Corona und Unterhalt

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Die Corona-Pandemie hat seit Beginn des Jahres 2020 erhebliche Auswirkungen auf das Unterhaltsrecht. Sie hat sich hierzu auch bereits in der Rechtsprechung niedergeschlagen. 

Fragen die sich stellen sind: Wie wirken sich die gezahlten Kinderboni auf den Kindesunterhalt aus? Welche Einkünfte, insbesondere aus selbstständiger Tätigkeit sind der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legen? Wie gestaltet sich die Zurechnung fiktiver Einkünfte in der Corona- Pandemie?


1. Corona- Kinderbonus und Corona-Soforthilfe


An Selbstständige und Angehörige der freien Berufe wurde wegen der Corona-Pandemie teilweise eine Soforthilfe von bis zu 15.000,00 € gezahlt. Diese war zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen insbesondere bei Betriebsausgaben gedacht. Sie dient als zweckgebundene Leistung nur der Überbrückung von Engpässen im Betrieb. Aus diesen Gründen steht sie nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung und kann daher den eheangemessenen Bedarf  nicht bestimmen (OLG Frankfurt Beschluss vom 26.04.2021, Beck RS 2021, 14548). Zudem hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es sich bei der Corona-Soforthilfe,  um eine nicht pfändbare Forderung handelt. Dies wird mit der Zweckbindung der Soforthilfe begründet. 

Unterhaltsrechtlich anders zu behandeln als die Corona-Soforthilfe, die zum 31.05.2020 ausgelaufen ist,  ist allerdings die Corona-Überbrückungshilfe (Überbrückungshilfe III). Diese bestimmt sich hinsichtlich der Höhe nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle. Bezogene Corona-Überbrückungshilfe ist somit unterhaltsrechtliches Einkommen. 

Für das Jahr 2021 wurde ein Kinderbonus gemäß Art. 4 des dritten Corona- Steuerhilfegesetzes vom 10.03.2021 gewährt. Dieser wurde im Monat Mai mit € 150,00 einmalig pro Kind gezahlt. Gemäß Artikel 11 des zweiten Corona- Steuerhilfegesetzes vom 19.06.2020 wurden im September 2020 200,00 € und im Oktober 2020 100,00 € pro Kind gezahlt. Der Corona- Kinderbonus hat Einfluss auf den Kindesunterhalt. Der im Rahmen der Corona-Hilfen gezahlte Corona- Kinderbonus ist vergleichbar mit dem Kindergeld. Deshalb ist er auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Dies geschieht hälftig auf den Bedarf minderjähriger Kinder und im vollen Umfang auf den Bedarf volljähriger Kinder (OLG Koblenz NJW 2021, 1545). Insoweit durfte der Unterhaltspflichtige den Kindesunterhalt in den betreffenden Monaten kürzen. 

Die Kinderboni werden beim Bezug von ALG II, beim Wohngeld und beim Unterhaltsvorschuss nicht als Einkommen angerechnet.

In der Literatur wird zudem vermehrt vertreten, dass der Corona-Bonus für Mitarbeiter in der Altenpflege und in Krankenhäusern dem Unterhaltsberechtigten anrechnungsfrei zu belassen sei. Ansonsten werde die Zielrichtung des Bonus konterkariert. 


2. Einkommen


Bei Selbstständigen stellt sich die Frage, aus welchem Einkommen der Unterhalt zu berechnen ist, da die Einkünfte häufig schwanken. Es ist für gewöhnlich ein mehrjähriger Durchschnitt der Einkünfte in der Vergangenheit (grundsätzlich die letzten 3 Jahre) zu bilden um eine Prognose der Einkünfte für der Zukunft anstellen zu können. Hier hat allerdings die Corona- Pandemie auch in der Rechtsprechung Auswirkungen gezeigt. Das in den Vorjahren erzielte Einkommen kann angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung nicht unbesehen fortgeschrieben werden. Der Mittelwert aus den letzten Jahren ist bei Selbstständigen teilweise kein Maßstab mehr, wie etwa an der Entwicklung in der Gastronomie zu sehen ist. Hier gab und gibt es teilweise große Einbußen. 

Kann der Gastwirt durch Vorlage betriebswirtschaftlicher Auswertungen nachweisen, dass er für 2020 oder 2021 einen Verlust erzielt hat (etwa durch behördlich veranlasste Schließungen), so ist diese Einkommensänderung beachtlich. Dies insbesondere dann, wenn keine ausreichende Vorsorge für den Fall kurzfristiger Einkommenseinbrüche  getroffen werden konnte. Aufgrund der unvorhersehbaren Entwicklungen in der Gastronomie und auch in der Veranstaltungsbranche war dies nicht zu erwarten. 

Sind allerdings Vermögensrücklagen vorhanden, so hat die Rechtsprechung bislang verlangt, dass diese zur Auffüllung des Einkommens auf die Höhe des bisherigen Einkommens verwendet werden müssen. Dies allerdings nur, wenn die Dauer des Einkommensrückgangs absehbar ist. In diesen Fällen wurde sogar die Aufnahme eines Kredits verlangt, um den bisherigen Unterhalt zahlen zu können. Aufgrund der wieder massiv zunehmenden Corona-Fälle (Stand 11/21), kann allerdings derzeit wohl die Dauer des Einkommensrückgangs nicht seriös bewertet werden.  


3. Fiktive Einkünfte   


Wenn ein Unterhaltspflichtiger seine Erwerbspflicht verletzt, kommt die Zurechnung fiktiver Einkünfte in Betracht. Die Zurechnung setzt allerdings voraus, dass der Unterhaltspflichtige die ihm zumutbaren Anstrengungen eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte. Es darf also vom Unterhaltspflichtigen nichts Unmögliches verlangt werden. Bei der Zurechnung fiktiver Einkünfte in der Corona-Pandemie ist die unterschiedliche Beschäftigungslage in den einzelnen Branchen zu berücksichtigen. Bei Corona bedingter Arbeitslosigkeit kann nicht ohne weiteres das vormals erzielte Erwerbseinkommen fiktiv zugrunde gelegt werden (BVerfG FamRZ 2021, 274). Zudem ist für Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld kein Bemühen um eine anderweitige berufliche Tätigkeit zu erwarten.


Die Corona-Pandemie hat zuletzt auch das OLG Celle beschäftigt. Es war ein Betreuungsunterhalt nach § 1570 Abs. 1 BGB zu prüfen. Das OLG Celle sah eine halbschichtige Erwerbstätigkeit einer Kindesmutter, die zwei schulpflichtige, 2006 und 2013 geborene Kinder betreut, als ausreichend an. Während der pandemiebedingten Einschränkungen sei eine durchgehende schulpräsente Betreuung nicht gewährleistet gewesen. Schließlich habe die weitere Entwicklung auch zum Zeitpunkt der Entscheidung (Februar 2021) noch nicht sicher abgeschätzt werden können.


Fazit:

Es kann zu den fiktiven Einkünften somit das Fazit gezogen werden, dass insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie und der in einzelnen Branchen schwierigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage unrealistische großzügige Zurechnungen fiktiver Einkünfte nicht möglich sind. Hierauf hat auch das Bundesverfassungsgericht Ende 2020 noch einmal hingewiesen. 

Bei den der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legenden Einnahmen ist insbesondere bei selbstständig Tätigen die Corona-Pandemie im konkreten Einzelfall zu beachten. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob in der konkreten Branche des Selbstständigen absehbar eine Entspannung der Lage eintritt oder nicht und ob die kurzfristigen Einkommensrückgänge durch Vermögenseinsatz des Unterhaltspflichtigen abgemildert werden können.

Es empfiehlt sich, einen spezialisierten Anwalt zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Unterhalt zu kontaktieren. 



 





 




 


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