sämtliche Karrieremöglichkeiten. Minimalziel einer Verteidigung ist also immer das verhindern eines Eintrages im polizeilichen Führungszeugnis.

Im Nachfolgenden, möchte ich hier einen besonders häufig auftretenden Fall schildern:

Die Eltern überschreiben einen Teil ihres Barvermögens auf die Kinder, um so die Freibeträge „ausschöpfen" zu können. Dazu werden den Kindern Anträge über Kontoeröffnung und Freistellungsaufträge zum unterzeichnen vorgelegt, im Regelfall „kümmern" sich die Eltern um diese Angelegenheit. Im Innenverhältnis wird vereinbart, dass dieses Geld weiterhin den Eltern gehört. Sobald eines der Kinder nunmehr einen Antrag auf Ausbildungsförderung stellt wird häufig vergessen, dass dieses Vermögen selbstverständlich dem Kontoinhaber also hier dem entsprechenden Kind zugerechnet wird. Auf dem Formular wird aber dann angekreuzt, dass kein eigenes Vermögen bestünde. Auf Grund der oben genannten Mechanismen wird der Sachverhalt praktisch immer aufgedeckt. Nach dem Anschreiben des Amtes für Ausbildungsförderung wird der Sachverhalt von den Beteiligten häufig erklärt. Der BAFöG-Bezieher und dessen Eltern glauben im Allgemeinen, die Angelegenheit sei damit erledigt. Das ist aber mitnichten so.

In rechtlicher Hinsicht gibt es nunmehr zweierlei Varianten, von denen das Amt für Ausbildungsförderung ausgehen kann. Nach dem der Grundsatz der Kontenwahrheit (§ 154 AO, niemand darf für sich auf den Namen eines anderen ein Konto einrichten) gilt, geht das Amt für Ausbildungsförderung davon aus, dass es sich bei dem Vortrag, nicht verfügungsberechtigt über das Vermögen zu sein, lediglich um eine Schutzbehauptung handelt. Dem Kontoinhaber wird also rechtlich das Vermögen auch zugeordnet. Dies führt dazu, dass das bezogene BAföG zurückgezahlt werden muss und ein Strafantrag wegen BAföG-Betruges gestellt wird.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, den Vortrag zu glauben, damit hätte sich der BAföG-Empfänger im Regelfall einer Beihilfe zur Steuerhinter-ziehung und der entsprechende Elternteil der Steuerhinterziehungen schuldig gemacht.

Es gibt aber eine Möglichkeit für alle Beteiligten diese Angelegenheit ohne strafrechtliche Konsequenzen zu beenden. Es ist aber dringend zu empfehlen, sich hierfür eines Rechtsanwalts / oder einer Rechtsanwältin, der/die sich auf Strafrecht spezialisiert hat, zu bedienen. Die Tätigkeit sollte unbedingt bereits im Verwaltungsverfahren, bei Erhalt des Schreibens des Amtes für Ausbildungsförderung, in dem erklärt wird, dass man auf Grund von Freistellungsaufträgen Kenntnis über Einnahmen aus Kapitalvermögen in einer bestimmten Höhe bekommen hätte, erfolgen. Das Schreiben fordert dann weiter dazu auf, mitzuteilen, auf welche Höhe sich das Vermögen tatsächlich belaufen hat und warum dies nicht angegeben wurde.

Durch entsprechende Selbstanzeigen beim Finanzamt kann der Steuerpflichtige von einer Besonderheit des Steuerrechtes profitieren. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Strafrecht ist hier nämlich unter gewissen Voraussetzungen ein Rücktritt von der vollendeten Tat möglich und führt zur Straffreiheit (§ 371 AO). Allerdings werde hier die Voraussetzungen für eine straffreie Selbstanzeige immer schwieriger zu erfüllen und es gibt sogar Bestrebungen diese ganz abzuschaffen. Bei erfolgreicher Selbstanzeige bedeutet dies zwar, dass der tatsächliche Inhaber des Vermögens Steuer nachzuzahlen hat, dafür der BAföG Bezieher aber im allgemeinen die Ausbildungsförderung behalten darf, da er ja tatsächlich kein eigenes Vermögen hatte. Aber Vorsicht! Nach der neuersten Rechtslage sollte man von voreiligen Selbstanzeigen absehen und sich erst einmal gründlich beraten lassen. Denn der "erste Schuss" muss sitzen, eine Nachbesserung ist nicht mehr möglich.

Nachdem so nachgewiesen wird, dass das Vermögen nicht dem BAföG-Empfänger zuzurechnen war, hat dieser auch den objektiven Tatbestand des Betruges nicht erfüllt (es fehlt hier an der Täuschungshandlung, die zu einem Vermögensschaden führt). Das Amt für Ausbildungsförderung gibt in derartigen Fällen zumeist die Akte noch nicht einmal an die Staatsanwaltschaft weiter.

Ein ebenfalls häufig vorkommender Fall ist folgender Sachverhalt: Nahe Angehörige (Großeltern, Eltern) legen für den BAföG-Empfänger ein Konto oder ein Sparbuch an und behalten dies für sich, entweder weil sie den Begünstigten zu gegebenem Zeitpunkt überraschen wollen, oder weil sie es sich (im Falle des Sparbuches) noch offenhalten wollen, ob der im Sparbuch eingetragene das Sparbuch tatsächlich bekommen soll. In diesen Fällen hat der BAföG-Empfänger bei der Stellung des Antrages keine Täuschung begangen, weil er nicht wissentlich oder mit bedingtem Vorsatz falsche Angaben gemacht hat. Dies führt zwar nicht dazu, dass die Zuwendung des Amtes für Ausbildungsförderung behalten werden darf, aber eine der Voraussetzungen für den Betrug, nämlich der Vorsatz bei der Täuschung entfällt. Dies sollte dazu führen, dass zwar das BAföG zurückgezahlt werden muss, die Strafbarkeit wegen ´Betruges aber entfällt. leider ist es so, dass die Justiz diese Fälle meist dennoch zur Anklage bringt, weil sehr viele der Beschuldigten genau diese Einlassung bringt (die dann als Schutzbehauptung abgetan wird, weil ein Beschuldigter im Strafverfahren ja das Recht zur Lüge hat). Es ist dann die Aufgabe eines versierten Verteidigers die entsprechenden Beweisanträge zu stellen und das Gericht zu zwingen, sich mit dieser Thematik zu befassen.

Weiterhin häufig auftretende Verteidigungsmöglichkeiten bieten die Verjährungsvorschriften des Strafgesetzbuches, denn die ermittelten Fälle liegen oft schon lange zurück. Auch der fiktive Vermögensverbrauch bietet oft eine Möglichkeit einige Fälle aus dem Verfahren "herauszubekommen". Ein Beispiel: A hat 10.000 € Vermögen, gibt dies aber beim Antrag auf BAföG nicht an. Er erhält (nur um es einfach zu rechnen) 500 € monatlich. Er stellt über 5 Jahre lang immer wieder den Antrag. Sind das nunmehr 5 Fälle des Betruges? Auf den ersten Blick sieht es so aus als wäre das jeweils ein Betrug, den bei jedem einzelnen Antrag ist ein Vermögen über der Freigrenze vorhanden, da immer 10.000 € auf dem Konto sind. Das wären also 5 tatmehrheitliche Fälle, aus denen dann eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Wenn man allerdings berücksichtigt, dass der A im ersten Jahr keinen Anspruch hatte und dann, wie dies richtiger Weise zu geschehen hat, einen Vermögensverbrauch in der selben Höhe wie das erhaltene BAföG fiktiv annimmt, bleibt nach dem ersten Jahr noch ein Vermögen von 4000 € (also unterhalb der Freigrenze) übrig. Denn 500 € x 12 Monate ergibt einen Verbrauch von 6000 € jährlich. Also war A bereits beim zweiten Antrag unterhalb der Freigrenze und hat daher nur einen einzigen Betrug begangen.

Der Autor dieses Artikels ist Fachanwalt für Strafrecht und seit 1998 in der Anwaltskanzlei Perathoner & Pfefferl in München Bogenhausen für den Bereich Strafrecht zuständig. Er betreibt unter der Rufnummer 0177 2052031 einen strafrechtlichen Notdienst in München  (www.streitigkeiten.de) und verteidigt deutschlandweit. Der Anwaltsnotdienst ist rund um die Uhr, auch am Wochenende, erreichbar ist.


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