Beweisen einer Schwerbehinderung

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Sie sind behindert, aber keiner glaubt Ihnen? Die Behörde schreibt Ihnen "Um Ihren Gesundheitszustand aufzuklären, habe ich den medizinischen Sachverhalt aufgeklärt und unter ärztlicher Beteiligung ausgewertet". Was verstehen Behörden unter "Aufklärung"? Behörden ermitteln aufgrund des SGB X (das Buch des Sozialverwaltungsverfahrens). Gem. § 20 SGB X ermitteln sie von Amts wegen, sind an das, was Sie vorbringen, nicht gebunden. Sie können u. a. Auskünfte aller Art einholen, Sachverständige und Zeugen vernehmen. Ausgangspunkt hierfür ist das übliche Antragsformular, in dem Sie ärztliche oder Krankenhausbehandlungen der letzten Jahre angeben. Ihre Ärzte schreiben nur Unverständliches wie "Dysarthrie", Neuroforamenstenose HWS" u. ä. Gerade um die Diagnose geht es im Schwerbehindertenrecht aber nicht, sondern um die Auswirkungen der Krankheit. Inwieweit werden Sie im täglichen Leben dadurch eingeschränkt? Die Beeinträchtigungen ergeben sich aber nicht aus dem Befundberichten Ihrer Ärzte.

Notgedrungen treten Sie den Gang zum Gericht an. In den Fragebögen, die im Sozialgerichtsverfahren eingereicht werden (sie heißen in jedem Bundesland anders: Fragebogen zur Person, Fragebogen über medizinische Behandlung) sollen Sie ihre Ärzte, Krankenhäuser etc. aufzählen. Spätestens Richter oder Richterin erzählen Ihnen: "Wir sind ja keine Mediziner und haben deshalb ein Gutachten in Auftrag gegeben". Begutachtet werden Sie – natürlich – von einem Arzt. Ihre Therapeuten (Physiotherapeut, Logopäde, Psychotherapeut u. a.) könnten ganz genau erzählen, was Ihnen fehlt, welche Fortschritte Sie machen, welche Rückschläge Sie erleiden, aber die will scheinbar keiner hören. Viele geben an der Stelle auf. Das muß nicht sein!

Im Prozeß vor dem Sozialgericht entscheidet das Gericht, welche Beweise es erhebt. Richter / Richterin entscheiden nach freiem Ermessen und sind nicht an Ihre Beweisanträge gebunden. Es liegt erst dann eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht vor, wenn das Gericht sich hätte gedrängt fühlen müssen, einen Beweis zu erheben. Wie "drängen" Sie das Gericht dazu, Ihre Therapeuten zu hören? Es gelten teilweise ähnliche Regeln wie im Zivilprozeß. Als Beweismittel kommen nicht nur Sachverständige (eben Ärzte) in Frage, sondern auch sachverständige Zeugen und Krankenunterlagen. D. h., wenn das Gericht schon von sich aus nicht bei Ihren Therapeuten ermitteln will, dann reichen Sie doch einfach einen Bericht Ihres Therapeuten über die Therapie bei Gericht ein.

Ihr Arzt kann schon mit der Verordnung des Heilmittels (das ist nichts anderes als z. B. Physiotherapie, Logopädie o. ä.) "einen Therapiebericht anfordern. Selbst, wenn Ihr behandelnder Arzt keinen solchen anfordern will, heißt das nicht, daß Sie Ihren Therapeuten nicht darum bitten dürfen! Außerdem ist auf der Verordnung immer Platz für den Arzt, um Therapieziele anzugeben. Die meisten Ärzte tun das aber nicht, sie verordnen pauschal. Im Ergebnis bestimmt der Therapeut, was wann und wie gemacht wird.

Außerdem können Sie Ihren Therapeuten als sachverständigen Zeugen nennen. Ein sachverständiger Zeuge ist kein Sachverständiger, aber "mehr" als ein Zeuge. Ein Zeuge sagt etwas aus über Geschehnisse. Ein sachverständiger Zeuge sagt etwas über Geschehnisse aus, die er ganz besonders wegen seiner Ausbildung und Erfahrung beurteilen kann.

In keinem Gesetz – schon gar nicht in einem Sozialgesetzbuch – steht geschrieben, daß ein Sachverständiger zwingend ein Arzt sein muß. Nur, weil das Sozialgericht nicht von sich aus auf die Idee kommt, auch andere Personen als Mediziner zu befragen, heißt das nicht, daß Sie es nicht vorschlagen können. Ein Gericht muß sich von einem Kläger*in einen Eindruck machen. Wie er/sie das macht, ist ihm/ihr überlassen. Also haben Sie es in der Hand!

Sie trauen es sich nicht zu oder sind unsicher? Der Schreibkram mit dem Gericht ist nichts für Sie? Kontaktieren Sie mich doch!


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