Basics Freiwilligenprogramm – wie verhalten bei Stellenabbaumaßnahmen?

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Seit fast einem Jahr führt die Corona-Pandemie je nach Branche zu einem deutlichen Umsatzrückgang. Stellenabbau in Form von Kündigungen oder Aufhebungsverträgen ist dann häufig die Folge. Solche Maßnahmen werden häufig in Sozialpläne oder Freiwilligenprogramme eingebettet. Was ist der Sinn dieser Maßnahmen und was gilt es zu beachten?

Warum nutzen Unternehmen Freiwilligenprogramme?

Wenn große und mittlere Unternehmen aus betrieblichen Gründen Mitarbeiter entlassen, dürfen sie nicht nach Belieben die Arbeitnehmer ausnehmen, die sie aus welchen Gründen auch immer gerne im Unternehmen halten möchten. Sie sind an das Kündigungsschutzgesetz und damit an die Sozialauswahl gebunden. Damit soll sichergestellt werden, dass bei betriebsbedingten Kündigungen vor allem soziale Kritierien berücksichtigt werden (eine Einführung in das Thema finden Sie unter diesem Link: https://kanzlei-kerner.de/soziale-auswahl/). Dies ist anders bei einem Aufhebungsvertrag. Hier gibt es keine Sozialauswahl und das Unternehmen ist auch nicht gehindert, den Mitarbeitern Anreize zu bieten, den Aufhebungsvertrag zu akzeptieren. Auf diese Weise kann das Unternehmen Mitarbeiter oder störende Rechtsstreitigkeiten und ohne (übermäßig) negative Publicity entlassen. Auch wenn Arbeitnehmer unter dem besonderen Schutz der Arbeitsgesetze stehen (Elternzeit, Schwerbehinderung, Betriebsrat), kann auf diese Weise eine Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielt werden. Da der Arbeitgeber relativ frei ist, die Gruppe der Teilnehmenden am Freiwilligenprogramm zu definieren, kann er darüber hinaus indirekt zumindest einen gewissen Einfluss auf die Aufrechterhaltung seines "Wunschteams" ausüben. Dies ist der Hintergrund des Freiwilligenprogramms.

Kurzarbeit und Stellenabbau

Wenn Sie diesen Blog regelmäßig lesen, wissen Sie bereits, dass Kurzarbeit allein eine Entlassung nicht verhindert, aber erschwert (siehe hier: https://kanzlei-kerner.de/schuetzt_kurzarbeit_vor_kuendigung_jein/). Anders bei Aufhebungsverträgen: Hier hat bestehende Kurzarbeit keinen Einfluss auf die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung. Zwar muss der Arbeitgeber unter Umständen gegenüber der Agentur für Arbeit das Risiko der Rückzahlung von Kurzarbeitergeld tragen. Gegenüber den Mitarbeitenden kann die Agentur für Arbeit die Zahlung von Kurzarbeitergeld jedoch nur dann verweigern, wenn der Aufhebungsvertrag unterschrieben wurde; nicht bereits, wenn der Teilnahmekreis des Freiwilligenprogramms eröffnet ist.

Schadenersatz bei Ausschluss aus dem Programm?

Sie gehören nicht zum angesprochenen Kreis für die Teilnahme am Freiwilligenprogramm? Dann erfüllen Sie entweder die Voraussetzungen für die Teilnahme nicht oder Ihr Arbeitgeber möchte Ihre Stelle oder Sie selbst im Unternehmen halten. Wenn im Freiwilligenprogramm attraktive Konditionen geboten werden, kann dies ärgerlich sein. Es liegt nahe, die Berechtigung zur Teilnahme am Programm aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abzuleiten. In der Regel wird dies jedoch nicht gelingen, da die Arbeitgeber relativ frei über potenzielle Freiwilligengruppen entscheiden können. Nur in Fällen von Diskriminierung können entsprechende Schadensersatzansprüche berechtigt sein.

Massenhaft Aufhebungsverträge = Massenentlassungsanzeige

Wird eine § 17 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) definierte Anzahl von Arbeitnehmern gleichzeitig oder innerhalb von 30 Tagen entlassen, muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit eine sogenannte Massenentlassungsanzeige vorlegen. Obwohl diese Regelung im Kündigungsschutzgesetz enthalten ist, gilt sie auch für den Abschluss von Aufhebungsverträgen in dem oben genannten Ausmaß. Der Begriff ist nicht hübsch, das Etikett Massenentlassung wirkt sich jedoch positiv auf die Mitarbeiter aus. Der Arbeitgeber muss bestimmte Punkte mit dem Betriebsrat verhandeln und erörtern, bevor er diese Maßnahme ergreift und dann muss er den Betriebsrat auch beteiligen. Um die Arbeitsagenturen auf bevorstehende Arbeitssuchende vorzubereiten, müssen Arbeitgeber bestimmte Informationen über die Entlassung im Voraus angeben. Wird die Massenentlassungsanzeige nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt, kann dies zur Anfechtbarkeit der geschlossenen Aufhebungsverträge führen.

Turboklausel, Sprinterprämie – was bedeutet das alles?

Grundlage des Freiwilligenprogramms ist die Zahlung einer obligatorischen Abfindung. Die einfachste Variante ist die Zahlung von x € als Abfindung. Oft ist die Höhe der Abfindung in Freiwilligenprogrammen höher als bei herkömmlichen Personalabbaumaßnahmen. Es gibt in Bezug auf die Abfindung viele Variationen, z. B. die Erhöhung des Betrags basierend auf der Betriebszugehörigkeit, in Abhängigkeit von Unterhaltsverpflichtungen des Mitarbeiters oder die Gewährung eines zusätzlichen Betrags für Schnellentscheider. Letzteres wird als Sprinterprämie bezeichnet, mitunter auch als Turboprämie. Die so genannte Turboklausel kann allerdings auch vorsehen, dass der Arbeitnehmer vor dem im Vertrag festgelegten Termin ausscheidet und die Abfindung um den vom Arbeitgeber auf diese Weise gesparten Betrag erhöht wird.

Hierneben können wie in einem „normalen“ Aufhebungsvertrag das Arbeitszeugnis, Urlaubsansprüche, offene Gehaltsansprüche etc. geregelt werden.

Fazit: Freiwillige vor! Aber mit offenen Augen.

Im Fall von Freiwilligenangeboten ist auf Seiten der in Frage kommenden und noch unentschlossenen Arbeitnehmer ein kühles Rechenexempel gefragt. Einkalkuliert werden sollte eine mögliche Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit im Fall einer Lücke zwischen zwei Arbeitsstellen. Auch die steuerlichen Auswirkungen sollten nicht außer Acht gelassen werden. Idealerweise lassen Sie sich im Fall der Fälle – und vor Unterzeichnung! – professionell beraten.

Weitere Hinweise zum Thema können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/freiwillige-im-visier-wie-verhalten-bei-stellenabbaumassnahmen/ nachlesen.


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