Berufsunfähigkeit

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Was ist Berufsunfähigkeit? Wie kann man sich absichern? Und was ist zu tun, wenn man berufsunfähig ist? Hier erfahren Sie alles, was Sie zu diesem Thema wissen müssen!

Wann ist man berufsunfähig?

Nach dem Gesetz ist berufsunfähig, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer (mindestens sechs Monate) nicht mehr ausüben kann.

Wie kann man sich gegen das Risiko der BU im Berufsleben absichern? Wann genau liegt BU vor? Und was tun, wenn sie tatsächlich eintritt? Hier sind die Antworten.

BU – Vorsorge

Wer sollte eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen? Welche alternativen Versicherungen gibt es? Und was ist beim Abschluss zu beachten?

Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll?

Das Risiko der Berufsunfähigkeit sollte man frühestmöglich absichern, wenn man einen Beruf ausübt und auf Arbeitseinkommen angewiesen ist, um seine Lebenshaltungskosten zu decken. Das betrifft jeden, der nicht über ein entsprechendes passives Einkommen verfügt, ganz besonders Selbstständige. Deren krankheitsbedingter Einkommensverlust wird nämlich weder durch Lohnersatzleistungen des Arbeitgebers noch durch Sozialversicherungsleistungen kompensiert.

Keine gesetzliche Rente

Das Berufsunfähigkeitsrisiko kann nur privat abgesichert werden. Über die gesetzliche Rentenversicherung wird es seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gedeckt. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) leistet nur noch Erwerbsminderungsrente bei Erwerbsminderung, also wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 bzw. 6 Stunden täglich tätig zu sein. Demgegenüber liegt Berufsunfähigkeit bereits vor, wenn man seine konkret ausgeübte Tätigkeit nicht mehr zu mindestens 50 Prozent ausüben kann. Ob andere Tätigkeiten verrichtet werden können, spielt üblicherweise keine Rolle. Die BU-Versicherung greift bei Leistungsbeeinträchtigungen also früher ein als die gesetzliche Rentenversicherung.

Klassische Berufsunfähigkeitsversicherung 

Angesichts wachsender Produktvielfalt hat sich der Berufsunfähigkeitsschutz in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Das betrifft vor allem Prognosezeiträume und Verweisungsklauseln, aber auch die Dynamisierung der Rente im Leistungsfall. Die inzwischen üblichen Bedingungen sehen außerdem eine volle Leistungspflicht des Versicherers schon ab 50 Prozent Berufsunfähigkeit vor.

BU-Versicherungen abschließen trotz Vorerkrankung 

Leiden Sie unter Vorerkrankungen, ist der Abschluss einer klassischen BU-Versicherung nicht von vornherein ausgeschlossen. Im Rahmen der Risikoprüfung, die der Versicherer vor Vertragsabschluss mit Hilfe Ihrer Angaben durchführt, wird festgestellt, ob Versicherungsfähigkeit besteht und gegebenenfalls zu welchen Konditionen. Oftmals kann man trotz (Vor-)Erkrankungen versichert werden – manchmal sogar zum normalen Tarif, ansonsten gegen einen Risikozuschlag oder gegen einen Leistungsausschluss bei bestimmten Erkrankungen.

Berufsunfähigkeitsversicherung – Alternativen

Kommt eine klassische private Berufsunfähigkeitsversicherung mit Rente zur Arbeitskraftabsicherung mangels Versicherbarkeit oder wegen der Beitragshöhe nicht in Betracht, kann auf alternativen Versicherungsschutz ausgewichen werden. Zu ihm gehört die Erwerbsunfähigkeitsversicherung, die in der Regel (ähnlich wie bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente) eingreift, wenn der Versicherte nicht mehr als 2 oder 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann. Daneben gibt es die Dread-Disease-Versicherung, die die Auszahlung der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme bei Eintritt von bestimmten schweren Erkrankungen vorsieht. Demgegenüber versichert die sogenannte Grundfähigkeitsversicherung den (Teil-) Verlust bestimmter Grundfähigkeiten (z.B. Gehen und Treppensteigen).

Verkürzte Gesundheitsfragen

Diesen Alternativen ist gemein, dass der Leistungsanspruch strengeren Voraussetzungen als bei der klassischen BU unterliegt. Im Gegenzug muss der Versicherungsnehmer im Versicherungsantrag nur stark verkürzte Gesundheitsfragen beantworten.

Übrigens: Verkürzte Gesundheitsfragen enthalten manchmal auch klassische BU-Verträge, die im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) über den Arbeitgeber oder bestimmte Berufsverbände abgeschlossen werden können. Hier kann es sich lohnen nachzufragen.

Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung – Was beachten?

Um für den eigenen Bedarf die bestmögliche Absicherung zu erhalten, empfiehlt es sich für Erwerbstätige, die Berufsunfähigkeitsversicherung weder über ein Online-Vermittlungsportal noch über einen Versicherungsvertreter abzuschließen, sondern einen Versicherungsberater oder einen auf die BU spezialisierten Versicherungsmakler aufzusuchen. Makler müssen einen Marktüberblick über die von Versicherern angebotenen Produkte haben, und ihrem Rat grundsätzlich eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen zugrunde zu legen, so dass sie nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahingehend abgeben können, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, um die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 S. 1 VVG). Er ist daher ein guter Ansprechpartner. Verletzt der Makler seine Beratungspflichten schuldhaft, hat er dem Versicherungsnehmer den hierdurch verursachten Schaden zu ersetzen.

Berufsunfähigkeitsversicherung – Gesundheitsfragen

Wie schon erwähnt, hat der Versicherte bei der Vertragsanbahnung eine Vielzahl von Antragsfragen zu beantworten. Zu ihnen gehören vor allem Fragen zum Gesundheitszustand und (Vor-)Erkrankungen. Mit ihrer Hilfe kann der Versicherer die Risikoprüfung durchführen und das zu versichernde Risiko kalkulieren.

Gesundheitsfragen richtig beantworten

Bei der Risikoprüfung verlässt der Versicherer sich auf die Angaben des Antragstellers. Beantwortet dieser die Gesundheitsfragen falsch oder unvollständig, steht dem Versicherer unter Umständen das Recht zu, im Leistungsfall abzulehnen und gegebenenfalls auch, sich von dem Vertrag zu lösen. Deshalb sollte eine zutreffende Beantwortung der Gesundheitsfragen unbedingt sichergestellt werden, um einen späteren Anspruch nicht zu gefährden.

Um sich Ärger zu ersparen, sollten Sie, bevor Sie den Versicherungsantrag ausfüllen und absenden, Ihre Krankengeschichte und Erkrankungen der letzten 5 bzw. 10 Jahre – das hängt vor allem davon ab, welcher Zeitraum abgefragt wird – vollständig aufarbeiten. Hierfür reicht die Einholung des Leistungsverzeichnisses des Krankenversicherers bzw. der Patientenquittung der Krankenkasse oftmals nicht aus. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, zusätzlich einen auf die BU-Versicherung spezialisierten Fachanwalt zu konsultieren.

Risikovoranfrage

Wurde die Krankengeschichte ordentlich aufgearbeitet, sollte über einen spezialisierten Versicherungsmakler eine sogenannte Risikovoranfrage gestellt werden. Sie ist anonym, d.h. Ihre personenbezogenen Daten werden anonymisiert. Die Risikovoranfrage verhindert negative Einträge im sogenannten HIS, dem „Hinweis- und Informationssystem“ der deutschen Versicherungswirtschaft. Hierbei handelt es sich um eine Wagnisdatei, in der zahlreiche Informationen von Versicherten und Antragstellern gespeichert werden. Ist darin dokumentiert, dass ein Berufsunfähigkeitsversicherer den Versicherungsantrag – etwa wegen der Gesundheitsangaben – abgelehnt hat, kann es schwer werden, einen vergleichbaren Vertrag bei einem anderen Anbieter abzuschließen.

Berufsunfähigkeit – Wann genau liegt sie vor? 

Das hängt davon ab, wie sie in den vereinbarten Versicherungsbedingungen definiert wird. Nach den derzeit üblichen Versicherungsbedingungen ist der Versicherte berufsunfähig, wenn er seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich oder tatsächlich mindestens sechs Monate nicht mehr zu mindestens 50 Prozent ausüben kann.

Von diesen üblichen Bedingungen weichen allerdings nicht wenige Versicherungsbedingungen ab. Insbesondere seit der Deregulierung des Versicherungsmarktes in den 1990er Jahren ist es zu einer stetig wachsenden Produktvielfalt gekommen. So gibt es etwa Versicherungspolicen, die anstelle von 50 Prozent schon ab 25prozentiger Berufsunfähigkeit leisten. Andere knüpfen die Leistungspflicht (auch) an den Bezug einer gesetzlichen Erwerbsminderungsrente oder an den Eintritt von Dienstunfähigkeit. Wiederum andere leisten (auch) bei Arbeitsunfähigkeit. Ein Blick in die Police und die einschlägigen Versicherungsbedingungen ist also unumgänglich, um feststellen zu können, wie der Versicherungsfall definiert ist und wann der Versicherer zu leisten hat.

Wann ist man zu 50 Prozent berufsunfähig – die 50-Prozent-Regel 

Wann aber ist ein Grad von 50 Prozent erreicht?

50 Prozent Berufsunfähigkeit liegen zunächst vor, wenn die Anzahl der leistbaren Arbeitsstunden bezogen auf den in gesunden Tagen ausgeübten Beruf auf unter 50 Prozent sinkt.

Beispiel: Unternehmensberater Felix kann wegen einer Depression statt 50 Wochenstunden nur noch 20 Wochenstunden arbeiten. Er ist berufsunfähig.

Hierbei handelt es sich um eine rein quantitative Betrachtung. Berufsunfähigkeit liegt jedoch auch vor, wenn eine Person mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit tätig sein, aber eine prägende Teiltätigkeit ihres Berufs wegen dem Leiden nicht mehr verrichten kann.

Beispiel: Annette ist Hauswirtschafterin und arbeitet 40 Wochenstunden. Nach einem Unfall kann sie wegen einem Rückenleiden ihren Beruf zwar noch in einem Umfang von 30 Wochenstunden kochen, aber nicht mehr den wöchentlichen Einkauf erledigen. Damit ist sie berufsunfähig.

Die Frage, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, hängt also nicht allein von den Arbeitsstunden ab!

Verweisungsklausel in der BU-Versicherung

Die allermeisten Versicherungsverträge machen die Berufsunfähigkeit außerdem von einem weiteren Kriterium abhängig – der (fehlenden) Verweisungsmöglichkeit. Der Versicherungsfall ist danach nur gegeben, wenn die versicherte Person ihren Beruf nicht mehr ausüben kann und auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht (§ 172 Abs. 3 VVG). Neuere Versicherungsverträge sehen in der Regel nur noch eine konkrete Verweisung vor, also eine Verweisung für den Fall, dass der Versicherte eine vergleichbare Tätigkeit tatsächlich ausübt.

Berufsunfähig – Was nun? Leistungsantrag stellen! – Tipps 

Tritt der Versicherungsfall ein und der Beruf kann nicht ausgeübt werden, ist ein umsichtiges Vorgehen angezeigt!

Von Anfang an Fallstricke beachten

Hat der Versicherte etwa Krankentagegeld bezogen, drohen nicht selten Rückforderungsansprüche des Krankenversicherers in fünfstelliger Höhe, wenn (rückwirkend) eine Berufsunfähigkeitsrente bewilligt wird. Das – und einige andere Rechtsfragen – sollten unbedingt vor Anzeige der BU und Antragstellung geklärt werden. Im Idealfall lässt der Versicherte sich beraten, noch bevor er Kontakt zu seinem BU-Versicherer aufnimmt, um die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente zu erhalten.

Berufsunfähigkeitsrente beantragen – Antrag ausfüllen 

Angezeigt werden kann die Berufsunfähigkeit formlos – also durch eine E-Mail, ein postalisches Schreiben oder einen Anruf beim Versicherer. Wenig später sollte man dann ein Antragsformular erhalten, in dem umfangreiche Fragen zum Beruf und zu den Einkommensverhältnissen, zu der Erkrankung, die zur Berufsunfähigkeit führt, und zu (avisierten) Behandlungen gestellt werden. Der Versicherungsnehmer wird außerdem aufgefordert, diverse Unterlagen und Nachweise vorzulegen.

Leistungsantrag – Mitwirkungspflicht 

An der sogenannten Leistungsprüfung des Versicherers hat der Versicherte mitzuwirken – selbstverständlich nur im gesetzlichen Rahmen. Einem rechtswidrigen Mitwirkungsverlangen muss er nicht nachkommen.

Wie lange dauert die Leistungsprüfung des BU-Versicherers? 

Ohne professionelle Hilfe dauert die Leistungsprüfung nicht selten ein Jahr und länger. Leider verschleppen BU-Versicherer oftmals die Prüfung ihrer Leistungspflicht. Typischerweise fordert der Versicherer in solchen Fällen immer mehr Dokumente und zuweilen auch nicht existente Unterlagen an, um irgendwann abzulehnen mit der Begründung, Leistungen könnten aufgrund fehlender Unterlagen nicht erbracht werden. Dabei sollte der Versicherer bei zügiger und vollumfänglicher Mitwirkung des Versicherten eine Leistungsentscheidung grundsätzlich binnen einiger Monate treffen, damit der Versicherungsnehmer zeitnah die BU-Rente erhält.

Den Antrag richtig ausfüllen

Die Antragstellung kostet nicht nur Zeit und Nerven, sie birgt auch diverse Fallstricke (einen guten Überblick und Informationen über die gängigsten Fallstricke beim Antrag auf BU-Rente finden Sie hier.). Das fängt bei den Antragsformularen an, die fast immer unklare Fragen enthalten und den Versicherten zu „falschen“ Angaben verleiten, die ihm später zum Nachteil gereichen. Zudem wissen viele Versicherte nicht, dass der Versicherer in vielen Fällen nicht nur das Tätigkeitsbild und den Gesundheitszustand prüft, sondern auch, ob die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag zutreffend beantwortet wurden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch Begutachtungen, die vom Versicherer zur Feststellung der beschwerdebedingten Leistungseinschränkungen veranlasst werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu gravierenden Fehlern, die jahrelange Gerichtsverfahren nach sich ziehen können. Solche Folgen lassen sich vermeiden.

Berufsunfähigkeit ist ein komplexes Thema – Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe!

Die Berufsunfähigkeit und ihre Absicherung sind vielschichtige Themen. Sollten sich bei Vertragsabschluss oder später – insbesondere beim Eintritt des Versicherungsfalles – Fragen bzw. Probleme stellen, suchen Sie unbedingt einen Experten auf. Bei der Absicherung der Arbeitskraft geht es um bis zu sechs- bzw. siebenstellige Versicherungssummen, die es sowohl bei Vertragsabschluss als auch im Leistungsfall zu sichern gilt. Professionelle Unterstützung lohnt sich also!

Die Expertinnen der BU-Hilfe.de helfen schnell und unkompliziert 

Die BU-Hilfe.de ist deutschlandweit die erste und bislang einzige Kanzlei, die ausschließlich auf das Recht der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisiert ist. Als auf die BU-Versicherung spezialisierte Fachanwältinnen für Versicherungsrecht mit jahrelanger Erfahrung beraten wir Sie umfassend zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Sollte der Leistungsfall eingetreten sein, halten wir Ihnen den Rücken frei und erwirken für Sie schnellstmöglich eine (positive) Leistungsentscheidung von Ihrem Versicherer.

Kontaktieren Sie uns gern über diese Homepage, oder über das Kontaktformular auf unserer Internetseite, per E-Mail oder per Telefon.

Wir freuen uns auf Sie und helfen Ihnen gern!

Ihre Susanne Aydinlar & Katrin Link

Foto(s): @https://pixabay.com/de/users/mohamed_hassan-5229782/ und @https://fotos-berlin.net/

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