BGH entscheidet: Richter können Behauptungen im Prozess auch ohne Zeugen glauben

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Der Bundesgerichtshof (BGH) spricht mit dem Beschluss vom 27.09.2017 (Az.: XII ZR 48/17) der tatrichterlichen Überzeugungsbildung ein hohes Maß an Gewicht zu: „Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist.“

Eigene Angaben beweisen: Auch ohne Zeugen und Beweiserhebung durchaus möglich

Für die Darlegungs- und Beweislastregel gilt in einem Streitfall grundsätzlich Folgendes: Derjenige, der von einem anderen etwas begeht, muss darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für seinen Anspruch begründet sind. Dies bedeutet, dass die Anspruchsgrundlagen fundiert aufgezeigt werden müssen. Im Falle eines Bestreitens durch den Anspruchsgegner, muss nach freier Würdigung des Gerichts zu dessen Überzeugung feststehen, dass die Behauptungen des Klägers wahr sind – bestehen Zweifel am Wahrheitsgehalt, geht dies zulasten des Klägers. „Die Parteianhörung nach § 141 ZPO ist allerdings kein Beweismittel, sodass auf ihrer Grundlage nicht ein Beweisantrag der Gegenpartei abgelehnt werden kann“, so die Richter des BGH. Der Tatrichter könne jedoch „im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben … einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeiten fehlt, beweisen kann … und ihr im Einzelfall sogar Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen oder des der Partei vernommenen Prozessgegners geben“.

Mutter klagt gegen erwachsenen Sohn: Knapp 60.000 Euro gestohlen – keine Zeugen

Im Streitfall hatte eine Mutter gegen ihren Sohn und dessen Ehefrau auf Urkundenfälschung und Diebstahl von knapp 60.000 Euro aus einem Schließfach geklagt. Nachdem das Oberlandesgericht Braunschweig zugunsten der Klägerin urteilte (Az.: 2 U 44/15), ging der Sohn erfolgreich mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vor. Im Zuge der Ermittlungen hatte sich herausgestellt, dass die Mutter die Auflösungs- und Auszahlungsanträge selbst unterzeichnet hatte. Der angeklagte Sohn und seine Ehefrau hatten zudem versichert, dass sie der Mutter das Geld zurückgezahlt hatten – weitere Zeugen gab es hierfür jedoch nicht. Der BGH urteilte zugunsten des Beklagten und verwies darauf, dass die Angaben der Klägerin und die Angaben des Beklagten gleichermaßen hätten berücksichtigt werden müssen: „Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, soweit der Beklagte … verurteilt worden ist, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen“.

Fazit: Beweise vor Gericht auch ohne Zeugen möglich

Stehen im Prozess die Aussagen der streitenden Parteien in Widerspruch zueinander, so sind in der Regel Zeugenaussagen von großer Bedeutung. Fehlt es jedoch an Zeugen oder können die Aussagen nicht mittels einer Parteivernehmung bewiesen werden, steht es dem Richter zu, den Behauptungen und Angaben einer Partei auch ohne Zeugen zu glauben. Dies ermöglicht sowohl Klägern als auch Beklagten die Möglichkeit, richterliche Würdigung des Wahrheitsgehalts der eigenen Aussagen zu erlangen.


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