Corona [update] und Arbeitsrecht – Kindergärten sind geschlossen, was nun?

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Seit dem 16.03.2020 sind Schulen, Kindergärten und Kitas für Kinder vorläufig geschlossen. Das wirft häufig folgende Fragen auf:

  • Muss ich zur Arbeit, wenn mein Kind deswegen nicht betreut wird?
  • Bekomme ich mein Gehalt weiter, wenn ich zuhause bleibe? [Update: JA!]
  • Darf ich auch ohne kleine Kinder zuhause bleiben, da ich Angst vor Ansteckungen habe?
  • Was, wenn ich Corona-positiv bin?
  • Was kann der Arbeitgeber tun?

Eine Bemerkung vorab: Eine solche Krise hat es in der Geschichte des deutschen Arbeitsrechts in seiner jetzigen Form noch nicht gegeben. Alle Tipps sind daher mit ein wenig Vorsicht zu genießen. Zudem entwickelt die GroKo derzeit laufend neue Ideen und verändert die Rechtslage.

Grundsätze zum Gehalt:

Grundsätzlich gilt: Ohne Arbeit kein Lohn. Wenn ein Angestellter nicht zur Arbeit erscheint, hat er keinen Anspruch auf Vergütung. Dies folgt aus den §§ 275 und 326 BGB.

Bekannte Ausnahmen: Krankheit, Urlaub, Freistellung

Davon gibt es einige allgemeine bekannte Ausnahmen wie z. B. die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz) oder den Urlaub (§ 1, 11 Bundesurlaubsgesetz). 

Eine weitere bekannte Ausnahme ist die Freistellung, insbesondere nach einer Kündigung: Auch dann muss der Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten und wird trotzdem bezahlt – vorausgesetzt, er bietet seine Dienste weiterhin an und setzt den Arbeitgeber damit in den sog. Annahmeverzug (§ 615 BGB). Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung Klage dagegen erhebt. § 615 BGB greift übrigens auch, wenn der Betrieb z. B. aufgrund von Rohstoffmangel nicht weiter produzieren kann. Die Angestellten müssen dann normal weiterbezahlt werden. Hier verwirklicht sich das klassische Betriebsrisiko, welches beim Arbeitgeber liegt.

All diese Ausnahmen greifen allerdings nicht, wenn der Angestellte nur deswegen nicht zur Arbeit kommt (kommen kann), da er zuhause bleiben muss, um aufgrund der Kita-Schließung seine Kinder zu betreuen.

Weitere Ausnahme: Persönliche Verhinderung

Es gibt jedoch eine weitere Ausnahme, die der persönlichen Verhinderung gem. § 616 BGB, dort heißt es:

„Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. (…).“

Mit anderen Worten: Wer auf sein Kind aufpassen muss, weil die Kita aufgrund der Corona-Krise geschlossen ist, kann sich wohl darauf berufen, aus persönlichen Gründen verhindert zu sein und kann für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum verlangen, weiterhin bezahlt zu werden. Die Frage ist: welcher Zeitraum wird davon erfasst? Dazu müssen im konkreten Einzelfall alle Umstände beachtet werden; eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es bislang nicht. Einige Tage sind sicher davon erfasst; womöglich aber auch eine ganze Woche. Diese Frage kann mit dem Arbeitgeber besprochen werden, sollte er auch zwei Wochen anerkennen, ist das kein Problem.

Achtung: Diese Regelung kann arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden sein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher einen Blick in ihre Arbeitsverträge werfen! Weiterhin sollte geprüft werden, ob es dazu tarifvertragliche Regelungen oder eine Betriebsvereinbarung gibt.

Kurzum: Diese Regelung wird den Arbeitnehmern nicht allzu lange helfen.

[UPDATE]: das IFSG wurde nun geändert, NEU ist Abs. 1a:

(1a) Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, in diesem Zeitraum die Kinder selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können, und erleiden sie dadurch einen Verdienstausfall, erhalten sie eine Entschädigung in Geld. Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien erfolgen würde. Im Fall, dass das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in den Haushalt aufgenommen wurde, steht der Anspruch auf Entschädigung anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern zu.“ 

Und Abs. 2 lautet nun: 

„(2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Im Fall des Absatzes 1a wird die Entschädigung abweichend von den Sätzen 2 und 3 in Höhe von 67 Prozent des dem erwerbstätigen Sorgeberechtigten entstandenen Verdienstausfalls für längstens sechs Wochen gewährt; für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2 016 Euro gewährt. „ 

Die Auszahlung übernimmt gem. Abs. 5 zunächst der Arbeitgeber, er kann sich dies aber erstatten lassen:

„(5) Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.“ 

(Hervorhebungen nur hier.)

Reicht die Angst vor Ansteckung aus, um nicht zur Arbeit zu gehen?

Die reine Sorge, sich bei der Arbeit anzustecken, ist wohl nicht ausreichend, um der Arbeit fernzubleiben. Sollte die Belegschaft Sorgen haben, wären zunächst die üblichen Schutzmaßnahmen (Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, räumlicher Abstand etc.) zu ergreifen.

Erst wenn weitere konkret greifbare Tatsachen hinzutreten, kann darüber nachgedacht werden, ob der Arbeitgeber aus Gründen der sog. arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht gehalten sein kann, seine Angestellten freizustellen. Eine andere (schwierige) Frage ist, ob er diese dann weiterbezahlen muss. 

Was ist bei eigener Betroffenheit? Entschädigung gem. § 56 IFSG!

Ist ein Arbeitnehmer Corona-positiv, ist kann er arbeitsunfähig sein und nach den allgemeinen Regeln für bis zu 6 Wochen bei voller Entgeltfortzahlung zuhause bleiben. Allerdings muss das Krankheitsbild nicht so sein, dass der Betroffene tatsächlich nicht in der Lage ist, zu arbeiten.

Auch hier greift aber auch das „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ (IFSG). Wer unter amtliche Quarantäne (§ 30 IFSG) kommt oder mit einem behördlichen Tätigkeitsverbot belegt wird (§ 31 IFSG) und deswegen letztlich keine Gehaltszahlung mehr erhält, kann gem. § 56 IFSG eine Entschädigung erhalten, dort heißt es in Abs. 1:

„(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.“

In den ersten 6 Wochen entspricht die Entschädigung dem Verdienstausfall. Ab der 7. Woche wird sie in Höhe des Krankengeldes gewährt (soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt). Die Auszahlung erfolgt gem. § 56 Abs. 5 IFSG in den ersten 6 Wochen wie bei einer normalen AU durch den Arbeitgeber. Er kann sich diese Zahlungen allerdings von der Bundesagentur für Arbeit erstatten lassen. Ab der 7. Woche werden die Beträge von der zuständigen Behörde ausbezahlt.

Was also tun?

Arbeitgeber und Angestellte stehen daher vor einer schwierigen Frage. Die pragmatischsten Vorschläge sind derzeit wohl:

  • Homeoffice oder mobiles Arbeiten erlauben
  • Urlaub nehmen oder ggf. Urlaub anordnen
  • Überstunden abbauen oder Minusstunden aufbauen
  • individuelle Regelungen über Freistellung und Bezahlung
  • Kurzarbeit einführen (siehe dazu meinen weiteren Tipp)

Fazit:

Eine solche Situation hat es bislang noch nicht gegeben; die arbeitsrechtlich bekannten Instrumente führen nur bedingt zu befriedigenden Antworten. Alle Beteiligten fahren ein Stück „auf Sicht“ und es bleiben die weiteren Maßnahmen der GroKo abzuwarten.

Wenn Sie Fragen haben, sprechen Sie uns an. Wir helfen Ihnen.

Daniel B. Jutzi

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsinformer Rechtsanwälte Osnabrück


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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