Corona-Pandemie: Gewerbemiete in Zeiten von Covid-19

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Die Corona-Pandemie führt aktuell dazu, dass vertragliche Leistungen und Gegenleistungen nicht mehr dem entsprechen, was die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ihrer Vorstellung gemacht haben.

Aus Sicht des Gewerberaummieters, der sich meist langjährig vertraglich bindet, ist daher zu prüfen, ob ein Recht zur fristlosen Kündigung oder zumindest ein Anspruch auf Vertragsanpassung existiert.

1.

Ein auf Gewährleistungsrecht gestütztes Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1, § 536 Abs. 1 und Abs. 2 BGB würde einen Mangel oder das Fehlen zugesicherter Eigenschaften der Mietsache voraussetzen. In beiden Alternativen stellt sich jedoch das Problem, dass die entscheidenden Umstände, die den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des Mietergeschäfts determinieren, keinen unmittelbaren Bezug zur Beschaffenheit des Mietobjekts haben. Demzufolge ist ein auf Gewährleistungsrecht gestütztes Kündigungsrecht nicht einschlägig.

Nicht die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts, sondern das allgemeine unternehmerische Verwendung- und Gewinnerzielungsrisiko, das beim Mieter und nicht bei dem Vermieter liegt, ist betroffen. Grundsätzlich ist also festzuhalten, dass das Ertrags- und Verwendungsrisiko, d. h. die Ungewissheit, in dem angemieteten Objekt das eigene oder überhaupt irgendein Geschäftskonzept verwirklichen zu können, grundsätzlich allein zulasten des Mieters geht.

2.

In extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt, soll trotz einseitiger vertragliche Risikozuweisung eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage möglich sein (vgl. hierzu BGH NZA 2000,492 ff.).

Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder durch die bei Abschluss des Geschäfts zutage getretenen, dem Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des anderen Teils von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Fortbestand bestimmter Umstände, auf die sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut. 

Die Geschäftsgrundlage entfällt unter anderem auch dann, wenn eine tatsächliche Entwicklung eintritt, die von beiden Seiten nicht vorhergesehen worden ist. Dies dürfte bei höherer Gewalt wie der Corona-Pandemie sicherlich ausreichend sein. Diese Entwicklung war für keine der beiden Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhersehbar. Wird das ursprünglich bei Vertragsschluss vorhandene Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenz) durch unvorhergesehene Veränderungen so schwer gestört, dass damit das von einer Partei normalerweise zu tragende Risiko (Verwendungsrisiko beim Mieter) in unzumutbarer Weise überschritten wird, so ist der Vertrag den veränderten Umständen anzupassen (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1993, 773 ff.). Bei Überschreitung des üblicherweise übernommenen Äquivalenzstörungsrisikos ist es gerechtfertigt, im Wege der Vertragsanpassung von der grundsätzlichen Risikozuweisung abzuweichen und letztlich dieses „exorbitante“ Risiko bzw. die damit verbundenen Kosten auf beide Parteien angemessen zu verteilen (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1993, 773 ff.). 

Dieser Eingriff in das Vertragsverhältnis ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Belange einer Partei auch nicht mehr annähernd gewahrt sind. Demnach muss nicht nur eine schwerwiegende Äquivalenzstörung vorliegen, sondern die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag muss auch auf die infrage stehende Äquivalenzstörung zurückzuführen sein. Diese Opfergrenze, d. h. die unzumutbare Überschreitung des allgemeinen vertraglichen Risikos einer Äquivalenzstörung wird daher zum einen vom Umfang der Risikoübernahme, d. h. den Erwartungen, die die Parteien redlicherweise bereits bei Vertragsschluss im Hinblick auf die gesamte Länge der Vertragslaufzeit haben mussten, zum anderen vom Ausmaß der aufgrund der Äquivalenzstörung zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile, und damit unter anderem von der Länge der Restlaufzeit des Vertrags bestimmt.

Denkbar ist daher grundsätzlich, dass in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB vorliegt, die dem Mieter ein Anspruch entweder auf Vertragsanpassung oder, wenn dies nicht zu einem interessengerechten Ergebnis führt, sogar auf Vertragsbeendigung einräumt.

Die Corona-Pandemie und die aus diesem Grunde behördlich angeordneten Einschränkungen stellen eine solche unvorhersehbare schwerwiegende Veränderung der vertraglichen Grundlage dar, da zumindest anzunehmen ist, dass eine der Vertragsparteien (in der Regel der Mieter) bei Kenntnis der Veränderung durch die Corona-Pandemie den Mietvertrag nur mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte. 

Hier stellt sich vor dem Hintergrund der aktuell herrschenden Ausnahmesituation die Frage, ob nicht eine Änderung der gesetzlich vorgesehenen Risikoverteilung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzunehmen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH gebietet der Grundsatz der Vertragstreue, vom Vertrag nur dann abzugehen, wenn eine derartig grundlegende Änderung der maßgeblichen Umstände vorliegt, dass ein weiteres Festhalten an der ursprünglichen Vertragsregelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Für die Abkehr von diesem gesetzlichen Leitbild spricht, dass die Betriebseinschränkungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, für viele Mieter eine Existenzbedrohung darstellen und nicht mit dem alltäglichen Gewinn- und Verlustrisiko eines Unternehmers zu vergleichen sind. Solche Einschränkungen, wie sie das öffentliche Leben derzeit erfährt, gab es in der Bundesrepublik Deutschland bis dato noch nie.

Allerdings ist dies eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und damit abhängig von den jeweiligen konkreten Umständen und vertraglichen Regelungen, ob diese tatsächlich zu derartigen untragbaren Ergebnissen führen.

3.

Zudem ist nicht klar, welchen Inhalt der Vertragsanpassungsanspruch des Gewerberaummieters haben kann.

Zu überlegen wäre, dass die Miete für einen gewissen Zeitraum (bis zur Beendigung der behördlichen Einschränkungen – Details müssten in der vertraglichen Anpassung benannt werden) reduziert wird. Hierbei wird sicherlich auch die ursprüngliche gesetzliche Risikoverteilung zu berücksichtigen sein. Ferner sind die Belange des Vermieters zu berücksichtigen, der ebenfalls in einer außergewöhnlichen Situation schutzbedürftig ist. Es ist davon auszugehen, dass die Nutzbarkeit der angemieteten Flächen vollumfänglich möglich wäre, jedoch der Betrieb des Mieters durch die behördlichen Anordnungen erheblich eingeschränkt ist (Kurzarbeit/Home Office/Umsatzeinrüche). Es erscheint interessengerecht, je nach Einzelfall eine Reduzierung der Mietzahlungspflicht zwischen 25 und 50 % im Rahmen der Vertragsanpassung zu vereinbaren. 

4.

Da es zu dem vorgeschriebenen Problem keine aktuellen gerichtlichen Entscheidungen gibt, ist eine gewisse Rechtsunsicherheit nicht von der Hand zu weisen. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass mögliche finanzielle Unterstützungsleistungen des Gewerberaummieters durch den Staat dazu führen können, dass eine ursprünglich extreme Störung des Äquivalenzgefüges zulasten des Mieters nunmehr erträglicher geworden ist, sodass die wegen des ursprünglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasste Mietzinszahlung wieder rückgängig gemacht bzw. auf den ursprünglichen Stand des Mietvertrages zurückgeführt werden muss.

Zur genaueren Prüfung, ob ein Anspruch auf Vertragsanpassung existiert, wären zunächst die Beeinträchtigungen im Einzelfall aufzuführen und zu bewerten, die durch die Corona-Pandemie beim Gewerberaummieter aktuell entstanden sind.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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