Bizarre Bewerbung eines auf „Bahnhofspennerniveau verharzten“ Volljuristen

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Ein Bewerber genießt im Bewerbungsprozess Arbeitsrechte.

Das Landes-Arbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg befasste sich im Jahr 2007 mit einem äußerst bizarren arbeitsrechtlichen Fall. Ein Jurist bewarb sich auf eine offene Stelle. Allerdings fehlte es der Bewerbung an der nötigen Ernsthaftigkeit. Das ließ die Vermutung zu, es handele sich dabei um einen Scherz. Der Bewerber meinte dies jedoch ernst – und verklagte die Arbeitsstelle, weil er sich diskriminiert fühlte. Was war da passiert?


Die Bewerbung

2006 bewarb sich der 1952 geborene Kläger, der 1982 sein zweites Staatsexamen in Rechtswissenschaften erfolgreich abschloss, auf eine Stelle als Jurist. Die Stelle des Öffentlichen Dienstes war bei der Arbeitsgemeinschaft Arbeitslosengeld II ausgeschrieben. Der Kläger reichte seine Bewerbung schriftlich ein. Dafür verwendete er Briefpapier mit seinem persönlichen Briefkopf. Dieses kennzeichnete ihn als zugelassenen Rechtsanwalt. Dann aber forderte er in der Fußzeile eine Bordell-Umsatzsteuer:

„Im übrigen [sic] bin ich der Meinung, dass die Herren Lustmolche und Sittenstrolche, welche als die „Herren Freier“ regelmäßig in Bordellen verkehren, zu einer Sonderabgabe (Bordell oder Bordellumsatzsteuer) herangezogen werden müssten. Mit diesem Steueraufkommen sollte die Lebenssituation der Menschen in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen verbessert werden.“

Das Bewerbungsfoto zeigte den Kläger bei einem Schachturnier vor dem Spielbrett sitzend. Auf dem Lebenslauf befand sich der Spruch: „Einsatzbereit! Lässt sich kein X für ein U vormachen!“ Außerdem offenbarte der Lebenslauf, dass der Kläger nach seinem zweiten Staatsexamen bis 1998 als selbstständiger Rechtsanwalt arbeitete. Danach folgten die Zeilen:

  • „Seit 01.02.2000 von bezahlter Arbeit ausgeschlossen"
  • "Seit 01.01.2005 im Zuge der sogenannten Reform Harz IV auf Bahnhofspennerniveau verharzt“

Die Stelle erhielt eine andere Bewerberin. Darin sah sich Kläger arbeitsrechtlich gemäß Allgemeinem Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG) aufgrund seines Alters, Geschlechts, seiner Arbeitslosigkeit und politischen Engagements diskriminiert. Deshalb forderte er als Ausgleich für die Ablehnung einen Schadensersatz in Höhe von sechs Brutto-Monatsgehältern.


Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg

Der Kläger stellte dafür beim zuständigen Arbeitsgericht Antrag auf Prozesskosten-Hilfe. Das Gericht lehnte diesen jedoch ab. Der Kläger reagierte daraufhin mit einer Beschwerde beim LAG Baden-Württemberg. Das Gericht räumte einerseits ein, dass der Kläger für die Stelle die nötigen Qualifikationen mitbrachte. Andererseits war keinesfalls ersichtlich, dass es sich um eine ernsthafte Bewerbung handelte. Wohl waren in erster Linie das Bewerbungsfoto und der Briefkopf für die Zweifel an der Ernsthaftigkeit ausschlaggebend. Das Gericht vermutete, dass der Bewerber bewusst Aufsehen erregen sowie das staatliche Rechtssystem lächerlich machen wollte.

(LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.08.2007 – 3 Ta 119/07)


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Stichworte: Arbeitsrecht, Bewerbung, AGG, Prozesskosten-Hilfe, LAG Baden-Württemberg

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