Darf die Polizei mein Handy durchsuchen?

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Ob die Polizei einfach Ihr Handy kontrollieren darf und warum Face-ID und Fingerprint brandgefährlich sein können, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.

Durchsuchungsbeschluss oder Gefahr im Verzug

Grundsätzlich darf die Polizei ein Handy nur mit Durchsuchungsbeschluss oder aber bei Gefahr im Verzug durchsuchen. Gefahr im Verzug liegt vor, wenn eine richterliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, ohne dass dadurch die Maßnahme gefährdet werden würde. Darauf stützt die Polizei z.B. eine Hausdurchsuchung, wenn sie an der Wohnungstüre Marihuanageruch wahrnimmt. Ohne die sofortige Durchsuchung besteht die Gefahr, dass Beweismittel verloren gehen, weil diese z.B. vernichtet werden. Gleiches gilt, wenn jemand einer Straftat verdächtigt wird und die Gefahr besteht, dass Beweismittel auf dem Handy gelöscht werden.
 
Ohne den konkreten Verdacht einer Straftat und ohne Einwilligung der betroffenen Person darf die Polizei das Handy grundsätzlich nicht durchsuchen.
 
Das Smartphone ist für die Ermittlungsbehörden sehr interessant, insbesondere im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts, da Chatverläufe häufig Beweise für den Erwerb von Betäubungsmitteln oder Handeltreiben enthalten, wobei diese Beweise schon sehr genau geprüft werden müssen. Chatnachrichten sind gerade im Betäubungsmittelstrafrecht häufig sehr schwammig formuliert und teilweise auch nichtssagend.

Muss ich den PIN des Handys herausgeben?

Nein! Niemand muss sich selbst belasten. Niemand muss an seiner eigenen Überführung mitwirken. Wir haben in Deutschland die Selbstbelastungsfreiheit. Der PIN muss auch nicht herausgegeben werden, wenn ein Durchsuchungsbeschluss vorliegt oder Gefahr im Verzug gegeben ist.
 
Die Polizei sagt z.B. Sie können uns den Code schon verraten, wir knacken das Handy sowieso. Wenn Sie den Code herausgeben, bekommen Sie das Handy schneller zurück. Diese Aussage ist nur bedingt richtig, denn wenn auf dem Handy inkriminierte Dateien gefunden werden, sich Betäubungsmittelgeschäfte oder andere Straftaten nachweisen lassen, bekommt der Betroffene sein Handy gar nicht mehr zurück.
 
Die Polizei baut hier gerne Druck auf und sagt, dass sehr hohe Kosten entstehen, wenn der PIN nicht herausgegeben wird, denn dann muss das Gerät aufwändig ausgelesen werden. Hier knickt ein Großteil der Betroffenen ein und gibt den PIN heraus. Wenn die Gefahr besteht, dass auf dem Smartphone belastendes Material vorhanden ist, würde ich den PIN niemals herausgeben. Selbst wenn keine Chatverläufe vorhanden sind, die den Erwerb oder Verkauf von Betäubungsmitteln oder andere Straftaten belegen, sollte der Betroffene sich nicht zu sicher fühlen.
 
Es besteht die Gefahr, dass die Polizei noch mehr Straftaten entdeckt als ursprünglich vorgeworfen wurden. Bei der Durchsicht des Handys können durchaus Bilder, Videos oder anderes belastendes Material gefunden werden. Enthält das Handy z.B. Bilder von jungen Frauen oder Mädchen, bei denen das Alter fraglich ist, steht sehr schnell der Tatvorwurf des Erwerbs, Besitzes oder Verbreitens kinderpornografischer oder jugendpornografischer Schriften im Raum.  
 
Befinden sich auf dem Handy Dateien mit kritischen Symbolen, wie z.B. Hakenkreuzen oder dem Hitlergruß und kann ggf. noch ein Verbreiten nachgewiesen werden, steht der Tatvorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen im Raum.
 
Besonders problematisch hieran ist, dass der Betroffene oftmals noch nicht einmal weiß, dass er solche Bilder oder Videos auf seinem Handy hat. Selbst bei einem Handytausch werden oftmals die Daten, die sich auf dem alten Gerät befunden haben, auf das neue Gerät übertragen, so dass die Polizei Einblick in Daten bekommt, die über Jahre hinweg angesammelt wurden.
 
Gerade bei Jugendlichen oder jüngeren Erwachsenen gelangen solche Bilder oder Videos häufig über Whatsapp Gruppen auf deren Handys. Wenn diese Mitglieder in Whatsapp Gruppen sind, bei denen Witziges oder allgemeine Erotik im Vordergrund stehen, ist die Gefahr vorhanden, dass in diese Gruppen auch Bilder mit rechtsextremistischen Symbolen oder Kinderpornos oder Jugendpornos eingestellt werden. Diese Bilder gelangen je nach den Grundeinstellungen des Handys direkt in die Galerie und werden dort abgelegt, ohne dass der Betroffene hiervon weiß. In solche Whatsapp Gruppen werden teilweise mehrere hundert oder tausend Bilder pro Tag eingestellt. Es ist wohl bei den meisten Menschen ausgeschlossen, dass diese alle Bilder prüfen können.
 
Bemerkt werden diese Inhalte oft erst, wenn gegen die Mitglieder der Whatsapp Gruppe Strafverfahren eingeleitet werden und es zur Hausdurchsuchung und damit auch zur Durchsicht des Handys kommt oder aber wenn im Rahmen eines anderen Strafverfahrens das Telefon beschlagnahmt wird.

Diese sog. Zufallsfunde sind höchst riskant. Daher sollte der Betroffene stets gut überlegen, ob er seinen PIN herausgibt. Macht er dies nicht, hat er immer noch die Chance, dass das Telefon nicht ausgelesen werden kann. Kann es nicht ausgelesen werden und liegen keine anderen Beweise vor, wird das Strafverfahren eingestellt.
 
Lassen sich die Smartphones mittels Fingerprint oder Face ID entsperren, besteht die Gefahr, dass die Polizei den Finger des Betroffenen auf das Handy drückt und dadurch das Telefon entsperrt. Oder die Polizei hält der betroffenen Person das Smartphone vors Gesicht und entsperrt das Telefon damit.  

Daher ist der sicherste Weg, einen sicheren PIN und keine Face ID und keinen Fingerprint zu verwenden, egal wie bequem die beiden letztgenannten Methoden auch sein mögen.
 
Ein sicherer PIN, der nicht nur aus einfachen leicht zu erratenden Ziffern wie z.B. 123456, 111111, 0815, oder dem Geburtsdatum besteht, erschwert das Knacken des Handys durch die Polizei.



Rechtliche Hinweise

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