Beleidigung: Fristlose Kündigung – Vorgesetzten als „Lügner“ bezeichnet

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„Zur außerordentlichen Kündigung eines Sachbearbeiters für Bauleitplanung, der zu seinem Vorgesetzten sagte: „Sie lügen, wie Sie das immer machen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Äußerung des Kl. überlegt erfolgte und nicht im Rahmen einer emotional geprägten Auseinandersetzung.“ – so die Leitsätze des  LAG Hessen, Urteil vom 1. 9. 2006 - 3 Sa 1962/05 (ArbG Offenbach a.M. Urteil 12. 10. 2005 5 Ca 162/05); Quelle: Beck-online.de

Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers rechtfertigen grundsätzlich eine fristlose Kündigung

LAG Hessen: „Nach ständiger Rechtsprechung des BAG können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 I GG) berufen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt zum einen weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Zum anderen ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet, sondern wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 II GG beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesem gebracht werden. Zwar können die Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und an den betrieblichen Verhältnissen, gegebenenfalls auch überspitzt und polemisch, äußern. Im groben Maße unsachliche Angriffe, die unter anderem zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber dagegen nicht hinnehmen. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und um so schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte.“ Quelle: Beck-online.de

„Sie lügen, wie Sie das immer machen“ – rechtfertigt grundsätzlich fristlose Kündigung

LAG Hessen: „Die Äußerung: „Sie lügen, wie Sie das immer machen” kann nur dahingehend verstanden werden, dass der Kl. nicht etwa lediglich in Bezug auf den Vorhalt von Herrn A, der Kl. habe bereits im Sommer 2004 eine Fortbildung abgelehnt, zum Ausdruck bringen wollte, dies entspreche nicht den Tatsachen. Vielmehr hat der Kl. durch den Zusatz „wie Sie das immer tun” deutlich gemacht, dass er seinen Vorgesetzten für jemanden hält, der immer lügt. „Lügen” bedeutet, das Gegenteil der Wahrheit sagen, absichtlich Unwahres sagen, um andere zu täuschen. Dementsprechend wird unter einer Lüge die absichtlich falsche Aussage, eine Aussage zur bewussten Täuschung anderer verstanden. Selbst wenn man mit dem LAG Köln davon ausgeht, dass das Verb „lügen” umgangssprachlich auch ohne den Bedeutungsinhalt, absichtlich Unwahres zu sagen, gebraucht werde, um zu bezeichnen, dass etwas objektiv Unwahres gesagt wird, folgt hieraus, dass der Kl. seinem Vorgesetzten vorgehalten hat, immer objektiv Unwahres zu sagen.“ Quelle: Beck-online.de

Arbeitnehmer zieht durch seine Äußerung die Vertrauenswürdigkeit seines Vorgesetzten generell in Zweifel, deshalb fristlose Kündigung gerechtfertigt

LAG Hessen: „Durch diese Äußerung zog er die Vertrauenswürdigkeit seines Vorgesetzten generell in Zweifel. Wer ständig objektiv Unwahres sagt, dessen Worte sind nichts wert. Diese Äußerung stellt die pauschale Verunglimpfung des Vorgesetzten des Kl. dar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch fest, dass der Kl. diese Äußerung getan hat. Dies hat die Zeugin B so ausgesagt.“ Quelle: Beck-online.de

Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Arbeitnehmers aus 

LAG Hessen: „Bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen ist denen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Kl. der Vorrang einzuräumen. Zu Gunsten des Kl. fallen dessen Lebensalter, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und seine Behinderung ins Gewicht. Hinsichtlich seines Gesundheitszustands ist auch zu berücksichtigen, dass er ausweislich der Mitteilung seines behandelnden Arztes vom 27. 12. 2005 gerade auf Grund seines Arbeitsverhältnisses unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen im psychisch-seelischen Bereich leidet. Zu Lasten des Kl. ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei seinem Fehlverhalten nicht um einen Einzelfall handelte. Bereits im September 2003 hatte er seinen Vorgesetzten aufs Schwerste beleidigt, indem er ihm „Stasi-Methoden” vorwarf und hierfür mit Schreiben vom 20. 10. 2003 abgemahnt werden musste. Diese Abmahnung war nicht durch Zeitablauf wirkungslos geworden. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Eine Abmahnung verliert ihre Bedeutung grundsätzlich erst dann, wenn auf Grund des eingetretenen Zeitablaufs oder auf Grund neuer Umstände der Arbeitnehmer wieder im Ungewissen sein konnte, was der Arbeitgeber von ihm erwarten bzw. wie er auf eine etwaige Pflichtverletzung reagieren werde. Dies lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art der Verfehlung des Arbeitnehmers und des Verhaltens des Arbeitgebers im Anschluss an die Abmahnung beurteilen. In seiner Entscheidung vom 10. 10. 2002 hat das BAG im Falle einer Beleidigung eine Abmahnung auch nach einem Ablauf von rund 3½ Jahren noch nicht als wirkungslos angesehen. Hier lag der Abmahnung ein beträchtliches Fehlverhalten des Kl. zu Grunde. Gerade einem öffentlichen Arbeitgeber Stasi-Methoden vorzuwerfen, verletzt die angesprochenen Personen in ihrer Ehre zutiefst. Allein auf Grund des Ablaufs von 1½ Jahren verlor die Abmahnung daher nicht ihre Relevanz. Da sich nach nur 1½ Jahren ein weiterer schwerwiegender Vorfall ereignete, ist von einer negativen Prognose auszugehen. Die Bekl. muss befürchten, dass der Kl. auch künftig seinen Vorgesetzten in seiner Ehre zutiefst herabwürdigen wird. Sowohl der abgemahnte Sachverhalt als auch der Kündigungssachverhalt betreffen vergleichbare Vorfälle. Nach Auffassung der Kammer ist der Kündigungssachverhalt - entgegen der Auffassung des Kl. - keinesfalls in seinem Gewicht als weniger gravierend zu beurteilen als der abgemahnte Vorfall. Durch die Äußerung, sein Vorgesetzter lüge, wie er das immer machen würde, zog er dessen Vertrauenswürdigkeit generell in Zweifel. Auf Grund dieser pauschalen Verunglimpfung ist aus Sicht der Kammer eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Kl. und seinem Vorgesetzten, Herrn A, in Zukunft nicht mehr denkbar.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.



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