Betäubungsmittelstrafrecht: Probleme mit der Polizei wegen Anom.io?

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Die durch das FBI, Europol und die australische Bundespolizei orchestrierte Operation „Trojan Shield“, die darin bestand, einen verschlüsselten Messengerdienst analog zu den bereits durch die Behörden gesprengten Anbietern EncroChat oder PhantomSecure zu entwickeln, als Privatfirma in Panama getarnt zu vermarkten und alle Chats mitzuschneiden, hat Anfang Juni 2021 mit fast 1000 Festnahmen und der Sicherstellung von etlichen Tonnen Drogen, sowie Unsummen Bar- und Kryptogeld geendet. In Deutschland hat es bislang zwischen 70 und 80 Festnahmen und Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen Waffen- und Betäubungsmittelgesetz gegeben.


Wie gehen die Behörden gegen Nutzer von Anom.io vor?

Anders als bei anderen verdeckten Ermittlungen der Vergangenheit, in denen die Ermittler sich über längere Zeiträume in existierende Chats einschleichen mussten, oder erst nach Verhaftung der Betreiber auf gespeicherte Daten zugreifen und diese auswerten konnten, haben FBI, AFP und Europol diesmal die Entwicklung und Vermarktung eines „abhörsicheren“ Chatrooms selbst in die Hand genommen, und konnten alle dort geführten Gespräche in Echtzeit mitlesen. Zahlreiche Chats wurden dementsprechend zeitnah aufgearbeitet, und viele Straftaten im Zustand der Planung verhindert. Andererseits wurden aber auch tausende private Chats ohne konkreten Tatverdacht durch staatliche Behörden belauscht, was bei allem Erfolg der Aktion als eklatanter Verstoß gegen das Recht auf Privatsphäre nicht außer Acht bleiben darf.


Warum ist das Vorgehen der Ermittlungsbehörden im Falle von Anom.io problematisch?

1. Verwertbarkeit

Zunächst einmal ist die Tatsache problematisch, dass durch Ermittlungsbehörden unter dem Deckmantel einer privaten Firma und unter Werbung mit der Garantie der Privatsphäre in einem abhörsicheren Chat wahllos Daten von Nutzern gesammelt wurden, unter Anderem von deutschen Nutzern. Dies stellt möglicherweise unzulässige Ermittlungen ausländischer Behörden auf deutschem Boden dar. Ergebnisse solcher Ermittlungen dürfen unter Umständen in einem Gerichtsverfahren nicht verwertet werden.

2. Persönlichkeitsrecht

Hinzu kommt der Umgang deutscher Behörden mit den erhaltenen Daten.

Die Nutzung von verschlüsselten Messengerdiensten stellt keine Straftat dar. Daher können Nutzer nicht automatisch unter Generalverdacht gestellt werden.

So lange gegen eine einzelne Person über die bloße Nutzung des Messengerdienstes Anom hinaus keine Verdachtsmomente vorliegen, ist das Ausspähen (etwa von Chatverläufen) dieser Person, das eine Online-Durchsuchung nach § 100b StPO darstellt, die eines gerichtlichen Beschlusses und eines konkreten Tatverdachts bedarf, ein Verstoß gegen deren Persönlichkeitsrechte (§§ 1, 2 GG).


Welche Vorwürfe werden gegen Nutzer von Anom.io erhoben?

Es handelt sich, gerade in Deutschland im Wesentlichen um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz, sowie vereinzelt um den Verdacht des Betrugs, Computerbetrugs, und der Geldwäsche. Kann die Planung von Straftaten durch die Chats einwandfrei nachgewiesen werden, ist eine Verurteilung wahrscheinlich. Problematisch ist die Verfolgung von Straftaten, die nicht eindeutig geplant sind, und deren Durchführung im Falle eines Abwartens der Behörden nicht als sicher angenommen werden kann, sowie das Eröffnen von Strafverfahren aufgrund von Taten, die aufgrund von Tätigkeiten oder Aussagen im Chatroom als begangen angenommen werden, und nicht erwiesen sind.

Wenn Sie mehr zum Thema wissen wollen, lesen Sie auch den Artikel Strafverfahren wegen Anom in unserem Rechtsblog.


Welche Strafen können Nutzern von Anom.io drohen?

Die Nutzung verschlüsselter Messengerdienste ist wie gesagt keine Straftat, und nur solche Taten, die mindestens in ihrer Absicht einwandfrei nachgewiesen sind, können bestraft werden.

Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, die etwa Besitz, Ein- und Ausfuhr, Anbau, Inverkehrbringen und Handel von illegalen Rauschmitteln umfassen, werden nach § 29 BtMG mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren (in schweren Fällen, etwa in Kombination mit Waffenbesitz oder bei gewerbsmäßig organisierten Handel) bis zu 10 Jahren bestraft.

Dieselben Strafen drohen gemäß § 51 WaffG bei illegalem Besitz von oder Handel mit Waffen.

Wenn Sie wegen der Nutzung von Anom Probleme mit der Polizei haben, müssen Sie unverzüglich handeln!

Wahren Sie unter allen Umständen Ihr Schweigerecht und geben Sie den Ermittlern keinerlei Auskünfte, um nicht Gefahr zu laufen, sich selbst unnötig zu belasten.

Kontaktieren Sie schnellstmöglich einen Fachanwalt für Strafrecht, der Einsicht in die Ermittlungsakte beantragen kann, um festzustellen, was man überhaupt gegen Sie in der Hand hat, und zu prüfen, ob das Vorgehen der Behörden überhaupt zulässig ist.

Dr. Brauer Rechtsanwälte sind auf Strafrecht spezialisiert und vertreten Sie bundesweit.

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